Die Hoffnung, dass Rafael Nadal sich doch zu ein paar Runden im Hamburger Sand motivieren könnte, lebte bei den Tennisfans auf, als der Spanier in der vergangenen Woche in Wimbledon im Achtelfinale ausschied. Doch als Turnierdirektor Michael Stich am Donnerstag die Namen derer bekannt gab, die von Montag an um den Rothenbaum-Titel 2017 kämpfen werden, fehlte ein Superstar vom Schlage Nadals. Und alles war wieder so, wie man es seit vielen Jahren kennt.

Die Klagen über das Teilnehmerfeld der German Open, die in diesem Jahr zum 111. Mal ausgetragen werden, haben fast so viel Tradition wie die Veranstaltung selbst. Auch in seinen besten Tagen, als der Rothenbaum (bis 2008) Standort der Mastersserie war, wurde vor dem ersten Aufschlag mehr über die Stars geredet, die absagten, als über die, die kamen. Und die, die heute lamentieren, dass die großen Namen fehlen, vergessen gern, dass 2003 vier Argentinier, die nur Insidern bekannt waren, im Halbfinale durch den roten Sand an der Hallerstraße wühlten.

Natürlich lässt sich nicht verleugnen, dass die Dichte an Weltspitzenspielern zu Masterszeiten deutlich höher war; naturgemäß, schließlich sind die Stars der Branche bei den neun wichtigsten Events hinter den vier Grand Slams startverpflichtet. Dennoch ist das Diskutieren über das Starterfeld vorrangig eine Journalisten- und Funktionärskrankheit. Das Publikum goutiert weiterhin, dass es Jahr für Jahr wenigstens große Teile der weltbesten Sandplatzspieler zu sehen bekommt.

Wer behauptet, der Hamburger Sportfan sei verwöhnt und wolle für sein Geld erfolgreichen Stars bei der Arbeit zuschauen, muss während der Fußballsaison nur in den Volkspark blicken, um den Gegenbeweis zu erhalten. Und wer sagt, dass es dem Tennisturnier an Weltklasse mangelt, der hat schlicht keinen Respekt vor dem, was die gemeldeten Spieler leisten. Außer den Hockey-Bundesligisten bietet in Hamburg kein einziger Mannschaftssport nur annähernd ein solches Aufgebot an Spitzenkönnern, wie es ab Sonnabend am Rothenbaum zu bestaunen ist.

Deshalb ist es an der Zeit, die Klagemauer einzureißen und sich dem zuzuwenden, was nötig ist, um einen der Leuchttürme des Hamburger Sportkalenders in das Licht zu rücken, das ihm gebührt. Ja, der Termin in Verbindung mit dem Belag ist ungünstig. Zwischen Rasen- und Hartplatzsaison kommen hauptsächlich Sandplatzspezialisten nach Hamburg. Die Topstars brauchen nach Wimbledon sowieso eine längere Pause, was ein Blick auf die Konkurrenzturniere in Atlanta (USA) und Gstaad (Schweiz) verrät. Nur 13 Spieler aus den Top 30 der Welt haben überhaupt für eins der Turniere gemeldet, vier davon in Hamburg. Die Herrentennis­organisation ATP, die den Veranstaltern munter jedes Jahr eine satte Erhöhung des Preisgelds abfordert, ist gefragt, sich dieses Problems anzunehmen.

Aber auch dieses Klagen hilft wenig. Natürlich müssen sich der Deutsche Tennis-Bund (DTB) als Lizenzinhaber und der künftige Veranstalter – aktuell die HSE mit Stich, für die Zeit von 2019 an vergibt der DTB die Lizenz im Herbst neu – ebenfalls bewegen. Der Verband hat die Zeichen der Zeit endlich erkannt. DTB-Vizepräsident Dirk Hordorff hat die Bereitschaft signalisiert, den Belag temporär von Sand- auf Hartplatz umzustellen, sollte das mehr Erfolg bei der Spielerakquise versprechen. Man wolle zudem ein Damenturnier nach Hamburg zurückholen, das es bis 2002 gab, um den Standort zu stärken. In solchen Lösungen zu denken und Visionen zu haben, anstatt nur Probleme zu wälzen – das ist die richtige Einstellung.

Die komplizierte Gemengelage mit den unterschiedlichen Interessen der am Rothenbaum beteiligten Parteien macht die Sache zwar nicht einfacher. Die Pläne des Clubs an der Alster, der das Erbbaurecht an der Anlage hält und als Eigentümer des Stadions einen Abriss desselben plant, um es durch eine deutlich kleinere Multifunktionsarena zu ersetzen, treffen bei DTB und HSE, die eine Modernisierung des bestehenden Centre-Courts bevorzugen, auf Widerstand. Letztlich jedoch sollte es allen darum gehen, das zu tun, was nötig ist, um das Turnier langfristig am Standort Hamburg zu halten.

Was die Tennisfans dazu beitragen können, ist eindeutig: den Rothenbaum auch in diesem Jahr besuchen und sich an denen erfreuen, die gekommen sind, um Weltklassesport zu bieten.