Hamburg. Der Zweitligist bietet den Nachwuchsabteilungen Unterstützung und Wissenstransfer an. Ewald Lienen spielt wichtige Rolle im Konzept

Wenn an diesem Sonnabend (15 Uhr) der FC St. Pauli sein Testspiel gegen den SV Werder Bremen bestreitet, dürfte die Zahl von jugendlichen Zuschauern ungewöhnlich hoch sein. Grund dafür sind die Briefe, die der Kiezclub an insgesamt 23 Amateurvereine aus Hamburg und der näheren Umgebung, genauer an die Verantwortlichen der Nachwuchsabteilungen, vor rund zehn Tagen verschickt hat. Darin lädt der FC St. Pauli die Jugendmannschaften dieser Vereine zum Spiel gegen Werder ein.

Diese Einladung ist allerdings nur ein vergleichsweise kleiner Teil des Inhalts dieser Briefe. Es ist vielmehr eine Geste, die in einem größeren Zusammenhang zu sehen ist. Wie kürzlich bereits St. Paulis Technischer Direktor Ewald Lienen angedeutet hatte, möchte der Zweitligist diesen 23 Amateurvereinen eine Kooperation anbieten. Konkret offeriert St. Pauli diesen Vereinen Wissenstransfer auf verschiedenen Ebenen wie ein Trainercoaching, das sich nur nicht nur auf Fußball, sondern auch auf Bereiche wie Athletik und Sportpsychologie beziehen kann.

Wie die Auswahl der 23 Vereine zustande kam, erläutert Roger Stilz, der Leiter des Nachwuchsleistungszentrum (NLZ ) von St. Pauli: „Es sind die Vereine, von denen in den vergangenen drei Jahren Spieler im Nachwuchs zu uns gewechselt sind.“

„Wir wollen mit diesen Kooperationen, die ganz nach Bedarf individuell ausgestaltet sein sollen, unsere Wertschätzung für die Arbeit zeigen, die in diesen Vereinen überwiegend ehrenamtlich und mit sehr viel Herzblut geleistet wird“, sagt Stilz weiter. Der NLZ-Leiter selbst und auch Ewald Lienen sollen diese Zusammenarbeit mit Leben füllen. „Wir können Info-Veranstaltungen bei den Vereinen ebenso durchführen wie eine gezielte Trainerweiterbildung. Dabei kann vieles, aber nichts muss“, sagt Stilz. Ein Thema könne etwa die inhaltliche Gestaltung einer Trainingswoche oder auch einer langfristigen Trainingsplanung sein.

Eine direkte Gegenleistung erwartet der FC St. Pauli dabei nicht, also etwa eine Verpflichtung der Clubs künftig ihre größten Talente zum Kiezclub ziehen zu lassen. Dies wäre ja auch rechtlich gar nicht möglich. Teil der Vereinbarung ist aber, dass der FC St. Pauli künftig die in den DFB-Statuten festgeschriebenen Ausbildungsentschädigungen an die Vereine, von denen Nachwuchsspieler zum Kiezclub wechseln, auch tatsächlich zahlt. Pro Jahr sind dies zuletzt durchschnittlich jeweils insgesamt rund 50.000 Euro gewesen. In der Vergangenheit hat der FC St. Pauli individuell agiert und entschädigt. Dies soll sich ab sofort ändern. „Der Verein möchte zu seinem Handeln stehen und das auch transparent machen. Das unterstreicht unsere Glaubwürdigkeit“, sagt Stilz. Ganz offenbar sind die Verantwortlichen bei St. Pauli zu der Erkenntnis gekommen, dass sie zumindest bei derartigen Geldbeträgen das Image des „armen Clubs“ heute nicht mehr aufrechterhalten können.

In den vergangenen drei Jahren kamen vor allem vom Niendorfer TSV, Eintracht Norderstedt und dem SC Concordia junge Talente zum FC St. Pauli. „Wir wissen, dass in diesen und anderen Vereinen sehr gute Arbeit geleistet wird. Wir wollen das goutieren“, sagt Stilz und betont: „Auch wenn wir sicherlich keinen Zehnjährigen, der zu uns kommen möchte, ablehnen werden, ist es keinesfalls notwendig, in diesem Alter bereits von einem Stadtteilverein mit qualitativ guter Nachwuchsarbeit zu uns zu wechseln, wenn man den Traum hat, Fußballprofi zu werden. Diese Basisarbeit ist bei den Stadtteilclubs, denen wir ein Kooperationsangebot gemacht haben, sehr gut aufgehoben.“

Die Briefe des FC St. Pauli sind inzwischen auf eine bemerkenswerte Resonanz gestoßen. Bis Mittwochnachmittag hatten bereits 21 der 23 vom FC St. Pauli angeschriebenen Vereine geantwortet und auch Tickets für das Testspiel gegen Werder Bremen am Sonnabend bestellt.