London. Spanier verliert episches Achtelfinale gegen Gilles Muller. Der Luxemburger sieht die Gründe danach auch in einer Verletzung.

Wie er sie überlebt hatte, diese epische Schlacht über 288 Spielminuten, das wusste Gilles Muller auch nicht so recht zu erklären. „Im fünften Satz habe ich mir gedacht: Bleib einfach dran, deine Chancen werden kommen! Und so habe ich es dann gemacht“, sagte der 34 Jahre alte Luxemburger, nachdem er die größte Überraschung der All England Championships 2017 perfekt gemacht hatte. 6:3, 6:4, 3:6, 4:6 und 15:13 lauteten die nackten Zahlen, die für Muller den größten Sieg seiner Karriere markierten. Niemals zuvor war der Weltranglisten-26. in Wimbledon ins Viertelfinale vorgedrungen, überhaupt nur einmal bei einem der vier Grand-Slam-Turniere, 2008 bei den US Open, stand er in der Runde der letzten acht. „Für mich ist das ein sehr besonderer Moment“, sagte er.

Muller wertet Verletzung als Glücksfall

Pure Erleichterung, das sei die beste Beschreibung für das, was er gefühlt habe, als er seinen fünften Matchball genutzt hatte. Jeweils zwei hatte er beim Stand von 5:4 und 10:9 im finalen Durchgang, der allein mehr als zwei Stunden dauerte, vergeben. „Natürlich war es nicht leicht, trotzdem geduldig zu bleiben. Aber ich habe gespürt, dass ich auf dem richtigen Weg war. Dieses Spiel noch zu verlieren, das wäre sehr hart zu verdauen gewesen“, sagte der zweifache Vater, der auf der ATP-Tour bislang erst zwei Turniersiege vorweisen kann. Beide in dieser Saison, auf Hartplatz in Sydney (Australien) und auf Rasen im niederländischen s'Hertogenbosch.

Der wichtigste Grund für seinen späten Aufschwung sei, dass er seit seinem Comeback 2014 verletzungsfrei spielen könne. Eine Ellbogenblessur hatte eine Fortsetzung der Karriere infrage gestellt. „Rückblickend war die Verletzung das Beste, was mir passieren konnte“, sagte Muller, „dadurch konnte ich mich richtig auskurieren und meinen Körper in Topform bringen. Seitdem habe ich endlich volles Vertrauen in meine physische Leistungsfähigkeit.“

Nadal reagiert extrem angefressen

Das war zu beobachten in einem Match, in dem auch Nadal seine Chancen hatte, jedoch an der Präzision zerschellte, mit der Muller seine Aufschlagspiele durchbrachte. „Im dritten und vierten Satz war mein Service nicht so gut, aber zum Glück konnte ich mich im fünften Satz wieder darauf verlassen“, sagte er. Der Spanier dagegen, der sich als French-Open-Sieger durchaus Hoffnungen auf seinen dritten Wimbledon-Titel nach 2008 und 2010 gemacht hatte, war nach der Partie extrem angefressen. „Er hat gut gespielt, aber wenn man so viele Fehler macht wie ich, dann kann man gegen einen solchen Gegner nicht gewinnen“, sagte der 31 Jahre alte Weltranglistenzweite. „Ich weiß, dass ich von der Grundlinie der bessere Spieler bin. Deshalb hätte ich nicht so oft ans Netz gehen sollen.“

Während sich Nadal an den überbordenden Sympathien der Fans auf Court 1 erfreuen konnte und ankündigte, „im nächsten Jahr zurückzukommen, um wieder auf dem Centre-Court zu spielen“, freute sich sein Bezwinger vor allem auf den freien Dienstag. „Es kann sein, dass ich mich morgen nicht so gut fühlen werde. Aber ich werde die Pause nutzen, um in Topform zum Viertelfinale anzutreten“, sagte er. Das ist auch notwendig, denn am Mittwoch wartet der Kroate Marin Cilic, der in den ersten beiden Runden die deutschen Routiniers Philipp Kohlschreiber (Augsburg) und Florian Mayer (Bayreuth) ausgeschaltet hatte und im bisherigen Turnierverlauf noch keinen Satz abgegeben hat. „Natürlich wird das eine schwierige Aufgabe“, sagte Muller, „aber ich werde meine Chancen bekommen.“ Dass er sie zu nutzen weiß, davon kann nun auch Rafael Nadal ein Lied singen.