London. Erstmals erlebt Alexander Zverev die zweite Woche eines Grand-Slam-Turniers auf dem Platz. Die Familie hilft dem Hamburger Tennisprofi.

Um den traditionell spielfreien Mittel-Sonntag bei den All England Championships in Wimbledon als freien Tag genießen zu können, muss man Zuschauer sein. Die Platzwarte mussten nach der von einigen Spielern aufgebrachten Kritik an den zu harten und unebenen Plätzen für eine Verbesserung der nach einer Woche ohne Regen ausgetrockneten Rasencourts schuften. Die mehr als 3000 Medienvertreter aus aller Welt durften ihren Kunden Neuigkeiten liefern. Und die 32 fürs Achtelfinale qualifizierten Tennisprofis, die am "Super Monday" allesamt im Einsatz sind, trainierten.

Am Nachmittag war auch Alexander Zverev aktiv, um sich auf die Herausforderung vorzubereiten, die nach seinem erstmaligen Einzug in die zweite Woche eines Grand-Slam-Turniers auf ihn wartet. Kanadas Aufschlagriese Milos Raonic (26), mit 196 Zentimetern Körperlänge exakt gleich groß wie der 20 Jahre alte Hamburger, wird für den Weltranglistenzwölften der erste echte Prüfstein an der Church Road, nachdem er gegen den Russen Jewgeni Donskoi, den US-Amerikaner Frances Tiafoe und am Sonnabend in der dritten Runde beim 6:4, 6:4 und 6:2 über den österreichischen Überraschungs-Qualifikanten Sebastian Ofner (21) bislang keinen einzigen Satz abgegeben hat.

Zverevs Eltern mit Trainingskniff

Gegen Ofner, der viermal seine Unterkunft wechseln musste, weil er stets nur um zwei Tage verlängert hatte, wies der jüngere Zverev-Bruder – Mischa (29) schied am Sonnabend in Runde drei gegen den Schweizer Superstar Roger Federer mit 6:7 (3:7), 4:6 und 4:6 aus – Weltklasseformat nach. Er schlug gut auf, sieben seiner 15 Breakchancen sowie 13 von 17 Volleys am Netz verwertete er und ließ mit seiner Präsenz zu keiner Phase des Matches Zweifel am Achtelfinaleinzug aufkommen.

"Ich habe mich hier von Match zu Match verbessert“, sagte der Jungstar, "die zweite Woche zu erreichen ist für mich ein Meilenstein. Jetzt wartet mit Raonic allerdings ein anderes Kaliber.“ Insbesondere der Aufschlag des Weltranglistensiebten, der im Turnierverlauf nicht immer souverän wirkte und gegen den Russen Michail Juschni einen Satz abgab, beschäftigte den Zverev-Clan. Mutter Irina und Vater Alexander, die als Trainer fungieren, ließen deshalb Sparringspartner im Training von der T-Linie aus servieren, um die Härte und Variabilität von Raonics Spieleröffnung zu simulieren.

Mischa macht seinem Bruder Mut

„Es ist schwer, das zu kopieren, denn Milos schlägt wirklich sehr gut auf. Aber ich glaube, dass Sascha eine gute Chance haben wird, weil er gegen starke Aufschläger oft gut spielt. Es wird viel davon abhängen, ob er sich steigern kann, denn Milos spielt meistens auf einem Level“, sagte Mischa, der seinen Aufenthalt mindestens bis Montag verlängern wollte. Mut macht dem Jüngeren auch das bislang einzige Duell mit Raonic, das er im Mai dieses Jahres beim Mastersturnier in Rom im Viertelfinale 7:6 (7:4) und 6:1 gewann – allerdings auf Sand. „Ich hoffe, dass ich daraus einiges mitnehmen kann, aber es war ein anderer Belag. Wir können beide auf hohem Niveau spielen, deshalb wird es ein hartes Match für beide“, sagte Alexander Zverev. „Sascha hat sich in den vergangenen Monaten stark entwickelt. Aber ich freue mich darauf, auf Rasen gegen ihn spielen zu können“, sagte Raonic, der 2016 in Wimbledon im Finale dem Schotten Andy Murray unterlag.

Die besten Talente dieser Dekade

Besonderen Reiz zieht das Duell daraus, dass sich die beiden besten Nachwuchsspieler der vergangenen Dekade treffen. Zum Ende jeder Saison vergibt die Herrentennis-Organisation ATP den „Star of Tomorrow“-Award. 2011 wurde Raonic ausgezeichnet, vier Jahre später Zverev. Wer den Werdegang der Jungstars vergleicht, der stellt fest, dass es nur vier der seit 2007 prämierten Profis in die Top Ten der Weltrangliste schafften – neben den Achtelfinalkontrahenten vom Montag noch der Franzose Jo-Wilfried Tsonga (32/2007 ausgezeichnet) und der Japaner Kei Nishikori (27/2008).

Schneller als Zverev, der nach seinem Masters-Triumph in Rom und damit 17 Monate nach seiner Auszeichnung unter die besten zehn aufrückte, gelang dies keinem Spieler. Raonic, der mit seinen acht Turniersiegen vier Titel mehr als Zverev vorweisen kann, aber noch nie ein Masters gewann, brauchte drei Monate länger, Nishikori sogar fünfeinhalb Jahre. Tsonga stand bei seiner Auszeichnung zwar bereits an Position sieben, war damals aber auch schon 23 Jahre alt. In Zverevs Alter schlug er sich noch an Position 160 herum.

Besser als Raonic, der im November 2016 sogar an Position drei notiert wurde, und Zverev war nur einer: Rafael Nadal. Der 15-malige Grand-Slam-Sieger aus Spanien brauchte für seinen ersten Masters-Triumph und den Einzug in die Top Ten einen Monat weniger als Zverev. In Wimbledon könnte der Sieger des Youngster-Duells erst im Finale auf den 31-Jährigen treffen.