Mischa Zverev bewundert Federer, muss aber seinen Respekt ablegen. Das unterscheidet ihn von seinem jüngeren Bruder Alexander.

London. Um zu verstehen, wie sich die Tennisbrüder Zverev in ihren Wesen unterscheiden, lohnte am Donnerstagabend ein Besuch ihrer Pressekonferenzen. Diese vom Veranstalter vorgeschriebenen Frage-und-Antwort-Runden sind die einzige Möglichkeit, frische Zitate von den Profis zu bekommen. Während also Alexander vor seinem Drittrunden-Match, das ihn an diesem Sonnabend mit dem österreichischen Überraschungs-Qualifikanten Sebastian Ofner (21/Nr. 217 der Weltrangliste) zusammenführt, im Hauptmedienraum kurz angebunden und bisweilen gelangweilt seine Antworten abspulte, saß in einem Nebenraum sein neun Jahre älterer Bruder Mischa (29) und sprudelte beinahe über vor Lebensfreude.

Niemals zuvor sei er bei den All England Championships in Wimbledon auf dem Centre-Court gewesen, erzählte der in Moskau geborene Hamburger, „nicht einmal als Zuschauer“. Deshalb werde er sein Drittrundenduell mit Roger Federer auf jeden Fall genießen, auch wenn alles andere als ein klarer Erfolg des Schweizer Rekordsiegers (sieben Titel) eine Überraschung wäre. In seinen bislang vier Begegnungen mit dem Weltranglistenfünften konnte der 30. des Rankings noch keinen Satz gewinnen, in diesem Jahr verlor er im Viertelfinale der Australian Open und im Achtelfinale im westfälischen Halle gegen den 35 Jahre alten Superstar.

„Ich werde Alles oder Nichts spielen müssen, um eine Chance zu haben. Was ich genau machen werde, weiß ich noch nicht“, sagte Zverev, der in Australien sehr aggressiv seinen Serve-and-Volley-Stil durchgezogen, in Halle allerdings weit hinter der Grundlinie agiert hatte. „Das macht ihn so unberechenbar, man weiß nie, was kommt“, sagte Federer, der am Freitag mit Linkshändern trainierte, um sich auf Zverevs Kick-Aufschlag einzustellen.

Zverev ist vor Federer-Duell „erleichtert“

Mischa Zverev dagegen muss vor allem versuchen, seinen Respekt vor seinem Idol in Grenzen zu halten. „Seit ich ihn 2002 das erste Mal gesehen habe, bewundere ich ihn. Sein Spiel ist so elegant und leicht. Jeder, der die Ästhetik des Tennis versteht, muss ihn mögen.“ Der leicht verschnupfte „Maestro“ gab dieses Kompliment in etwas moderateren Worten zurück. „Ich habe großen Respekt vor Mischa. Er stand 2015 nicht mal mehr unter den besten 1000 und hat sich von vielen Verletzungen zurückgekämpft. Das ist eine tolle Leistung“, sagte er.

Genau das ist auch der Grund dafür, dass die Brüder so unterschiedlich mit ihren Zweitrundensiegen umgingen. Während für den an Ranglistenposition zwölf notierten Alexander das erstmalige Erreichen der zweiten Woche bei einem Grand-Slam-Turnier ein logischer Karriereschritt und ein Ausscheiden gegen Ofner fast schon eine Blamage wäre, hat Mischa gegen den aktuellen Australian-Open-Sieger nichts zu verlieren.

Zverev hofft auf die Sensation

In Wimbledon hat er zum ersten Mal seit 2009 überhaupt wieder eine Runde gewonnen, ein Jahr zuvor stand er zum einzigen Mal in der dritten Runde. „Ich bin erleichtert, dass ich das wieder geschafft habe“, sagte er, „denn als gesetzter Spieler vor der dritten Runde auszuscheiden, das wäre nicht gut gewesen. Jetzt kann ich mit meinem Abschneiden schon zufrieden sein. Gegen Roger wäre selbst eine Niederlage okay“, sagte er.

Dennoch werde er alles probieren, um die Sensation zu schaffen und sich die Chance auf ein Viertelfinalduell mit seinem Bruder zu erhalten. Die Risswunde am kleinen Finger der rechten Hand, die er sich an seinem Spind zugezogen hatte, wird verheilt sein, wenn am Sonnabend der Schlagabtausch beginnt. Was er denn tun könne, um den großen Meister nervös zu machen, wurde er noch gefragt: „Vielleicht könnte ich ihm böse Blicke zuwerfen“, sagte er – und lachte so freundlich dabei, dass jeder wusste, dass Mischa Zverev andere Alternativen wird finden müssen, um Roger Federer zu entnerven.

Besondere Impressionen aus Wimbledon: