Hamburg. Beim Hamburg Masters startet für die neu formierten Hockeyherren heute die Generalprobe für die WM-Quali

Ein paar flüchtige Blicke hätten am Mittwochmittag nicht ausgereicht, um den Bundestrainer inmitten seiner Spieler auszumachen. Stefan Kermas hatte die ihm anvertrauten deutschen Hockeyherren zu einem lockeren Strafeckentraining auf die Anlage des Uhlenhorster HC am Wesselblek gebeten, wo sie von diesem Donnerstag bis Sonntag beim Viernationenturnier Hamburg Masters ihre Form überprüfen werden. Es wurde viel gelacht und geflachst, einige Spieler hatten umgedrehte Baseballcaps auf dem Kopf, der Kölner Mittelfeldmotor Mats Grambusch trug sogar noch seine Brille, die er beim Sport normalerweise gegen Kontaktlinsen tauscht.

Kermas stand irgendwo zwischen seinen Jungs, die Anweisungen, die er gab, waren leise, seine Gesten sparsam; erst als er mit einem „vielen Dank euch allen, Schluss für heute“ die Einheit beendete, wäre unkundigen Beobachtern aufgefallen, dass der einzige Mann ohne Schläger tatsächlich kein zuschauender Spieler, sondern deren Chef war. Nun sollte man sich von derlei Nähe allerdings nicht blenden lassen. Der 38-Jährige, der das Amt Anfang dieses Jahres von Valentin Altenburg übernommen hatte, ist zwar beileibe kein Lautsprecher. Aber der gebürtige Berliner, der Jura studiert hat und vor seinem aktuellen Engagement beim Deutschen Hockey-Bund als Geschäftsführer eines Unternehmens im Bereich Risikomanagement arbeitete, ist ein Freund klarer Regeln und Handlungsweisen.

Seinen nach dem Bronzegewinn bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro 2016 total umstrukturierten Kader erreicht der neue Teamchef vor allem mit seinem taktischen Fachwissen und mit seiner offenen, ehrlichen Ansprache. So hat er das unter Altenburg etablierte Führungskollektiv aufgelöst, mit dem Berliner Martin Häner einen festen Kapitän und mit Mats Grambusch dessen Vertreter bestimmt. Dahinter gibt es ein Führungsgremium, das stetig neu zusammengesetzt wird. „Ich möchte eine klare Struktur, die ich bestimmen und steuern werde“, sagt er.

Die Zielsetzungen für die nacholympische Saison sind klar umrissen. Kermas, als Cheftrainer mit Rot-Weiß Köln zweimal deutscher Meister, soll eine spielintelligente Mannschaft aufbauen, die sich auf die aufgrund der breiter gewordenen Weltspitze gewachsenen taktischen und athletischen Anforderungen einstellt und eigenständig Lösungen findet. „Durch die Umstellung der Spielzeit von zweimal 35 auf viermal 15 Minuten wird viel mehr Powerhockey gespielt. Es ist schwieriger geworden, sich gegen die tief stehenden Teams Torchancen aus dem Spiel zu erarbeiten. Deshalb sind wir intern gerade auf der Suche nach einer neuen Struktur, um kreativer zu werden und den Blumenstrauß unserer Möglichkeiten zu vergrößern“, sagt Kermas.

Sein erstes großes Turnier als Bundestrainer ist auch gleich das wichtigste des Jahres 2017. Vom 9. bis 23. Juli geht es in Johannesburg im World-League-Halbfinale um die Qualifikation für die WM im Dezember 2018 in Indien. Durch die Aufstockung des WM-Feldes von zwölf auf 16 Teams reicht in Südafrika Rang fünf. Ein Sieg im Viertelfinale, das man angesichts der Vorrundengegner aus Ägypten, Südafrika, Belgien und Irland nicht verpassen kann, würde also das Indien-Ticket bringen. Im Misserfolgsfall könnte die WM-Qualifikation im Nachsitzen als Kontinentalmeister erfolgen. Ende August steht dafür die EM in Amsterdam auf dem Plan.

„Die Qualifikation für Indien ist das primäre Ziel“, sagt Kermas. Das Turnier in Hamburg sieht er als perfekte Generalprobe für Südafrika an, trifft man mit Österreich (heute), Spanien (Fr, beide 19 Uhr) und Irland (So 12.30 Uhr) doch auf drei sehr unterschiedlich veranlagte Teams. „Österreich ist, ähnlich wie Ägypten im ersten World-League-Spiel, ein Gegner, der uns viel Ballbesitz gestatten und tief stehen wird. Spanien ist ein technisch starkes Team mit Top-Individualisten, und Irland, die wir in Südafrika wiedertreffen, ist sehr physisch mit einem bärenstarken Defensivkollektiv. Dennoch erwarte ich, dass wir mit drei Siegen das Turnier gewinnen“, sagt der Bundestrainer.

Österreich spielt mit mehr Hamburgern als Deutschland

Kurios ist, dass Auftaktgegner Österreich mit Bundesliga-Torschützenkönig Michael Körper, Xaver Hasun (beide Harvestehuder THC), Oliver Binder, Franz Lindengrün und Leon Thörnblom (alle Polo Club) fast doppelt so viele Spieler aus Hamburger Vereinen im Kader hat wie Kermas, der lediglich Torhüter Tobias Walter (HTHC), Dieter Linnekogel (Club an der Alster) und Jan-Philipp Rabente (UHC) nominierte. Stammtorhüter Felix Reuß (Alster) laboriert an einem Muskelsehnenanriss im Oberschenkel, ist aber für die World League gesetzt, wenn er fit wird. Walter kämpft mit dem Krefelder Marc Appel um den Platz als Ersatzkeeper. HTHC-Star Tobias Hauke und der frühere UHC-Torjäger Florian Fuchs (jetzt Bloemendaal) pausieren bis Jahres­ende. Die UHC-Urgesteine Moritz Fürste, Oliver Korn und Nico Jacobi haben ihre Auswahlkarrieren beendet und werden im Rahmen des Hamburg Masters offiziell verabschiedet.