Hamburg. Deutschlands bester Tennisprofi Alexander Zverev wird nicht in seiner Heimatstadt Hamburg aufschlagen. Offene Kritik am älteren Bruder.

Michael Stich tat, was man eben so tut als Profi, wenn man ein Produkt zu verkaufen hat. In seiner Eigenschaft als Turnierdirektor des Herrentennisevents am Rothenbaum strich der 48-Jährige die qualitative Breite des Starterfelds der vom 22. bis 30. Juli geplanten 111. Auflage hervor, das er am Donnerstagvormittag im Elysée-Hotel am Dammtor vorstellte. Niemals, seit er mit seinem Geschäftspartner Detlef Hammer 2009 das Recht zur Ausrichtung des Turniers übernahm, sei der Cut-off für die 23 Hauptfeldplätze so hoch gewesen wie in diesem Jahr mit Weltranglistenplatz 67.

„Mit David Ferrer, Fernando Verdasco, Gilles Simon und Richard Gasquet haben wir eine Reihe an ehemaligen Top-Ten-Spielern, mit Borna Coric und Karen Khachanov zwei Vertreter der neuen Generation und mit Pablo Cuevas, Pablo Carreno Busta und Albert Ramos-Vinolas Top-Sandplatzspieler. Wir bieten auch in diesem Jahr wieder Weltklasse­tennis“, sagte der Wimbledonsieger von 1991, und das stimmte.

Zverev hat um Wildcard gebeten

Und weil auch der auf Abschiedstournee durch Deutschland reisende Altmeister Tommy Haas (39) seine Bereitschaft erklärt hat, in seiner Geburtsstadt nicht nur am 23. Juli (18 Uhr) zum Legendenmatch gegen Stich anzutreten, sondern mittels einer Wildcard auch im Hauptfeld aufzuschlagen, sollte es der malade Körper zulassen, hätte es ein schöner Tag sein können für den Turnierdirektor und sein Team.

Wäre da nicht diese Nachricht gewesen, die alles überstrahlte. Die Nachricht nämlich, dass mit Alexander Zverev der beste deutsche Tennisprofi das Traditionsturnier in seiner Geburtsstadt auszulassen droht. Der Weltranglistenzehnte habe zwar, so Stich, über seinen Manager Patricio Apey darum bitten lassen, eine Wildcard freizuhalten, „was wir auch gern tun“. Da der 20-Jährige aber für das in der Woche nach Hamburg stattfindende Hartplatzturnier in der US-Hauptstadt Washington gemeldet hat, „gehen wir nicht davon aus, dass er bei uns spielen wird“.

„Das Turnier ist der Star“

Auch wenn sich Stich und Hammer bemühten, die Auswirkungen einer Absage des wichtigsten Zugpferds herunterzuspielen („Das Turnier ist der Star, wir legen keinen Fokus auf einzelne Spieler“): Die Entscheidung des Jungstars ist vor allem deshalb ein Schlag, weil sich Apey im Jahr 2013, nachdem sein Schützling als 16-Jähriger erstmals per Wildcard im Hauptfeld am Rothenbaum aufschlagen durfte, zu einer Vereinbarung bekannt hatte, die Zverev für fünf Jahre bis 2018 die Teilnahme garantierte, ihn aber gleichzeitig zu einem Start in Hamburg verpflichtete.

Im Gespräch mit dem Abendblatt erklärte der Chilene, es handle sich bei der Vereinbarung nicht um einen rechtlich bindenden Vertrag. „Dennoch fühlt sich Sascha dem Turnier und Michael Stich, zu dem wir ein großartiges Verhältnis haben, sehr verbunden. Wir werden erst nach Wimbledon Mitte Juli entscheiden, wie der weitere Plan ist, und sind Michael sehr dankbar, dass er für Sascha eine Wildcard freihält“, sagte Apey.

Wie viel man auf diese Worte geben kann, wird sich zeigen. Intern scheint bereits klar zu sein, dass Zverev den kurzen Abstecher von Rasen in London auf Sand in Hamburg nicht machen will, um sich optimal auf die Hartplatzserie mit den US Open in New York (Start 28. August) als Höhepunkt vorzubereiten. Aus sportlichen Gesichtspunkten ist dieses Vorgehen sogar verständlich. Moralisch allerdings darf man schon fragen, ob angesichts der jahrelangen Unterstützung, die Stich der Familie Zverev geleistet hat, nicht etwas mehr Dankbarkeit zu erwarten wäre.

Manager Apey sagte dazu: „In einer idealen Welt würde Sascha jedes Jahr in Hamburg spielen. Aber wir müssen die Entscheidung treffen, die für ihn sportlich die sinnvollste ist.“ Es ginge dabei nicht um das Image seines Stars, sondern einzig um den sportlichen Erfolg. „Bislang gibt uns dieser Weg recht“, sagte Apey.

Mischa Zverev hat bereits definitiv abgesagt

Topspieler wie Roger Federer, Rafael Nadal oder Andy Murray würden auch Turniere in der Heimat auslassen, wenn sie nicht in den Jahresplan passten. Genau darin liegt die Diskrepanz der Denkweisen: Apey will Zverev zur globalen Marke aufbauen. Hamburg und der darbende deutsche Tennismarkt spielen nur eine Nebenrolle, auch wenn der Manager betonte, „dass Deutschland für Sascha einen sehr hohen Stellenwert hat“.

Verschärft wird die Lage noch dadurch, dass Alexanders Bruder Mischa (29), an Position 31 aktuell zweitbester deutscher Tennisprofi, für das Rothenbaum-Turnier bereits definitiv abgesagt hat. Auch er will sich auf die Hartplatzsaison in den USA konzen­trieren. Während Stich die Kritik am jüngeren Zverev moderat verpackte, geißelte er Mischa offen: „Ich habe ihn persönlich gebeten, bei uns zu spielen, aber er hat abgelehnt. Das finde ich extrem enttäuschend.“

Weil sich Stich trotz offerierten Antrittsgelds auch von einem Dutzend weiterer Top-20-Spieler Absagen einhandelte, bleibt dem Hamburger Tennisfan an diesem Freitag nur ein neidischer Blick nach Stuttgart, wo im Viertelfinale des dortigen Rasenturniers Haas und Mischa Zverev aufeinandertreffen. Eine Partie ist das, die dem Rothenbaum auch gut zu Gesicht gestanden hätte.