Hamburg. Nach fünf Pleiten zum Saisonstart nimmt Cheftrainer Sean Embree Spieler und Verantwortliche der Hamburg Huskies in die Pflicht

Seine gute Laune? Nein, die will sich Sean Embree nicht nehmen lassen. „Es gibt Schlimmeres im Leben, als eine 0:5-Bilanz zu haben. Hey, ich bin gesund, arbeite in einer tollen Stadt in dem Sport, der meine Leidenschaft ist“, sagt der 45-Jährige. Und wer dem Cheftrainer der Hamburg Huskies dabei zuschaut, wie er auf dem neuen Trainingsplatz am Tribünenweg seine Spieler mit kleinen Späßchen und lautem Lachen begrüßt, der sieht in ihm den amerikanischen Coach aus dem Bilderbuch der Klischees. Einen Kerl, der Optimist bleibt, auch wenn die Lage so aussichtslos erscheint, wie es der Saisonstart in der German Football League (GFL) mit fünf teils deftigen Pleiten aus den ersten fünf Partien vermuten lässt.

Wie es tatsächlich in ihm aussieht, das lässt Sean Embree erst durchscheinen, nachdem das Gespräch über die Allgemeinplätze („Wir geben niemals auf“, „Team und Trainer sind eine verschworene Einheit“) hinausgekommen ist. „Ich wusste, dass nach einer Saison mit vier Siegen aus 14 Spielen eine Menge Arbeit auf mein Trainerteam und mich warten würde“, sagt er, „aber von den Herausforderungen, die wir hier tatsächlich meistern müssen, bin ich komplett überrascht.“

Das Hauptproblem sei, dass viele Spieler nicht die notwendige Einstellung mitbrächten, um in der höchsten deutschen Spielklasse mithalten zu können. Untrügliches Zeichen dafür sind die mittlerweile 17 Verletzten. „Wir sind nach fünf Spielen schon total angeschlagen, und das killt uns“, sagt der Coach, „aber es ist unsere eigene Schuld. In der Off-Season wurde zu wenig gearbeitet, und auch jetzt fehlt vielen die nötige Disziplin und Einstellung, um regelmäßig in den Kraftraum zu gehen. Manche sind nur hier, um in den sozialen Medien gut auszusehen, aber sie sind nicht bereit für ein hartes Spiel.“ Er habe sogar sein Playbook, die Bibel eines jeden Trainers, ändern müssen, weil viele Spieler von seinen geplanten Spielzügen überfordert gewesen seien.

Harte Worte sind das, aber Embree, der von Vukovi Belgrad kam, will aufrütteln. Natürlich nimmt er sich nicht aus der Verantwortung, dennoch sieht er die Versäumnisse vor allem in der Führung des Vereins. „Es fehlt den Huskies leider der Sinn für die Dringlichkeit, jemanden zu beschäftigen, der ein gutes Scouting macht, ein Team zusammenstellt und die Spieler diszipliniert.“ Dass an anderen Standorten wie Braunschweig, Dresden oder auch Kiel mehr finanzielle Mittel vorhanden sind, will er als Begründung nicht gelten lassen. „Natürlich geht es auch um Geld. Aber viel wichtiger sind Einstellung, Stolz und Leidenschaft. Wir haben vor der Saison eine Reihe an Leistungsträgern an Kiel verloren, weil die lieber in einem Club spielen wollten, der Professionalität vorlebt. Das trage ich nicht den Spielern nach, sondern der Organisation.“

Allein gelassen fühle er sich nicht, „wohl aber ein Stück weit gehandicapt“. Nie zuvor sei er mit einer 0:5-Bilanz in eine Saison gestartet. „Ich bin es gewohnt, auf der Gewinnerseite zu stehen“, sagt er, „aber ich nehme die neue Situation als Herausforderung an, um ein noch besserer Trainer zu werden.“ Rat hole er sich bei seinem Bruder Jon, der Assistant Headcoach bei den San Francisco 49ers ist. Und die Aussicht, in der Sommerpause für drei Wochen Besuch von seinen Kindern (9 und 15) zu bekommen, hilft ihm auch dabei, positiver zu denken.

An diesem Sonnabend (17 Uhr, Stadion Hammer Park) empfangen die Huskies die Berlin Rebels, denen sie am vergangenen Sonnabend 6:63 unterlegen waren. Die nächste Klatsche droht, aber Sean Embree glaubt an die Wende. Das Team habe noch nicht resigniert, sondern sei vielmehr selbstkritisch und verärgert über die eigene Leistung. Es sende positive Signale, habe eingewilligt, drei- statt zweimal pro Woche zu trainieren. „Ein Sieg kann alles verändern. Wenn wir die vielen dummen Fehler abstellen und als Team zusammenstehen, können wir es schaffen!“ Manche nennen das Zweckoptimismus. Tatsächlich aber ist Sean Embree wohl eher ein optimistischer Realist.