Hamburg. Was muss beim Bundesliga-Dino anders werden? Im vierten Teil der neuen HSV-Serie Schluss mit Abstiegskampf geht es um Ein- und Verkauf – die Transferbilanz des Clubs

Ein Umbruch ist laut Definition „eine Veränderung, die grundlegend und folgenreich ist“, und gehört beim HSV zu den beliebtesten Begriffen, wahlweise ersetzt durch „Neuanfang“, „Neustart“ oder „Umbau“. Wenig überraschend also, dass der HSV-Vorsitzende Heribert Bruchhagen Ende April ankündigte: „Dem HSV steht ein Umbruch bevor.“ Wenige Wochen später hat dieser längst begonnen. Mit René Adler, Johan Djourou und Matthias Ostrzolek haben drei Profis den HSV verlassen – wieder mal ablösefrei. Kyriakos Papadou­-poulos war nur ausgeliehen.

Fußball ist im Grunde ein ganz einfaches Geschäftsmodell. Günstig Talente einkaufen, notfalls später teuer verkaufen, wieder günstig Qualität holen – so kann sich ein Club nicht nur entschulden, sondern auch sukzessive nach oben arbeiten. In der Theorie. Der HSV hat in den vergangenen Jahren eindruckvoll vorgemacht, wie sich ein Club in den Ruin treiben kann. Regelmäßig wurden hohe Millionenbeträge in Transfers investiert wie bei Marcus Berg (10 Mio.), Heiko Westermann, Rafael van der Vaart (13 Mio.), Pierre-Michel Lasogga (8,5 Mio.), Lewis Holtby (6,5 Mio.) oder zuletzt Filip Kostic (14 Mio.), Walace (9,2 Mio.), Douglas Santos (7,5 Mio.) und Alen Halilovic (5 Mio.), die entweder den HSV verließen oder aber im Wert rapide sanken. Noch nicht einmal berücksichtigt in der Übersicht über die 210 Transferbewegungen (Zu- und Abgänge, Nachwuchs, Leihen) von 2009 bis 2017 sind die Millionenhonorare für Spielerberater, die zum Teil weit mehr als die üblichen acht Prozent Provision kassierten.

Seit 2009 halbierte sichder Wert des HSV-Kaders

Gewinn machte der Club zwar bei den Verkäufen von Heung-Min Son (10 Mio.) oder auch Jonathan Tah (7,5 Mio), doch der Marktwert dieser Spieler liegt längst deutlich über 20 Millionen Euro. Apropos Marktwert: Entscheidend für den Erfolg ist nicht die Zahl der Transfers (auch Dortmund wickelte im gleichen Zeitraum 160 Wechsel ab), sondern die Qualität. Von 145,93 Millionen Euro (2009) halbierte sich laut „transfermarkt.de“ der Wert des Kaders auf 75,75 Millionen Euro, bei einem Transfersaldo von rund minus 78 Millionen Euro (nicht alle Leihgebühren sind bekannt). Erschütternde Zahlen, berücksichtigt man, dass Klaus-Michael Kühne mehr als 100 Millionen Euro Kapital über Darlehen, Anteilskäufe und den Erwerb des Namensrechts am Stadion zur Verfügung stellte und 2012 der Club 17,5 Millionen Euro über eine Anleihe sammelte.

Dass die Verbindlichkeiten, die schon in der Saison 2012/13 bei gut 100 Millionen Euro lagen (s. Grafik unten), in diesem Jahr voraussichtlich wieder auf einen dreistelligen Millionenbereich steigen werden, ist nicht nur die Folge des sportlichen Niedergangs (und geringerer TV-Erlöse), sondern auch eines misslungenen Kostenmanagements. Zuletzt war der Personalaufwand auf 70 Millionen Euro angestiegen, allein 58 Millionen Euro entfielen auf die Profis.

„Der HSV ist sportlich und finanziell ein Sanierungsfall“, hat Finanzvorstand Frank Wettstein 2016 gesagt. Ein Jahr später stellt sich die Situation noch dramatischer dar: Im Kader fehlt es an Qualität, auf dem Konto an Geld für Neue. Ja, der Club braucht einen Umbruch. Auch bei der Art der Kaderplanung.

Der nächste Serienteil am Donnerstag:
Das Leiden des Klaus-Michael Kühne