Paris. Nr. 1 der Welt zieht sich nach peinlichem Aus bei den French Open zurück. Gedankenspiele mit Boris Becker und Steffi Graf.

Nach ihrem peinlichen Erstrunden-Aus bei den French Open hat sich Angelique Kerber zum Nachdenken in ihre Trainingsbase Puszczykowo in Polen zurückgezogen. Bereits am Montagmorgen saß die Kielerin im Flugzeug und ließ mit Paris den Ort der nächsten großen Enttäuschung hinter sich. In den kommenden Tagen will die Weltranglisten-Erste in Ruhe überlegen und analysieren, wie sie sich für den weiteren Verlauf einer bislang völlig verkorksten Saison aufstellen will.

Noch nie in der Geschichte des Profi-Tennis war bei den French Open eine Nummer eins der Setzliste bereits in der ersten Runde ausgeschieden. Insgesamt war das vor Kerber bei einem der vier Grand-Slam-Turniere nur vier Mal passiert. Einmal davon Steffi Graf 1994 in Wimbledon, zuletzt der Schweizerin Martina Hingis vor 16 Jahren ebenfalls in Wimbledon.

Unmittelbar nach dem 2:6, 2:6 gegen die Russin Jekaterina Makarowa am Sonntag hatte Kerber mit geröteten Augen erklärt, dass sie die kommenden Tage nutzen wolle, um über die weitere Zukunft nachzudenken. "Irgendetwas wird sich auf jeden Fall ändern müssen“, hatte Kerber gesagt.

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    Kerber vermeidet Bekenntnis zu Beltz

    Die zweimalige Grand-Slam-Turnier-Siegerin vermied dabei ein klares Bekenntnis zu ihrem langjährigen Coach Torben Beltz. Gut möglich, dass die strauchelnde Kerber dem Rat von Boris Becker folgen wird und Steffi Graf um Hilfe bittet. "Wenn sich jemand mit Druck und der Nummer-eins-Bürde auskennt, dann ist es die Gräfin. Steffis Tipps sind immer gut und werden nie alt. Sie weiß, wovon sie spricht“, sagte der dreimalige Wimbledonsieger. Fraglich bei diesem Gedankespiel dürfte aber sein, wie viel Zeit die Ikone und zweifache Mutter aufbringen kann und will. Zumal Grafs Ehemann Andre Agassi vor einer Verpflichtung als fester Begleiter von Novak Djokovic steht.

    Ein Bild sagt mehr als tausend Worte: Kerber am Sonntag im Match gegen Makarowa
    Ein Bild sagt mehr als tausend Worte: Kerber am Sonntag im Match gegen Makarowa © Imago/Kyodo News

    Becker sprach sich indes außerdem für eine Veränderung im Trainerstab der deutschen Nummer eins aus. Kerber brauche eine neue Ansprache, neue Inspirationen, hatte Becker als Experte im TV-Sender Eurosport gesagt. "Nichts gegen Torben, aber es ist keine Schande, sich auf dem Markt umzuschauen. Sie braucht neue Impulse, neue Worte, neue Inspiration“, sagte Becker. 2013 hatte sich Kerber schon einmal von Beltz getrennt, war zwei Jahre später dann aber wieder zu ihrem Wohlfühltrainer aus Itzehoe zurückgekehrt.

    Rittner bringt Becker selbst ins Spiel

    Für Fed-Cup-Teamchefin Barbara Rittner wäre Becker selbst ein Kandidat als Einflüsterer der strauchelnden Branchenführerin: "Er weiß, wie man mit Druck umgehen kann und solche Situationen meistert. Vielleicht sollte sich Angie einfach mal mit ihm treffen", sagte Rittner dem SID. Der dreimalige Wimbledonsieger sei greifbar und als Eurosport-Kommentator auch oft vor Ort.

    Eventuell wird künftig auch ein Fitnesscoach mit dem Kerber-Team reisen. Denn die Linkshänderin hatte offen zugegeben, dass ihre derzeitige Schwäche eine Kombination aus mentalen und technischen Defiziten ist. "Und das ist auch ein bisschen fitnessbedingt. Wenn du immer einen Schritt zu spät kommst, machst du auch Fehler", sagte die Wimbledonfinalistin von 2016.

    Kerber will am Spielplan nichts ändern

    Am Sonntagabend saßen Kerber und ihr Team in Paris noch lange zusammen, nun wollen alle Beteiligten den nächsten sportlichen Rückschlag erst einmal sacken lassen. Dass etwas passieren muss, weiß auch Kerber, die mit ihrer Rolle als Branchenführerin Probleme hat. „Die Erwartungen von außen und auch von mir sind in diesem Jahr ganz anders. Ich weiß eben, was ich kann und was ich letztes Jahr gezeigt habe“, sagte die Linkshänderin. Sie müsse nun versuchen, mit all dem Druck klarzukommen.

    Am bislang bekannten Plan für die kommenden Wochen soll sich aber erst einmal nichts ändern. Als nächstes ist am 17. Juni ein Auftritt Kerbers bei der Champions Trophy im Vorfeld des Herren-Turniers in Halle/Westfalen geplant. In der Woche danach will sie beim WTA-Turnier in Birmingham in die Rasen-Saison einsteigen. Ob mit einem veränderten Trainerteam oder nicht, ist noch unklar.