Hamburg. Vor der Feld-Endrunde sprechen die Damentrainer Jens George und Claas Henkel über die Hockey-Zukunft – und Frauenversteher.

Von dem heftigen Hagelschauer, der auf die Terrasse der Gastronomie im Club an der Alster prasselt, lassen sich Jens George (48) und Claas Henkel (37) nicht aus der Ruhe bringen. Kein Wunder, gelten die Trainer der Bundesliga-Hockeydamen von Alster und dem Uhlenhorster HC doch als entspannte Vertreter ihrer Zunft. Vor der Endrunde um die deutsche Feldmeisterschaft an diesem Wochenende in Mannheim (siehe Infokasten) bat das Abendblatt die beiden Freunde zum Doppelinterview.

Herr Henkel, dass Ihr Team sich als Titelverteidiger zum neunten Mal in Serie für die Endrunde qualifiziert hat, war keine Überraschung. Sind Sie überrascht, dass Alster dabei ist?

Claas Henkel: Nein. Erstens hatten sie das Final Four im vergangenen Jahr nur knapp verpasst, zweitens war das Erreichen der Endrunde ihr Saisonziel.

Sehen Sie das auch so, Herr George? Angesichts Ihres kleinen, zudem verjüngten Kaders war Tabellenrang vier nicht unbedingt zu erwarten gewesen.

Jens George: Tatsächlich hatten wir durch den langfristigen Ausfall unserer Leistungsträgerinnen Sabine Knüpfer, Kira Horn und Silja Lorenzen einige Schwierigkeiten zu meistern. Umso höher rechne ich es meinen Mädels an, dass sie die Endrunde erreicht haben.

Täuscht der Eindruck, dass die Teams in der Liga enger zusammengerückt sind und sich das Niveau erhöht hat?

Henkel: Enger ist es auf jeden Fall geworden, und das tut der Liga gut. Ob es besser war? Eher nicht. Ich fand, dass die Teams im Mittelfeld der Liga stärker waren als in den vergangenen Jahren, die Lücke zwischen den Top vier und dem Rest ist kleiner geworden. Das lag aber auch daran, dass die Topteams nach den Olympischen Spielen viele Rio-Fahrerinnen zu ersetzen hatten, die eine Pause brauchten.

George: Mein Eindruck war, dass das Spiel athletischer geworden ist. Viele Teams haben verstanden, dass dieser Part immer wichtiger wird. Das sieht man an den knapperen Ergebnissen.

Gab es für Sie eine Überraschung?

Henkel: Dass Rot-Weiß Köln nach der Rückrundensperre für Franzisca Hauke so stark war und sich souverän qualifiziert hat, fand ich beeindruckend.

George: Da kann ich nur zustimmen, das hätte ich so nicht erwartet.

Dass der Mannheimer HC so deutlich Hauptrundensieger geworden ist, fanden Sie normal?

Henkel: Der MHC hat diesen Anspruch seit zehn Jahren, deshalb war es eine Frage der Zeit, wann es gelingen würde.

George: Ich hätte nicht gedacht, dass sie Erster werden. Aber dass sie es in die Endrunde schaffen, das war mir klar.

Wie sehen Sie denn die Entwicklung im Hamburger Hockey? Der HTHC hatte vor der Saison angekündigt, mit seinem Damenteam mittelfristig auf UHC- und Alster-Niveau kommen zu wollen.

Henkel: Ich halte solche Ankündigungen für unseriös, denn dafür ist ein reiner Amateursport wie unserer nicht vorhersehbar genug. Ich erkenne aber an, dass sich unter Tomek Laskowski als Cheftrainer beim HTHC einiges zum Positiven verändert hat. Und auch Michi Behrmann macht in Großflottbek mit seinen Talenten einen guten Job. Das Hamburger Hockey ist weiter ein Leuchtturm in Deutschland.

George: Ich sehe das etwas kritischer. Der HTHC und Großflottbek sind Neunter und Zehnter geworden. Damit können beide nicht zufrieden sein. Athletisch mögen sie etwas zugelegt haben, spielerisch sind sie stehen geblieben. Beiden fehlten Persönlichkeiten.

Was muss Hamburg tun, um seinen Ruf als Hochburg zu verteidigen?

George: Wir müssen in der Jugendarbeit am Ball bleiben. Vor allem aber müssen auch wir uns weiter professionalisieren und wahrscheinlich auch mal ein paar Euro in die Hand nehmen.

Henkel: Die Zukunft wird in erster Linie über die Jugendarbeit entschieden. Und da wird Hamburg seinem Ruf leider noch zu häufig nicht gerecht. Wir müssten viel regelmäßiger um die Titel mitspielen. Wenn man Professionalität im Damenbereich will, muss auch der Weg dorthin professionalisiert werden. Leider schaffen es im Damenhockey Talente noch immer viel zu schnell in die Bundesligakader – und sind dann zu schnell damit zufrieden.

Gibt es etwas, das der andere Verein hat, was Sie für Ihren Club gern hätten?

George: Was ich besonders toll finde, ist die Bereitschaft der Mitglieder, sich ehrenamtlich zu engagieren. In den Werten, die dort gelebt werden, finde ich mich selbst wieder. Davon können sich alle eine Scheibe abschneiden.

Henkel: Bekannt ist, dass der Club über höhere finanzielle Mittel verfügt. Aber ich neide Alster gar nichts. Beide Vereine stehen mit ihrem Stil für Erfolg auf hohem Level und haben deshalb ihre Daseinsberechtigung. Wir sind ein traditioneller Club auf einer sehr schönen Anlage, wir arbeiten sachlich und mit leisen Tönen an der Fortentwicklung. Das finde ich sehr stimmig, und deshalb fühle ich mich beim UHC auch so wohl.

Sie beide sind gut befreundet, was im Leistungssport bei direkten Konkurrenten nicht alltäglich ist. Rührt das auch daher, dass Sie ähnliche sportliche Werte teilen?

Henkel: Das hängt vor allem mit den Werten zusammen, die wir beide persönlich verkörpern. Wir sind verbindliche, bodenständige Typen, die sich aus Eitelkeiten nicht viel machen.

George: Außerdem genießen wir beide das Leben, sehen nicht alles so verbissen, auch wenn wir immer gewinnen wollen. Dass wir nicht nur gute Kollegen sind, sondern uns auch privat treffen und über das Leben abseits des Hockeys austauschen, ist sicher außergewöhnlich und das Schöne am Amateursport.

Herr Henkel, Sie sind im vierten Jahr UHC-Trainer. Herr George betreut Alsters Damen seit 18 Jahren. Ist es für Sie erstrebenswert oder auch nur vorstellbar, ihm nachzueifern?

Henkel: Darüber mache ich mir keine Gedanken, weil ich grundsätzlich keine Pläne schmiede. Ich finde es allerdings höchst respektabel, denn die Halbwertzeit von Trainern im Leistungssport ist deutlich geringer. Dass Maus (Georges Spitzname, d. Red.) so lange im Amt ist, spricht für die Hingabe und die Kompetenz, mit denen er seinen Beruf ausübt.

Allerdings sind auch Sie schon zehn Jahre im Damenhockey tätig. Was macht Sie beide zu Frauenverstehern?

George: Dass wir gar nicht erst versuchen, sie zu verstehen.

Henkel: Das liegt daran, dass wir eine Lockerheit und einen gewissen Abstand mitbringen zu dem, was wir tun.

Das heißt, dass ein Posten im Herrenhockey für Sie nicht infrage kommt?

Henkel: Das würde ich nie ausschließen, ich bin ja auch bei den UHC-Herren im Trainerteam. Aber ich habe nicht zwangsläufig das Bedürfnis, als nächsten Schritt ein Herrenteam coachen zu müssen. Ebenso kann ich mir auch vorstellen, Jugendtrainer zu werden. Aktuell macht mir die Arbeit im Damenbereich sehr viel Freude, man kann taktisch sehr viel bewegen. Ich sehe Damenhockey nicht als kleine Schwester des Herrenhockeys.

George: Auch wenn unsere Herren gerade einen Cheftrainer suchen, steht das für mich nicht zur Debatte. Im Club sind sie auch froh, einen zu haben, der den Damen-Job ganz ordentlich macht, denn ein richtig guter, engagierter Damentrainer ist schwerer zu finden als im Herrenbereich. Wer mich kennt, weiß außerdem, dass ich mit dem Aufwand, den ich jetzt betreibe, ausgelastet bin. Ich brauche Zeit für meine Reisen und für meinen Job in einer Tischlerei.

Dort arbeiten Sie 15 Stunden die Woche. Was erdet Sie, Herr Henkel?

Henkel: Meine Familie. Meine Frau und ich erwarten das dritte Kind. Die Familie verhindert, dass Hockey im Mittelpunkt meines Lebens steht.

Zum Abschluss Ihr Tipp: Sehen wir in Mannheim ein Hamburger Finale?

George: Ich halte das für sehr gut möglich und hätte viel Freude daran.

Henkel: Wir auch, keine Frage. Aber wenn wir am Sonntag beide frei haben, wissen wir auch mit dem Sonnabendabend etwas anzufangen.