Hamburg. Der Torhüter gibt bekannt, dass er seinen auslaufenden Vertrag nicht verlängert

Jens Todt war gerade auf dem Weg zum Familienfrühstück in Potsdam, als die erste Entscheidung der kommenden Saison 280 Kilometer nordwestlich von seiner Wahlheimat unmittelbar bevorstand. „Bei René ist alles offen, dazu kann ich mich jetzt gar nicht großartig äußern“, sagte der HSV-Sportchef, der nicht einmal ein Viertelstündchen später erneut angerufen wurde. Das Ergebnis des zweiten Telefonats: Offen war die Personalie René Adler nun ganz und gar nicht mehr.

„Ich habe den HSV-Verantwortlichen eben mitgeteilt, dass ich meinen Vertrag über den 30. Juni hinaus nicht verlängern werde“, postete Adler um kurz vor 11 Uhr auf seiner Facebookseite und verteilte noch ein paar verbale Blümchen an die eigenen Anhänger: „Es wird für mich also leider kein sechstes Jahr für diesen besonderen Verein mit seinen einzigartigen Fans geben.“

Der Adler fliegt nicht mehr. Es dauerte nicht lange, ehe dieses gern bemühte Wortspiel im Netz die Runde machte. In puncto Kreativität nur noch getoppt von: Adler macht die Fliege.

„René war über fünf Jahre hinweg eines der prägenden Gesichter des HSV“, sagte Todt ein Stündchen später. „Wir danken ihm für seine Leistungen im HSV-Trikot und wünschen für die neuen Ziele alles Gute.“

Danke und tschüs. Das ist das Geschäft Profifußball – und das ist und war auch René Adler immer klar. „Ich gehe nicht im Groll, aber mit viel Wehmut“, ließ der Keeper wissen, der aber noch keinen neuen Club gefunden hat. „Ich habe keinen Plan B, es fanden noch keine Gespräche mit anderen Vereinen statt. Wohin es mich nach der Sommerpause zieht, weiß ich noch nicht.“

Wichtig war Adler aber vor allem eines: „Das ist allein meine Entscheidung“, schrieb der Torhüter, der damit bei Facebook aber nur die Hälfte verriet. Denn tatsächlich hatten die HSV-Verantwortlichen Adler und dessen Berater Jörg Neubauer schon vor dem Saisonfinale und dem endgültigen Klassenerhalt signalisiert, dass man sich sehr wohl eine weitere Zusammenarbeit vorstellen könnte. Aber eben nur zu drastisch reduzierten Bezügen seines bisherigen 2,7-Millionen-Euro-Gehalts. Und genau dazu war Adler offenbar nicht bereit.

Sei’s drum. Mit Adler ist die erste Personalentscheidung beschlossen – und eine Reihe von weiteren sollen zeitnahe folgen. „Wir haben gesagt, dass wir jetzt noch einmal zwei Tage so richtig durchpusten und dann am Mittwoch über alle offenen Dinge reden“, sagte Todt, auf den die Hauptarbeit dieser Sommerpause wartet: Ähnlich wie nach den Relegationsjahren 2014 und 2015 plant der HSV nach der schwachen Saison mit dem starken Ende mal wieder die Totalerneuerung, den Umbruch 3.0.

Baustelle Nummer eins: die Torhüterposition. Adler-Vertreter Christian Mathenia konnte im Saisonendspurt derart überzeugen, dass Trainer Markus Gisdol sich vorstellen kann, mit der bisherigen Nummer zwei als neue Nummer eins in die neue Saison zu gehen. Nummer drei Tom Mickel soll zudem einen neuen Vertrag bekommen. Bleibt die Frage, wer neue Nummer zwei wird.

Nach Informationen der „Bild“-Zeitung hat der HSV vor allem zwei Torhüter im Fokus: Den 22 Jahre alten Julian Pollersbeck (Kaiserslautern), der auch vom VfL Wolfsburg umworben wird. Und den 27 Jahre alten Schweden Robin Olsen (FC Kopenhagen). Dessen Berater Hakan Centinkaya, der gestern in Deutschland verhandelte, bestätigte dem Abendblatt: „Es gibt zwei Interessenten aus der Bundesliga.“ Der HSV? Kurzes Zögern, dann die kurze Antworte: „Ich stehe mit den Hamburger Verantwortlichen im guten Kontakt.“

Baustelle Nummer zwei: die Abwehr. Nach dem feststehenden Abgang von Johan Djourou und dem Ende der Leihe von Kyriakos Papadopoulos steht mit Mergim Mavraj nur ein Innenverteidiger zur Verfügung. Dabei ist es längst kein Geheimnis mehr, dass Gisdols Wunschspieler Papadopoulos unbedingt aus Leverkusen geholt werden soll. „Wir werden keine Mondpreise zahlen“, sagte Todt, der sich auf harte Verhandlungen einstellen muss. „So lange Bayer keinen neuen Trainer verpflichtet, wird es keine Entscheidung geben“, sagte Papadopoulos’ Berater Paul Koutsoliakos dem Abendblatt.

Neben Papadopoulos sollen ein weiterer Innenverteidiger und voraussichtlich mindestens ein Linksverteidiger verpflichtet werden. Während der Vertrag von Linksverteidiger Nummer eins (Matthias Ostrzolek) ausläuft, wird Linksverteidiger Nummer zwei (Dou­glas Santos) in ganz Europa angeboten.

Teure Profis könnten erneut Abfindungen bekommen

Baustelle Nummer drei: das Mittelfeld. Für keinen Hamburger liegen Anfragen vor, dabei wären die HSV-Verantwortlichen durchaus gesprächsbereit. Dies gilt besonders für die Top-Verdiener Lewis Holtby und Aaron Hunt, deren Verträge im kommenden Jahr auslaufen. Sogar eine Teilübernahme der üppigen Gehälter wurde intern diskutiert. Nicolai Müller, dessen Vertrag ebenfalls im kommenden Jahr ausläuft, soll dagegen unbedingt in Hamburg bleiben. Und auch Winter-Neuzugang Walace, der bislang nicht überzeugen konnte, soll nach Abendblatt-Informationen gehalten werden und in der neuen Saison eine neue Chance bekommen.

Baustelle Nummer vier: der Sturm. Bobby Wood, der für die festgeschriebene Ablöse von zwölf Millionen Euro gehen könnte, soll unbedingt bleiben. Die gute Nachricht: Die Gespräche zwischen Todt und Wood-Berater Volker Struth sollen weit fortgeschritten sein. Die schlechte Nachricht: für den HSV dürfte ein Verbleib von Wood teuer werden. Trotzdem sagt Todt: „Wir sind vorsichtig optimistisch.“ Vorsichtig pessimistisch muss der Manager dagegen beim erklärten Vorhaben sein, Pierre-Michel Lasogga zu transferieren. Bislang gibt es keine einzige Anfrage für den teuren Stürmer.

Auf reizvolle Anfragen hofft seit gestern vor allem auch René Adler, der Hamburgs erneuten Umbruch interessiert aus der Ferne beobachten wird: „Dies ist kein Abschied“, schrieb Adler am Ende, „es ist ein ,Auf Wiedersehen!‘“