Hamburg. Trainer des ehemaligen IBO-Weltmeisters wirft in der Barclaycard Arena nach nicht einmal drei Runden das Handtuch. Fragen bleiben.

Die Stimmung war prächtig am Freitagabend in der Barclaycard Arena. Während über Hamburg ein Unwetter tobte, sahen 5000 Zuschauer im Unterrang und rund 500 weitere, die an 70 im Innenraum platzierten Tischen ein Viergängemenü serviert bekamen, sechs teilweise hochklassige Vorkämpfe auf Augenhöhe. Als vor dem Hauptevent dann sogar Lotto King Karl live seine Hymne „Hamburg, meine Perle“ anstimmte, da war es plötzlich gegenwärtig, dieses Gefühl, dass dem Hamburger Promoter Erol Ceylan ein richtig guter Boxabend gelungen war bei seiner Premiere in Hamburgs größter Multifunktionsarena.

Doch dann kamen Mario Daser und Ola Afolabi – und die Nacht wurde zu der Farce, die viele im Vornherein befürchtet hatten. Daser, ein vor einem Jahr aus München nach Hamburg gezogener, selbsternannter Selfmade-Millionär, der vor zwei Jahren mit einem Kieswerk und anschließenden Immobiliengeschäften zu Reichtum gekommen sein will, war als Co-Promoter aufgetreten. Mit seinem Geld hatte er Ceylan, der den EC-Profistall seit 2009 mit mehreren Millionen Euro aufgebaut hat, den Schritt in die Barclaycard-Arena ermöglicht – und auch seinen Gegner aus dem Ruhestand gelockt.

Vier sieglose Schlachten

Seine vorangegangenen zwölf Profikämpfe hatte der Cruisergewichtler zwar gewonnen, allerdings gegen Gegner, die an das Niveau, auf dem Afolabi vor seinem Karriereende im Februar 2016 unter anderem in vier sieglosen Schlachten gegen Marco Huck gekämpft hatte, nicht einmal annähernd herangereicht hatten. Jedem, der etwas vom Boxen versteht, war klar gewesen: Wenn der 37 Jahre alte Brite mit nigerianischen Wurzeln sein Können auch nur halbwegs abrufen würde, wäre nichts anderes als ein vorzeitiger Sieg Afolabis das Resultat.

Dass nach nicht einmal drei Runden, in denen Daser der deutlich aktivere Mann gewesen und seinen Kontrahenten zweimal zum Abknien gezwungen hatte, der Trainer des ehemaligen IBO-Weltmeisters zum Zeichen der Aufgabe mit erhobenem Handtuch in den Ring lief, warf Fragen auf. Gerüchte, dass der 28 Jahre alte Deutsche seine Gegner bisweilen nicht durch boxerisches Können, sondern mit finanziellen Argumenten bezwingen würde, halten sich seit Monaten hartnäckig. Auch vor diesem Kampf hatte Daser dafür deutliche Worte der Ablehnung gefunden. Dass Afolabi wenige Tage vor dem Kampf einem Journalisten gesteckt hatte, für eine halbe Million Euro absichtlich als Verlierer aus dem Ring gehen zu wollen, hatte die Mutmaßungen befeuert. Allerdings hatte der Brite ebenso beteuert, ein solches Angebot noch nicht erhalten zu haben.

Afolabi mutig attackiert

Man sollte deshalb Daser, der immerhin sein Kämpferherz nachwies und Afolabi mutig attackierte, keine unlauteren Methoden unterstellen. Vielmehr müsste er sich ärgern, sollte tatsächlich mehr Geld als die für einen solchen Hauptkampf übliche Börse im mittleren fünfstelligen Bereich geflossen sein. Denn in dem Zustand, in dem sich der einstige Weltklassemann präsentierte, hätte Daser wahrscheinlich auch mit einem Arm auf dem Rücken und verbundenen Augen nicht verlieren können.

Afolabi, der sein Geld seit dem Rücktritt vor gut einem Jahr als Kleinkünstler in Kalifornien verdient und seine Zeit vorrangig mit Alkohol und Marihuana verplempert hatte, war schon nach einer Runde ausgepumpt. Weil er nach dem Videostudium seines Gegners die Überzeugung entwickelt hatte, dass dieser keine Gefahr darstelle, hatte er auf Sparring komplett verzichtet. Zum offiziellen Wiegen kam er, obwohl er schon rund 20 Kilogramm abgespeckt hatte, mit drei Kilo Übergewicht, die er innerhalb von drei Stunden in der Sauna abschwitzen musste. Ein alles in allem höchst unprofessionelles Verhalten und eine absolute Respektlosigkeit gegenüber den Menschen, die teilweise viel Geld für den Kampfabend bezahlt hatten – und die Halle zu Hunderten schon vor der Urteilsverkündung verließen, weil sie das Elend nicht weiter mitansehen wollten.

Da es zum absurden Theater, das das Profiboxen bisweilen aufführt, dazugehört, gute Miene zum schlechten Kampf zu machen, verzichtete Erol Ceylan öffentlich auf negative Kommentare und lobte Daser für „sein Herz“. Wer den 45 Jahre alten Deutschtürken, der am Freitagabend vom Bund Deutscher Berufsboxer noch als Promoter des Jahres ausgezeichnet wurde, näher kennt, der konnte jedoch spüren, dass er vor Scham am liebsten im Boden versunken wäre. Denn natürlich fällt der Hauptkampf, auch wenn er von Daser mitveranstaltet und -finanziert wurde, auch auf ihn und seine Bemühungen zurück.

Immerhin waren die Protagonisten des traurigen Schauspiels ehrlich genug, ihre Leistungen realistisch einzuschätzen. „Ich habe alles gegeben und kann nichts dafür, dass sein Trainer so früh das Handtuch wirft. Ola hat mich völlig unterschätzt. Wenn er trainiert hätte, dann hätte ich heute wohl verloren“, sagte Daser. Afolabi erklärte seine Laufbahn endgültig für beendet. „Das war die mit Abstand schlechteste Leistung meiner Karriere. Der Abbruch war ein Witz, denn Mario war genauso fertig wie ich. Aber wenn ich einen solchen Mann nicht mehr besiegen kann, dann muss ich Schluss machen“, sagte er.

Es war die beste Nachricht eines Abends, der dem in Deutschland aktuell um Bedeutung und Anerkennung kämpfenden Boxsport schweren Schaden zugefügt hat, weil er Klischees bestätigte, die in den meisten Fällen falsch sind, sich aber dennoch hartnäckig halten. Da halfen auch die starke Leistung von Superweltergewichtler Sebastian Formella, der im stimmungsvollsten Duell des Abends seinen Hamburger Rivalen Denis Krieger über zehn Runden ein-stimmig (98:92, 97:92, 97:92) besiegte, und der IBO-Titelgewinn des russischen Halbschwergewichtlers Igor Michalkin, der den Südafrikaner Thomas Oosthuizen ebenso einstimmig (118:109, 118:110, 118:110) bezwang und damit der erste Weltmeister im EC-Stall ist, nichts. Hängen bleibt ein Hauptkampf, der nichts anderes war als eine Schande für das Boxen.