Hamburg. Bobby Wood ist der HSV-Hoffnungsträger im Abstiegskampf. Doch seit dessen Beraterwechsel hat der Ami ein Problem: Er trifft nicht mehr

Der Wetterbericht ließ am Dienstag kaum Wünsche offen: 29 Grad, eine leichte Brise gegen die Hitze und hier und da ein paar Schäfchenwolken, die sich vor die Sonne schoben. Perfekte Bedingungen also, um seinen freien Tag zu genießen. Der einzige Haken: Der Wetterbericht gehörte zu Honolulu, Bobby Woods Heimatstadt. In Hamburg, Bobby Woods Wahlheimat, stieg das Thermometer nur auf 13 Grad, stark bewölkt, immerhin kein Regen.

Von eitel Sonnenschein kann im Hause Wood aber schon lange keine Rede mehr sein – unabhängig von etwaigen Vorhersagen bei wetter.com. Torjäger Wood hat ein Problem: Er trifft das Tor nicht mehr. Erste Zeitungen haben bereits nachgerechnet: 619 Minuten sei es her, dass der Stürmer zuletzt das tat, was er so gerne tut: ein Tor schießen.

Zuletzt passiert ist es am 12. März. Damals: zehn Grad, bewölkt, auch kein Regen – und ein Wood, der nach seinem späten Siegtreffer zum 2:1 gegen Mönchengladbach wie ein echter Sonnenschein strahlte. Bobby habe für die „Kirsche auf der Sahne“ gesorgt, hatte Lewis Holtby poetisiert. Just in dem Moment, als Wood wie ein Gladiator oben ohne und mit gestähltem Körper durch die Katakomben marschierte. „Das war In- stinkt­“, hatte der ansonsten mundfaule Wood noch kurz den Medienvertretern zugeraunt, ehe der US-Amerikaner den Kollegen die Lobhudeleien überließ: Das Spektrum reichte von „granatenhaft“ (Dennis Diekmeier), „brutal“ (Holtby) bis „krass“ (Gotoku Sakai).

Ziemlich krass war es auch, was in den Tagen nach diesem bis heute letzten Wood-Treffer passierte. Am Montag danach gab SportsTotal, die Agentur von Beraterschwergewicht Volker Struth, die neue Partnerschaft mit Wood bekannt. Gerade einmal zwei Tage später erfuhr die „Sport Bild“, dass der begehrte US-Amerikaner eine Ausstiegsklausel im zweistelligen Millionenbereich in seinem Vertrag festgeschrieben habe. Und noch mal einen Tag später präzisierte die „Bild“-Zeitung: „Für 12 Mio. kann Wood weg“.

Der Wood-Poker war eröffnet.

So verging danach kaum ein Tag, an dem nicht über mögliche Interessenten (Dortmund, Leverkusen und ein ganzer Sack von Engländern), eventuelle Gehaltsanpassungen (von 1,5 Millionen auf drei Millionen Euro) und realistische Ablösesummen (je nach Gesprächspartner zwischen acht und 20 Millionen Euro) spekuliert wurde. Nur eine Zutat fehlte im Kochtopf: weitere Wood-Tore.

„Bobby macht sich glücklicherweise gar keinen Kopf. Das hilft ihm in der aktuellen Phase“, sagt Sportchef Jens Todt, der keinen kausalen Zusammenhang zwischen Woods Gedanken über seine Zukunft und seinen Ladehemmungen in der Gegenwart sehen will. „Bobby kann das alles ausblenden.“

Kann Bobby das wirklich?

Beim so wichtigen Abstiegsgipfel am Sonntag gegen Mainz schoss Wood keinmal aufs Tor, joggte gerade einmal 8,7 Kilometer, hatte lediglich 36-mal den Ball und verlor mehr als jeden zweiten Zweikampf. Der „Kicker“ hatte sich bereits für die Schulnote 6 entschieden, ließ dann aber doch Gnade vor Recht ergehen: Note 5,5. „In der Offensive nur auf Bobby zu schauen wäre mir zu einfach“, nahm Trainer Markus Gisdol seinen formschwachen Schlüsselspieler dennoch in Schutz. „Da sind auch andere gefragt. Außerdem wurde Bobby von Mainz extrem bearbeitet. Die Gegner wissen um seine Bedeutung.“

Das wissen Woods Gegenspieler tatsächlich ganz genau. Nach Woods Zwischenhoch im Frühjahr hatten sämtliche HSV-Gegner den so hoch veranlagten US-Angreifer zuletzt bestens im Griff. Mit insgesamt fünf Saisontoren steht der Nationalstürmer gemeinsam mit 13 anderen Profis – darunter die HSV-Kollegen Michael Gregoritsch und Nicolai Müller – auf einem geteilten 38. Platz in der Torschützenliste. Noch hinter Freiburgs Vincenzo Grifo, Augsburgs Oldie Halil Altintop (beide sechs Tore) oder Ingolstadts Defensivarbeiter Almog Cohen (sieben Treffer).

„Diese Rechnung ist mir zu billig“, sagt Manager Todt. „Jeder Stürmer braucht Zuspiele, um erfolgreich zu sein. Doch genau diese Zuspiele in die Spitze haben zuletzt bei uns gefehlt.“

Todt hat recht. Weil es für den einfach auszurechnenden HSV selbst gegen die formschwachen Mainzer kein Durchkommen durch die Mitte gab, versuchten es die Hamburger mit zweierlei Mitteln: Langer Hafer auf den bestens zugedeckten Wood. Und mit Flanken. Gleich zwölfmal flankten Woods Kollegen von rechts und links in den Strafraum – und nur eine einzige kam an. „Bobby musste sich fast das ganze Spiel mit zwei Abwehrschränken auf dem Rücken auseinandersetzen“, sagt Todt.

Zwei Spieltage vor dem regulären Saisonende (und möglicherweise zwei weitere Zusatzspiele vor dem endgültigen Saisonende) bleibt die Frage: was tun? „Wir müssen im Training daran arbeiten, dass wir auch im Spiel wieder andere Lösungen in der Offensive finden“, sagt Trainer Gisdol, der Wood bescheinigt, sich „auch gegen Mainz sehr respektabel geschlagen“ zu haben.

Nur „respektabel“ wird in den beiden Abstiegsendspielen gegen Schalke und Wolfsburg allerdings kaum reichen. Dabei ist die Rechnung für Wood in den beiden Überlebensspielen relativ simpel: Steigt der HSV am Ende ab, ist der umworbene Stürmer nicht zu halten. Halten Wood & Co. die Klasse, wechselt der Torjäger trotzdem – oder erhält eine kräftige Gehaltserhöhung. Der HSV also so schlecht wie selten zuvor – und Wood darf sich über eine Win-win-win-Situation wie selten zuvor freuen.

Doch am Ende ist es beim Fußball wie beim Wetter: Es gibt kein schlechtes Wetter, sondern nur schlechte Kleidung. Die Prognose für Gelsenkirchen am Sonnabend: 20 Grad, Sonne – und zwei Wood-Tore auf Schalke.