Hamburg. Vor dem Bundesliga-Stadtderby fachsimpeln die Kapitäne von St. Pauli und des Hamburger RC über die Entwicklung ihres Lieblingssports.

Ein fester Handschlag, eine Umarmung – wer Tom Behrendt und Matthias Abel beobachtet, kann sich kaum vorstellen, dass sie Anführer zweier Teams sind, die sich an diesem Sonnabend als Rivalen gegenüberstehen. Wenn um 15 Uhr das Rugbyderby der Bundesliga Nord/Ost zwischen dem FC St. Pauli und dem Hamburger RC beginnt, werden beide Kapitäne alles tun, um ihre Teams zu dem Sieg zu führen, der als der ichtigste der gesamten Rückrunde angesehen werden wird.

Noch vor wenigen Jahren gipfelte diese Rivalität regelmäßig in körperlichen Attacken auf den Gegner. „Jetzt gibt es eine neue Generation, die respektvoll miteinander umgeht“, sagt Abel (29). Der Physiotherapeut, der als Center im Angriff spielt, ist Kapitän des HRC und freut sich, dass sich das Verhältnis zum Lokalrivalen entspannt hat. St.-Pauli-Spielführer Behrendt, 26 Jahre alter Student der Sonderpädagogik, glaubt, dass der Wandel auch mit dem Abschied aus der Nische zu tun hat, den Rugby mit der auch in Deutschland viel beachteten WM 2015 geschafft habe.

Mehr als 1000 Zuschauer beim Hinspiel

„Früher war es manchmal so, dass man sich zum Saufen traf und nebenbei Rugby spielte. Es ist professioneller geworden, und das merkt man auch am Umgang der Spieler untereinander“, sagt der Dritte-Reihe-Stürmer. Die Vorzeichen haben sich indes geändert im Hamburger Rugby. Nachdem der HRC 2014 nach einer Ewigkeit wieder einen Sieg gegen Braun-Weiß schaffte, steht er in dieser Saison als Sechster auf dem Platz, aber mit 14 Punkten Vorsprung (vier Punkte gibt es für einen Sieg) vor St. Pauli. „Seit jenem Erfolg glauben wir daran, dass wir St. Pauli in jedem Spiel schlagen können“, sagt Abel.

Im Hinspiel im Oktober schaffte der HRC einen 15:5-Heimerfolg. Dass damals mehr als 1000 Zuschauer an die Saarlandstraße kamen, werten beide als Zeichen dafür, dass ihr Sport auch in Hamburg an Popularität gewinnt. „Hamburg ist eine gefestigte Größe in der Rugby-Bundesliga. Hier fährt niemand mehr her, um locker zu gewinnen“, sagt Behrendt, der überzeugt ist, dass Rugby in den nächsten zehn Jahren zur Boomsportart wird. Die Aufnahme der Siebener-Variante – 7 statt 15 Feldspieler – ins olympische Programm habe viel Aufmerksamkeit gebracht. „Wenn wir mit dem Nationalteam mal die Qualifikation für ein großes Turnier schaffen, könnte das der Durchbruch sein“, hofft Behrendt, aktuell einziger Nationalspieler aus Hamburg. Abel hält es nicht für utopisch, 10.000 Zuschauer zu einem Ligaspiel locken zu können. „Mittelfristig werden die Sportfans Alternativen zum Fußball suchen, und Rugby bietet eine solche.“

Stadtderbys bald am Millerntor?

Hilfreich wäre dafür, wenigstens die Stadtderbys am Millerntor auszutragen. „Das wäre für die Außenwirkung extrem wichtig, auch wenn wir uns an der Saarlandstraße wohlfühlen“, sagt Behrendt. Andererseits ist das Teilen der Heimstätte im Stadtpark, wo zudem die unterklassigen Exiles und Old Boys ihre Punktspiele bestreiten und wo gerade ein neues Verbandshaus entsteht, ein charmantes Alleinstellungsmerkmal der Hamburger Rugbygemeinde.

Ehrlichkeit und Fairness sei, was sie am Rugby besonders fasziniere, sagen Behrendt und Abel. „Es ist zwar der körperlich härteste Teamsport, aber Simulieren, Reklamieren und Schiedsrichter beleidigen ist verpönt.“ Handschlag, Umarmung, dann ist das Kabinengespräch beendet. Trotz all der Eintracht zwischen den beiden bleibt das Gefühl, dass es krachen wird im Derby am Sonnabend. Und das ist auch gut so.