Hamburg. HFV-Präsident Dirk Fischer spricht über die Folgen eines möglichen Abstiegs der beiden Profivereine für den Hamburger Verband.

Seit 1980 sitzt Dirk Fischer durchgängig für die CDU (Hamburg-Nord) im Bundestag. Doch nach der Wahl im September ist Schluss. Vom Fußball hat der 73-Jährige aber noch längst nicht genug. Seit November 2007 führt der gebürtige Bevensener als Präsident den Hamburger Fußball-Verband. Am 16. Juni kandidiert Fischer für eine vierte Amtsperiode.

Herr Fischer, Sie sind – mit Verlaub – im fortgeschrittenen Alter. Was treibt Sie an?

Dirk Fischer: Ich bin positiv verrückt. Nur Essen, Trinken, Schlafen und TV kann nicht der Lebenssinn sein. Das Ehrenamt ist in unserer Urlaubs-, Freizeit-, und Wohlstandsgesellschaft leider etwas notleidend geworden. Doch wie viele andere Menschen bringe ich mich auf diese Weise für die Gemeinschaft ein und finde darin eine Sinnstiftung. Und: Ich wurde vielfach ermuntert, erneut zu kandidieren. Das motiviert.

Denken Sie sich bitte zehn Jahre zurück. Was hat sich seitdem verändert, verbessert?

Fischer: 2007 hatte der Verband fast keine Einnahmen durch Sponsorengelder, nun sind es 300.000 Euro im Jahr, von denen 80 Prozent den Hamburger Amateurvereinen zugutekommen. Wir haben starke Premiumpartner an unserer Seite. Der Fairnesspreis oder der Uwe-Seeler-Förderpreis für gute Jugendarbeit sind zwei von einigen guten Beispielen. Die Einstellung unseres Presse- und Marketingbeauftragten Carsten Byernetzki hat die Außenkommunikation stark verbessert. Das Integrationsthema haben wir auf allen Ebenen vorangetrieben. Ich sage aber auch: Wäre ich zufrieden, würde ich aufhören.

Das betrifft sicher auch das Thema Geld. Geht nicht die Schere zwischen Amateuren und Profis immer weiter auseinander? Von den 1,4 Milliarden Euro jährlich für den Fernsehvertrag erhalten die Amateure gerade mal 45 Millionen Euro.

Fischer: Der DFB hat in Erfurt beschlossen, die Ausschüttungen an die Landesverbände von fünf auf acht Millionen Euro pro Jahr zu erhöhen. Außerdem ist das Problem bei 25.000 Amateurvereinen mit Schecks nicht zu lösen. Das darf der DFB sowieso nicht aus rechtlichen Gründen, wegen der Gemeinnützigkeit. Dafür gibt es eben viele Initiativen des DFB für die Clubs wie Trainerausbildungen und Talentförderung.

Von Unterhachings Ex-Präsident Kupka kam die Initiative „Rettet die Amateure“...

Fischer: ...Herr Kupka wäre glaubwürdiger, wenn er jetzt hier als Präsident im Vereinsheim von SCALA säße. Unterhaching steht in der Regionalliga Süd ganz oben, da wird richtig Geld gezahlt. Einen Konflikt zwischen DFB und DFL zu forcieren, ist nicht segensreich. Anders als in Ländern wie Spanien, in denen der Amateurbereich längst in die Röhre guckt, profitieren die Amateure hier von der Verbindung zu den Profis.

Das heißt übersetzt, sie zittern mit dem HSV und dem FC St. Pauli gewaltig mit?

Fischer: Steigen der HSV und der FC St. Pauli ab, was hoffentlich nicht geschieht, ist bei uns Ebbe in der Kasse. Dann fehlen uns 300.000 Euro.

Ist es in Hamburg schwerer als anderswo, Geld für den Sport einzuwerben?

Fischer: Leider schauen in Hamburg viele weg, die etwas tun könnten. Die Dramen, die wir im Handball und Eishockey verkraften mussten, kann ich mir in Frankfurt, Köln, München oder Berlin nicht vorstellen. Doch ich kenne viele Menschen, die im Hamburger Amateurfußballbereich hinschauen und etwas tun. Denen bin ich unendlich dankbar.

Zuletzt wirkte es, als fühle sich der HFV von der Stadt Hamburg im Stich gelassen.

Fischer: Die Situation ist sicher verbesserungswürdig. Innerstädtisch gibt es in vielen Vereinen einen Aufnahmestopp. Obwohl die Kinder Fußball spielen wollen. Für Hamburg ist das ein Schlag ins Gesicht. Sport ist Sozialprävention und unglaublich wichtig für die Entwicklung der Stadtteile. In jedem Neubaugebiet müssen immer Sportstätten mitgeplant werden. Die erlittenen Probleme in den Gebieten Osdorfer Born, Kirchdorf-Süd und Mümmelmannsberg sollten sich nicht wiederholen. Flexible Lösungen können helfen.

Zum Beispiel?

Fischer: Was spricht gegen einen Fußballplatz auf einem Shopping-Center? Mit einem Ballfangnetz wäre das kein Problem.

Sie fordern auch mehr Geld von der Stadt.

Fischer: Seit dem ersten Sportfördervertrag 2007 ist eine Anhebung der institutionellen Förderung ausgeblieben. Den Inflationsausgleich und Steigerungen der Personal- und Energiekosten musste der Verband selbst tragen. Diese permanente Degression ist nicht gut.

Was muss passieren?

Fischer: Die Stadt sollte sich beim nächsten Vertrag einen Ruck geben, wir brauchen einen Durchbruch! Wir möchten gemeinsam mit dem HSB auch an den Einnahmen aus Sportwetten in Höhe von drei Millionen Euro zu einem Drittel beteiligt werden. Ebenso an der Kulturtaxe. Wir sind schließlich auch ein wesentlicher Erzeuger, viele Menschen kommen zu Sportveranstaltungen.

Zuletzt wieder ein großes Thema im Hamburger Amateurfußball war auch die Gewalt auf den Plätzen, ausgelöst durch einen Angriff auf einen Schiedsrichter durch Spieler und Fans. Wie schlimm ist es?

Fischer: Grundsätzlich haben wir bei 60.000 Spielen im Jahr nur bei 0,01 Prozent der Partien Vorfälle. Wo es Probleme gibt, ist das ein Fall für die Sportgerichtsbarkeit. Ich rate aber jedem Verein, sein Hausrecht zu nutzen. Wer sich nicht anständig verhält, kann – notfalls mit Hilfe der Polizei – von der Anlage verwiesen werden. Ein guter Ordnungsdienst ist ebenfalls wichtig. Besonders zum Schutz der Schiedsrichter...

...die immer mehr über fehlenden Nachwuchs klagen. Wie sehr sorgt Sie das?

Fischer: Das treibt mich schon um. Manche Vereine stellen viel zu wenig Schiedsrichter und zahlen lieber Strafgelder. Das würde in Schleswig-Holstein nicht funktionieren. Dort zieht der Verband Clubs, die nicht genügend Schiedsrichter stellen, Punkte ab.

Ein Modell für Hamburg?

Fischer: Möglich. Man muss immer in Alternativen denken.

Ein Dauerthema ist der Übergang zwischen Oberliga und Regionalliga. Was halten Sie von einer sponsorenfinanzierten Meisterprämie des Verbandes für Oberligisten, quasi als Anschubhilfe für die finanziell höheren Anforderungen in der Regionalliga?

Fischer: Bei der Suche nach starken Sponsoren liegt mir die Förderung der Basis mehr am Herzen. Wir können als Verband doch nicht Gelder einsammeln für einen Regionalligisten, der seinen Spielern mit einem hohen Etat davon Einkommen zahlt. Wie stünden wir dann bei kleinen Clubs da? Dennoch wünsche ich mir eine weitere Kraft des Hamburger Fußballs in der Regionalliga Nord. Ob Altona 93 oder Concordia – in der Aufstiegsrunde drücke ich die Daumen.

Ist ein Lizenzierungsverfahren für die Oberliga für Sie ein Thema?

Fischer: Wir als Verband haben intensiv darüber nachgedacht – und von der Idee Abstand genommen. Die Voraussetzungen bei den Vereinen sind zu unterschiedlich für ein einheitliches Verfahren.

Wie sollen spektakuläre Pleiten wie beim früheren Oberligisten FC Elmshorn verhindert werden?

Fischer: Darauf hat der Verband wenig Einfluss. Zu einem Sponsor mit 100.000 Euro hätte ich im Zeitalter der hohen Zinsen gesagt: Gib mir das auf ein Sperrkonto. Der Verein und die Jugendabteilung profitieren dann dauerhaft davon. Wichtig ist verantwortungsvolles Handeln. Niemand sollte nur seine eigene Eitelkeit pflegen, auch Sponsoren nicht.

Was steht auf Ihrer Agenda für die kommenden vier Jahre?

Fischer: Das Thema Fairness voranzutreiben. Antidiskriminierung und Antirassismus sind wichtige Ziele. So wollen wir mehr Jugendmannschaften Präventiv-Coolness-Seminare ermöglichen. Die pädagogische Aufgabe, das Verhalten junger Leute zu prägen, ist von großer Bedeutung für unsere Gesellschaft. Mein großes Engagement gilt weiter den sozialen Aufgaben des Fußballsports, zum Beispiel den Sommercamps für Jugendliche aus schwierigen Verhältnissen. Wer erlebt, wie Kinder sich freuen, zum ersten Mal in ihrem Leben ein richtiges Mittagessen zu kriegen, um danach den ganzen Tag zu kicken, kriegt feuchte Augen. Aber auch der Frauen- und Mädchenfußball liegt mir am Herzen.