Hamburg. Arthur Abraham und Robin Krasniqi bestreiten am Sonnabend in Erfurt einen WM-Ausscheidungskampf. Der Verlierer steht vor dem Aus

Der Boxtrainer Hans-Ullrich Wegner hat in seiner Karriere so viel erlebt, dass er sich den Luxus der eigenen Meinung erlauben kann, ohne auf Empfindlichkeiten anderer zu sehr achten zu müssen. Deshalb spricht der 74-Jährige vor dem Supermittelgewichtsduell zwischen Robin Krasniqi vom Magdeburger SES-Stall und dem von ihm betreuten Ex-Weltmeister Arthur Abraham erfrischenden Klartext.

„Bei allem Respekt“, sagt Wegner also vor dem WM-Ausscheidungskampf des Weltverbands WBO an diesem Sonnabend (22.15 Uhr/MDR) in der ausverkauften Messe Erfurt, „wenn Arthur gegen so einen Gegner nicht gewinnt, worüber sollen wir dann noch reden? Mit 37 Jahren kann man ihn als Rahmenkämpfer nicht mehr gebrauchen. Bei einer Niederlage muss er Schluss machen. Es ist seine letzte Chance.“

Arthur Abraham ist grundsätzlich ein Mensch, der nur schwer aus der Ruhe zu bringen ist. Die Aussagen seines Übungsleiters lässt der in Armenien geborene Wahl-Berliner betont gelassen an sich abprallen. „Natürlich weiß ich, dass ich gewinnen muss. Aber etwas anderes habe ich auch nicht im Kopf. Ich habe das Ziel, so schnell wie möglich wieder Weltmeister zu werden, und das werde ich erreichen“, sagt er.

Seit Abraham seinen WBO-WM-Titel im April 2016 in Las Vegas nach einer erbärmlichen Leistung an den Mexikaner Gilberto Ramirez verlor, sinnt er auf Revanche. Diese wäre ihm im Fall eines Sieges über Krasniqi garantiert, die WBO hat den Sieger als nächsten Pflichtherausforderer für den Champion bestimmt, der lange verletzt war und seinen Titel an diesem Sonnabend gegen den Ukrainer Max Bursak zum ersten Mal verteidigt. Die Frage, die sich Fans und Experten stellen, ist: Hat Arthur Abraham das Feuer, sich noch einmal ganz nach oben durchzuschlagen?

Es spricht für sich, dass selbst der Cheftrainer darauf keine eindeutige Antwort geben kann. „Arthurs Einstellung dazu ist wechselhaft“, sagt Wegner, „er hat sich im Training bemüht und auch relativ gutes Sparring gemacht. Aber er hat finanziell ausgesorgt und sich geschäftliche Standbeine außerhalb des Boxens geschaffen. Deshalb muss man abwarten, ob er noch den Willen hat, durchs Feuer zu gehen.“ Am Karfreitag habe er sich seinen Schützling noch einmal zur Brust genommen und Wiedergutmachung gefordert. „Was er in Las Vegas gemacht hat, war eine Katastrophe“, sagt Wegner, der nach der Schmach gegen Ramirez eine Trennung erwogen hatte, „ich habe mich noch nie so für ihn geschämt. Das muss er gerade rücken, das schuldet er sich, seinen Fans, seinem Promoter und mir.“

Dem will der in 50 Profikämpfen 45-mal siegreiche Abraham nicht widersprechen. Genau deshalb müsse sich auch niemand Sorgen um seine Motivation machen. „Ich bin hungriger als je zuvor, denn ich will unbedingt die Revanche gegen Ramirez“, sagt er. Auch Promoter Kalle Sauerland glaubt an die Charakterfestigkeit seines einstigen Zugpferds. „Arthur weiß, dass für ihn alles auf dem Spiel steht. Aber er will den Rückkampf gegen Ramirez unbedingt und hat deshalb die Chance, sich gegen Krasniqi dafür zu qualifizieren, sofort angenommen“, sagt er.

Auch auf den im Kosovo geborenen Wahl-Münchener Krasniqi wartet in Erfurt ein Alles-oder-Nichts-Kampf. Verpasst der 30-Jährige nach den deutlichen Niederlagen in seinen beiden WM-Kämpfen gegen Abrahams Sauerland-Stallkollegen Jürgen Brähmer (WBA) und den Waliser Nathan Cleverly (WBO) nun auch im dritten Anlauf die Chance auf einen bedeutenden Titel, dürften sich die Träume vom großen Geld auch für ihn erledigt haben.