Sachir. Formel-1-Pilot Sebastian Vettel gewinnt Großen Preis von Bahrain. Manipulationsvorwürfe von Red Bull

Die Auftritte der Scuderia Ferrari erscheinen wie eine Zeitreise, was nicht nur an der stolzen Jubiläumszahl 70 im Teamlogo und Auto­namen liegt. Sebastian Vettel und sein „Gina“ getaufter Dienstwagen machen aus scheinbar schon an die Tempo-Übermacht von Mercedes verlorenen Rennen überzeugende Siege, der siegentwöhnte italienische Rennstall zelebriert beim Großen Preis von Bahrain den zweiten Erfolg über Lewis Hamilton im dritten Formel-1-Rennen der Saison.

Dazu gibt sich der Rennstall so wortkarg in seiner Kommunikation wie vor Jahrzehnten, als Arroganz noch ein Verkaufsargument war. Das ändert sich nur, wenn es ein erfolgreicher Sonntag war, so wie beim Flutlichtrennen in der Steinwüste. Dann dauert es nur ein paar Minuten, ehe elektronische Post eintrifft, die mit „Presidente“ unterschrieben ist. Sergio Marchionne, der mächtige Fiat-Chef, freut sich mit Vettel: „Es ist sehr befriedigend, mit Seb wieder ganz oben zu stehen. Das zeigt, dass unser Erfolg in Melbourne kein Zufall war und dass wir bis zum Schluss dieser Weltmeisterschaft an vorderster Front kämpfen werden.“

Keine Sekunde Unaufmerksamkeit will der Firmenpräsident zulassen, womit wir beim großen Verlierer des dritten WM-Laufs wären: Mercedes. Schon am Start ging die Freude an der ersten Poleposition von Rosberg-Ersatz Valtteri Bottas verloren. Der Finne war wegen eines Generatorausfalls mit zu viel Luft im Reifen unterwegs, sein Nebenmann Lewis Hamilton kam nicht gut weg, Sebastian Vettel dafür schon. Der Heppenheimer hatte gleich ein gutes Gefühl: „Im Rennen kommt unser Auto immer zurück.“

Vettel schafft den 44. Grand-Prix-Sieg seiner Karriere

Ferrari machte alles richtig, beim frühen Boxenstopp, im Duell nach der Safety­-Car-Phase, mit der weiteren Reifentaktik. „Wir haben die versteckten Eier gefunden“, witzelte der Heppenheimer nach dem 44. Grand-Prix-Sieg seiner Karriere. Am Ende konnte er den Erfolg gegen den heranstürmenden Hamilton kontrolliert nach Maranello fahren, dem Gegner half nicht mal der von der Box befohlene Platzwechsel mit Bottas. Vettel fragte vor der Podiumszeremonie schelmisch-sarkastisch: „Was war denn los, Lewis? Ich dachte, du kriegst mich noch ...“

Hamilton wusste keine wirkliche Antwort, später gestand er, dass ihm die Niederlage „im Herzen wehtut“ – und Vettel rieb sich vor den Kameras die Hände. Wohlgemerkt aus Freude über die neue Chancengleichheit, nicht aus Schadenfreude.

Die entscheidende Szene war die nach einem Renndrittel, während der Neutralisierung – hintereinander kamen die Mercedes-Piloten an die Box. Hamilton hatte brav beim Herunterbremsen abgezählt, um nicht auf Bottas aufzulaufen. Doch dann gab es ein Problem beim Reifenwechsel, der Brite verfiel richtig ins Bummeltempo und hielt damit den Red-Bull-Renault von Daniel Ricciardo auf. Fünf Sekunden Zeitstrafe, davon sollte er sich nicht mehr erholen.

Wenn den Champions solche Fehler unterlaufen, zeigt das nur, wie sehr Mercedes bereits unter Druck ist. Einer wie Vettel spürt das intuitiv, er kann es kaum erwarten, bei den Testfahrten in dieser Woche in Bahrain wieder hinters Lenkrad zu kommen. Es gilt dabei vor allem, die Leistung auf eine schnelle Runde zu optimieren – vom Reifenmanagement her ist Ferrari momentan besser, cleverer, glücklicher als Mercedes. „Jeder bei uns ist hungrig und peitscht nach vorn“, weiß der Mannschaftskapitän, „das Pferd muss weitergaloppieren.“

Ferrari zehrt nicht nur von den Reglementänderungen, sondern vor allem von der Ruhe, die trotz der sieg­losen vergangenen Saison im Hauptquartier eingezogen ist. Mattia Binotto, der neue Technikdirektor, ist mehr geschickter Manager als Selbstdarsteller; Teamchef Maurizio Arrivabene kontert die Kritik an seiner Führung durch noch stärkeren Ehrgeiz; mit dem alten Schumacher-Meistermacher Rory Byrne (mittlerweile 73) wurde der bestmögliche Berater verpflichtet. Der Aufwärtstrend, der sich bei der Scuderia immer auch in einem mehr oder weniger stillen Stolz ausdrückt, ist förmlich zu greifen. Oder, wie es Sebastian Vettel ganz simpel ausdrückte: „Es hat einfach klick gemacht.“ Der vierfache Weltmeister, der seit 2015 für Ferrari Rennen fährt, spürt, wie wichtig es jetzt ist, das Momentum aufzunehmen.

Zur neuen Stärke passen auch die alten Anfeindungen – hinter Ferraris Aufschwung vermutet Red Bull Racing, das eigentlich als großer Mercedes- Herausforderer­ gesetzte Team, Schummelei. Der Unterboden am Siegerauto verbiege sich bei einer bestimmten Geschwindigkeit zum Asphalt hin. Daraus entstehe ein Tunnel­effekt, der dann für mehr Bodenhaftung und so für ein höheres Tempo sorge. Angeblich soll diese verbotene Technik auf Videoaufnahmen zu sehen sein.

Helmut Marko, grantelnder Berater des Getränkerennstalls, spricht von „belastenden Bildern“, auch andere Teile am Vettelmobil seien ungewöhnlich flexibel: „Es wäre schade, wenn Ferrari nur deshalb vorne fahren würde“, sagte er.

Der Kommentar ist ein bisschen scheinheilig, denn offiziell will man beim Automobilweltverband FIA noch nicht dagegen protestieren. Ähnlich hält man es beim direkten Gegner Mercedes, Team-Aufsichtsrat Niki Lauda will solchen „Blödsinn“ nicht einmal kommentieren. Der beurteilte lieber das Renngeschehen: „Es gibt keine Diskussionen, Ferrari hat alles perfekt gemacht.“