Crocodiles-Kapitän ist seit seiner Retter-Aktion für die Freezers eine Institution in Hamburg. Schubert erhebt schwere Vorwürfe.

Hamburg. Wäre nicht das Eisland Farmsen sein zweites Wohnzimmer, dann könnte Christoph Schubert auch im Eimsbüttler Café „Die Pampi“ Unterschlupf finden. Der Kapitän der Eishockey-Oberligamänner der Crocodiles Hamburg wird in seinem Stammlokal nicht wie ein Gast begrüßt, sondern wie ein alter Freund – der er ja auch ist. Seit sieben Jahren immerhin lebt der Bayer nun schon in Hamburg, und auch wenn er sich weiterhin weigert, das langgezogene Servus gegen ein lockeres Moin einzutauschen: Spätestens seit seiner Retter-Aktion für die vom Spielbetrieb abgemeldeten Freezers im Mai vergangenen Jahres ist er in der Sportstadt Hamburg eine Institution. Bei Spiegeleiern mit Speck, Milchkaffee und Orangensaft blickt der 35-Jährige auf eine verrückte Premierensaison mit den Krokodilen zurück.

Hamburger Abendblatt: Herr Schubert, nach dem letzten Achtelfinalspiel gegen Tilburg am 24. März sagten Sie, dass dringend Erholung nötig wäre. Geht es jetzt wieder?

Christoph Schubert: Ich war zwischenzeitlich ziemlich durch im Kopf, das stimmt. Vom Fastabsteiger zum direkten Play-off-Teilnehmer: Keiner konnte erahnen, dass wir eine solche Leistung schaffen würden. Als die Saison vorbei war, ist von uns allen eine Last abgefallen.

Für Sie musste eine neue Stellenbeschreibung geschaffen werden. Sie waren Spielertrainermanager. Haben Sie sich rückblickend zu viel zugemutet?

Schubert: Ich möchte zunächst klarstellen, dass der Erfolg, den wir hatten, natürlich nicht an mir allein festgemacht werden darf. Unser Marketingfachmann Christian Schult hat wahnsinnig viel geackert, ebenso die ehrenamtlichen Helfer aus dem Förderverein. Für uns alle war es Neuland, und keiner konnte ansatzweise einschätzen, was auf uns warten würde. Aber gemeinsam haben wir es geschafft, und darauf können wir stolz sein.

Dennoch sah man Ihnen zum Ende der Saison die Mehrfachbelastung deutlich an. War es zu viel?

Schubert: Ja, ich war an der Grenze und manchmal auch darüber. Ich wollte es mir nicht anmerken lassen, aber komplett kann man das auch nicht verheimlichen. Was im Hintergrund alles getan werden muss, um einen perfekten Spieltag zu organisieren, habe ich nicht gewusst und wahrscheinlich auch ein wenig unterschätzt.

Wie haben Sie Ihre Arbeitszeit aufzuteilen versucht? Wie sehr waren Sie noch Spieler, zu wievielen Teilen schon Manager?

Schubert: Ich kann das schwer in Anteilen ausdrücken. Ich habe unheimlich viel telefoniert, war mit Christian bei diversen Sponsorengesprächen, habe mit Agenten über Spieler verhandelt und Behördengänge erledigt. Und manchmal habe ich für unsere Kanadier einen Tisch im Restaurant reserviert oder Spareribs in die Kabine kommen lassen. Aber wenn ich im Stadion war, dann war ich Spieler. Diese Abgrenzung war wichtig.

Wie wichtig war es Ihnen, diesen Ausgleich zu haben? Gerade mental dürfte das gut getan haben, oder?

Schubert: Definitiv. Ich wollte unbedingt spielen und will auch jetzt noch lange nicht aufhören. Eishockey ist mein Leben, und als Entspannung ist der Sport für mich total wichtig. Auf dem Eis meine Emotionen rauslassen zu können, das tut mir gut.

Das haben Sie ja auch einige Male getan. Manch eine Strafe wegen Meckerns hätten Sie sich und dem Team sicher gern erspart.

Schubert: Ja und nein. Ich bin einfach ein Mensch, der mit Ungerechtigkeiten nicht leben kann. Und wenn ich das Gefühl habe, dass mein Team und ich ungerecht behandelt werden, dann lasse ich das raus.

Man sagt ja gern, dass sich gute Spieler dem Niveau des Gegners anpassen. Insofern muss für Sie als NHL-Veteran der Schritt von der DEL in die Oberliga ein übler Rückschritt gewesen sein.

Schubert: Das habe ich überhaupt nicht so empfunden. Ich hatte 17 Jahre lang nicht in der Oberliga gespielt und wusste nicht, was mich erwarten würde. Aber ich fand, dass die besten acht Teams der Liga auf einem sehr hohen läuferischen und körperlichen Niveau agiert haben. Natürlich kann man es spielerisch nicht mit der DEL vergleichen, aber die Oberliga hat einen großen Sprung gemacht, und ich glaube, dass das so weitergehen wird. Der Unterschied zur DEL2 ist nicht groß.

Dennoch muss es für Sie eine heftige Umstellung gewesen sein, deutlich weniger zu trainieren als bei den Freezers, dafür aber im Schnitt pro Spiel 45 Minuten Eiszeit zu haben.

Schubert: Das war hart, keine Frage. Ich habe die Trainingseinheiten dazu zu nutzen versucht, mich zu erholen und Verletzungen vorzubeugen. Für mich war klar, dass ich meine Leistung bringen will, ganz egal, in welcher Liga ich spiele. Und anfangs war es schon eine Umstellung, vor allem, weil wirklich alle Blicke auf mich gerichtet waren. Aber über die Zeit habe ich meine Rolle als Führungsspieler gefunden, und die Entwicklung des Teams von Oktober 2016 bis März 2017 zeigt mir, dass wir unsere Aufgabe gut gelöst haben.

Verletzungs-Wetten: Schubert erhebt schwere Vorwürfe

Nicht nur alle Blicke waren auf Sie gerichtet, die Gegenspieler versuchten auch ständig, Sie zu provozieren oder sogar zu verletzen. Stimmt es, dass es Wetten darauf gab, wer Ihnen als Erstes die Knie zertrümmert?

Schubert: Das stimmt, und leider waren daran Funktionäre aus anderen Vereinen beteiligt. Einen anderen Spieler absichtlich verletzen zu wollen, das ist peinlich und hat im Sport nichts zu suchen. Aber es gab Vereinschefs, die Spielern Geld geboten haben, um mich aus dem Spiel zu schießen. Zum Glück haben wir das unterbinden können.

Wie bleibt man ruhig, wenn man so etwas mitbekommt?

Schubert: Ich bin ja nicht immer ruhig geblieben. Hier und da bin ich ausgeflippt, aber ich wusste, dass es letztlich doch immer auf mich zurückfällt. Es gab ein Spiel in Wedemark, da habe ich eine Prügelei kurz vor Spielende schlichten wollen und habe dafür selbst eine Strafe bekommen. Vom Hallensprecher wurde ich danach über Mikrofon als Hurensohn beschimpft. Da habe ich schon daran gezweifelt, ob das alles noch so normal sein kann.

Nun ist die erste Saison mit den Crocodiles Geschichte. Sie selbst haben gewarnt, dass das zweite Jahr das schwerste wird. Warum?

Schubert: Weil der Welpenschutz wegfällt und die Erwartungshaltung höher ist. Ich vergleiche das mit einer Auszeichnung zum Rookie des Jahres. Im ersten Jahr werden dir alle Fehler verziehen, niemand kennt dich und deine Tricks. Das fällt im zweiten Jahr alles weg. Damit müssen wir klarkommen, wenn wir den nächsten Schritt machen wollen.

Was ist notwendig, um den nächsten Schritt zu machen? Sportdirektor Sven Gösch sagte, man müsse zwei bis drei Topspieler holen.

Schubert: Wenn Sven das sagt, dann stimmt das.

Und? Haben Sie schon Kandidaten?

Schubert: Wir sprechen mit vielen Leuten, mir sind über die Saison bestimmt 30 Spieler angeboten worden. Aber der Sommer ist noch lang. Und die Gehaltsforderungen einiger Spieler sind wirklich dreist. Die denken, wenn sie Hamburg hören, dass man hier automatisch reich wird. Das ist ein Problem.

Der Vertrag von Trainer Andris Bartkevics läuft Ende des Monats aus, noch ist unklar, ob er weitermacht. Warum diskutiert man über einen Coach, der das Team auf Rang sechs geführt hat?

Schubert: Der Trainer hat gerade eine eigene Firma aufgebaut, deshalb ist es auch seine Entscheidung, ob er es zeitlich überhaupt schafft, einen ambitionierten Oberligisten zu betreuen.

Traut man ihm das denn intern zu? Es hieß, Sie selbst hätten mehrfach Trainingseinheiten geleitet, zudem habe es nur ein Spielsystem gegeben.

Schubert: Ich habe einige Einheiten geleitet, wenn Andris zeitlich verhindert war. Und ich muss auch die Spieler in die Pflicht nehmen. In der abgelaufenen Saison haben viele ihre Rollen doch sehr frei interpretiert, es gab zu wenig Grundordnung. Da müssen wir im kommenden Jahr besser werden. Jeder muss sich noch mehr an seine Rolle halten. Das ist im ersten Jahr nicht zu 100 Prozent umgesetzt worden. Da müssen wir vom ersten Training an dran arbeiten.

Sie klingen tatsächlich schon wie ein Trainer. Wäre der Posten des Spielertrainers nicht etwas für Sie?

Schubert: Vorhin sprachen wir noch davon, dass ich mich nicht übernehmen darf. Ich wollte eigentlich kürzer treten in der nächsten Saison, mich auf meine Aufgaben als Spieler und Manager konzentrieren. Aber da Sie fragen: Ich habe einen C-Schein und mache in diesem Sommer meine B-Lizenz. Theoretisch wäre ich also bereit. Praktisch will ich es nicht.

Lassen Sie uns über das reden, was kommt. Der Dreijahresplan sah vor, den Aufstieg in die DEL2 anzugreifen. Wann ist der wirklich realistisch?

Schubert: Das kann ich nicht seriös beurteilen. In meiner Rolle als Mahner sage ich: Unser Ziel in der nächsten Saison ist, mindestens Achter zu werden. Ich weiß, dass einige das als Tiefstapelei ansehen. Aber für mich ist das Realismus. Ich habe das Gerede vom Meistertitel doch bei den Freezers erlebt. Und was haben wir geschafft? Einmal Halbfinale. Deshalb sollten wir uns zunächst konsolidieren. Wir haben ein Fundament gelegt, und jetzt müssen wir darauf langsam aufbauen.

Fundament ist ein gutes Stichwort. Über eine neue Arena als Ersatz für die in die Jahre gekommene Eishalle in Farmsen wird schon länger diskutiert. Ist sie Bedingung für die DEL2?

Schubert: Mit einer Ausnahmegenehmigung könnten wir in Farmsen auch in der DEL2 spielen. Wie lange die gelten würde, müsste man sehen. Ich sage ganz klar: Ja, wir wollen innerhalb von vier Jahren den Aufstieg anpeilen. Aber wir können nichts erzwingen. Wir wollen alle auf dem Weg mitnehmen. Die Sponsoren, die mit dem „Back to the roots“-Eishockey in Farmsen viel Spaß haben. Die Fans, die die Preiserhöhung bei den Dauerkarten sehr verständnisvoll angenommen haben, weil sie wissen, wofür das Geld benötigt wird. Bei uns soll sich niemand als Kunde fühlen, unsere Sponsoren und Fans sollen bei uns ein zweites Zuhause haben. Deshalb werden wir uns die Zeit lassen, die Schritte gemeinsam zu gehen.

Wie weit sind die Pläne der Ausgliederung der Eishockeysparte aus dem Gesamtverein Farmsener TV gediehen?

Schubert: Daran wird gearbeitet, aber die Mühlen der Bürokratie in Deutschland mahlen langsam.

Im Mai jährt sich das Aus der Freezers zum ersten Mal. Wie werden Sie diesen Tag erleben?

Schubert: Sicherlich werden viele Bilder von damals wieder hochkommen. Ich war seitdem nie wieder in der Barclaycard-Arena. Bislang hatten meine Mitstreiter und ich noch keine Zeit, all die Aktionen mal Revue passieren zu lassen. Vielleicht ist der Jahrestag ein guter Anlass dafür.

Sie haben damals mit Ihrer Crowdfunding-Aktion mehr als 500.000 Euro eingeworben. Was ist eigentlich mit dem Geld passiert?

Schubert: Leider noch nichts. Der Förderverein, den wir gegründet haben, ist eingetragen. Es fehlt aber noch ein letztes Schriftstück vom Finanzamt, dann können wir loslegen. Viele Spender haben von ihrem Rückrufrecht Gebrauch gemacht, nachdem feststand, dass die Freezers nicht gerettet werden. Aber immerhin 125.000 Euro sind für den Förderverein übrig. Das ist eine sehr stolze Summe, mit der wir einiges tun können.

Was ist Ihnen geblieben davon, als Freezers-Retter in ganz Deutschland bekannt geworden zu sein?

Schubert: Ein paar gute Freunde, viele Kontakte, aber ansonsten gehe ich gelassen damit um. Ich bin noch der Schuby, der ich immer war. Und jetzt gebe ich meine ganze Kraft dafür, dass wir mit den Crocodiles das Eishockey in Hamburg wieder ganz nach oben bringen.

Schuberts Appell im Mai 2016 für die Freezers-Rettung: