Amsterdam/Gelsenkirchen. Blutleere Schalker sind beim 0:2 gegen Ajax Amsterdam heillos überfordert. Younes sendet eine Spitze gegen den Bundesligisten.

Den viel beschworenen Geist der "Eurofighter" hatten die Fußballer von Schalke 04 gleich in der Kabine gelassen. "Wir hatten schon beim Aufwärmen nicht die Körpersprache, die von uns verlangt wird", gab Weltmeister Benedikt Höwedes nach der bitteren 0:2 (0:1)-Pleite bei Ajax Amsterdam zu. Die Kämpfermentalität der königsblauen Helden um Olaf Thon und Marc Wilmots fehlte völlig, der Traum von einem erneuten Europapokaltriumph 20 Jahre nach dem Uefa-Cup-Wunder droht deshalb schon im Viertelfinale zu platzen.

Die völlig leblose Vorstellung der international erfahrenen Schalker in der Europa League gegen die "Ajax-Bubis" brachte Kapitän Höwedes auf die Palme. "Es hat mich angekotzt, dass wir so fahrig verteidigt und so stümperhaft die Bälle hergeschenkt haben. Da darf man sich nicht wundern, dass man die Bälle so um die Ohren kriegt", ereiferte sich der 29-Jährige, während sich Mitspieler wie Nabil Bentaleb auf nette Pläuschchen mit ihren Gegenspielern einließen.

Mit ähnlich drastischem Vokabular sah sich eine der letzten verbliebenen Identifikationsfiguren auf der eigenen Facebookseite konfrontiert. "Deine doofen Sprüche fürs Rückspiel kannste dir sparen", war einer der noch harmloseren Fan-Kommentare. Zahlreiche Nutzer forderten Höwedes gar zum Verzicht des Begriffs "Eurofighter" auf, den der Profi zum Spiel groß auf seiner Seite plakatiert hatte. "Das ist eine Frechheit, diesen Begriff überhaupt mit der derzeitigen Mannschaft in Verbindung zu bringen!", echauffierte sich einer.

Höwedes & Co. waren völlig überfordert

Mit dem Kombinationswirbel der Hochgeschwindigkeitsfußballer des niederländischen Rekordmeisters - mit einem Altersschnitt von 22 Jahren - waren Höwedes und Co. völlig überfordert gewesen. Und offenbar auch gar nicht darauf eingestellt. "Wir waren ein bisschen überrascht von dem Tempo", sagte der Weltmeister und erntete erstaunte Blicke. Die Tageszeitung De Telegraaf brachte es am nächsten Morgen auf den Punkt: "Ajax ist wieder Ajax."

Dass sie nicht schon die letzte Chance auf eine Wiederholung des größten Vereinserfolgs 1997 verspielten, hatten die Schalker einzig Ralf Fährmann zu verdanken. Der Torwart machte ein halbes Dutzend Großchancen des Ajax-Talentschuppens zunichte und sorgte dafür, dass das Rückspiel am Donnerstag (21.05 Uhr/Sport1 und Sky) in Gelsenkirchen nicht nur statistischen Wert hat.

Schalker posierten mit "Eurofighter"-Schal

Der Keeper, den nur der überragende Davy Klassen zweimal überwunden hatte (23., Foulelfmeter und 52.), kämpfte auch nach dem Schlusspfiff vehement gegen die kollektive Depression an. "Wir sind Schalker, wir sind das Hinfallen gewöhnt, aber auch das Aufstehen", sagte Fährmann und verwies auf das Achtelfinale: "Es steht bloß 0:2, wir haben 90 Minuten Zeit, es wiedergutzumachen, in Gladbach haben 45 gereicht."

Beim 2:2 bei Borussia Mönchengladbach hatten die Königsblauen in der zweiten Halbzeit des Rückspiels den gleichen Rückstand aufgeholt und noch die nächste Runde erreicht. In der Kabine hatten sie danach mit einem "Eurofighter"-Schal posiert und den Geist der Helden von 1997 beschworen. Wilmots und Co. hatten auf ihrem Weg zum Wunder von Mailand auch zweimal auswärts verloren, aber nie so chancenlos.

Kluiverts Sohn schnappt sich Huntelaar-Trikot

Kluivert mit Matchwinner Davy Klaassen (r.)
Kluivert mit Matchwinner Davy Klaassen (r.) © Imago/Team 2

Nur ein Schalker erlebte in der Amsterdam Arena einen erinnerungswürdigen Abend. Klaas-Jan Huntelaar, der als Kind in Ajax-Bettwäsche geschlafen hatte, wurde bei seiner Einwechselung 20 Minuten vor Schluss von den 54.000 Zuschauern frenetisch gefeiert. Nach dem Spiel wollten gleich mehrere Gegner ein Trikot von ihm.

Der 17-jährige Justin Kluivert, Sohn des ehemaligen Oranje-Stars Patrick Kluivert, hielt das Shirt des "Hunter" stolz in die Kamera. "Es war keine schöne Rückkehr", meinte Huntelaar trotzdem. Der 33-Jährige, der von 2006 bis 2008 für Ajax spielte, hat seinen Abschied von Schalke zum Saisonende angekündigt und liebäugelt mit einem zweiten Engagement beim niederländischen Vorzeigeklub.

Heidel lobt Entwicklung von Younes

Amin Younes strahlte dagegen über das ganze Gesicht. Der Ex-Gladbacher, der in der Bundesliga nur sechs Minuten gegen Schalke gespielt hatte, dribbelte seine Gegenspieler regelrecht schwindelig. "Wie er sich entwickelt hat, ist aller Ehren wert", lobte Schalkes Sportvorstand Christian Heidel den 23-Jährigen, der eine gewisse Genugtuung nicht verstecken konnte. "Ich habe vorher viel von einem Schalker Wunschlos gehört", sagte Younes - und schmunzelte.

Die meisten deutschen Fans an den Bildschirmen dürfte hingegen weniger zum Lachen zumute gewesen sein. Und es gab viele Beobachter: Auf Sport1 verfolgten das Spiel im Schnitt 1,93 Millionen Zuschauer. Dies entspricht einem guten Marktanteil von 6,6 Prozent. In der Spitze schalteten bei dem Duell bis zu 2,33 Millionen Zuschauer ein.

Statistik

Amsterdam: Onana - Veltman, Sanchez, Viergever, Sinkgraven (46. de Ligt) - van de Beek (88. de Jong) - Klaassen, Ziyech - Kluivert (74. Neres), Traore, Younes. - Trainer: Bosz

Schalke: Fährmann - Kehrer, Höwedes, Nastasic, Aogo - Goretzka, Bentaleb - Schöpf (71. Huntelaar), Meyer (59. Stambouli), Caligiuri (83. Konopljanka) - Burgstaller. - Trainer: Weinzierl

Schiedsrichter: Sergej Karasew (Russland)

Tore: 1:0 Klaassen (23., Foulelfmeter), 2:0 Klaassen (52.)

Zuschauer: 54.033 (ausverkauft)

Gelbe Karten: Klaassen (4), Neres - Kehrer (3), Stambouli (2)

Torschüsse: 19:6

Ecken: 11:3

Ballbesitz: 51:49 %

Zweikämpfe: 95:81