Hamburg. Tischkicker-Veteran Thorsten Petersen startet bei der Heim-Weltmeisterschaft in Hamburg mit 1000 Teilnehmern aus 41 Nationen.

Vor einer Woche ist das neue Trikot und die Trainingsjacke gekommen. Knallrot. Er will schließlich gut aussehen bei der Heim-WM. „Deutschland“ steht auf der Brust und der Name seines Schuhgeschäfts. Von Mittwoch bis Ostersonntag findet auf Kampnagel die Tischkicker-WM statt, knapp 1000 Spieler aus 41 Nationen an 120 Tischen. Kein Kinderspiel. Das ist mental und körperlich anstrengend – und Thorsten Petersen hat es noch einmal geschafft, sich zu qualifizieren.

„Natürlich will ich gewinnen, sonst muss man ja nicht teilnehmen“, sagt er. Wie man das so sagt, als ehrgeiziger Sportler. Aber das ist es ja nicht allein, „Tosch“ Petersen hat ja eine Geschichte, er hat ja schon viel gewonnen, er hat ja allein schon gezeigt, dass er es kann. Und mit ihm hat ganz viel in Hamburg überhaupt erst begonnen.

Seit drei Jahren spielen sie fest zusammen

Petersen ist 56 Jahre, er startet mit seinem gleich alten Partner Kai Egger­stedt bei den Senioren im Doppel und Classic-Doppel. Seit drei Jahren spielen sie fest zusammen, kennen aber, kennen tun sie sich fast seit immer. „Sind es schon 30 Jahre? Wir haben schon gekickert, da waren viele der heutigen Spieler noch gar nicht auf der Welt“, sagt Petersen und strahlt wieder dieses fröhlich, selbstbewusste Lachen von einem, der schon fast alles gesehen und erlebt hat – jedenfalls in dieser Welt der Tische mit den vier Stangen. Und wahrscheinlich auch sonst.

An Weltmeisterschaften hat er schon teilgenommen, überall auf der Welt, stand dreimal in Finals. In der grauen Vorzeit, als Kickern ein noch nicht so von Verbänden durchorganisierter Sport war. „In Kneipen hat es alles angefangen, es gab in Hamburg eine kleine Liga und Tische im ,Zartbitter‘“, erzählt er. Die USA waren das Dorado. „Da gab es in den 70er-Jahren schon eine Tour, die mit einer Million Dollar dotiert war.“ In den 80ern, Anfang der 90er hat er auch da drüben gespielt, hier war ja fast noch nichts.

Dreimal im Doppel Europameister

„Das hat schon Spaß gemacht, so durch die Welt zu juckeln.“ Petersen war dreimal im Doppel Europameister, viermal deutscher Meister in Einzel und Doppel. „Na ja, und im Herbst haben wir uns dann als deutsche Meister für die WM qualifiziert, sonst wäre es nichts geworden“, erzählt Petersen, „da war schon Druck.“

Es ist wieder gut was los im Kixx am Nobistor, auch an einem Montagabend. Die 16 Tische sind besetzt, über einem hängt eine Kamera, die das Spiel nach vorne in den Barbereich überträgt. Es quietscht und kurbelt und knallt. 2011 hat die Hamburger Kickergemeinde hier ihr Zuhause gefunden. Auch Hamburgs Nationalspieler und WM-Teilnehmer Sabine Brose und Maura Porrmann sowie Minyoung Bai und Oke Harms schauen hier regelmäßig vorbei.

Kickertricks für Hollywood

Sie alle kennen den Veteranen – und mithalten kann der „Alte“ bei den Turnieren im Kixx eben immer noch – „Man hat sich auch etwas Respekt erspielt.“ Die Filmszene ist Kult. Ein dunkler Keller, der langhaarige „Snake“ – „spielt nur mit Rot“ – die Jungs Floyd, Ricco und Walter auf ihrer Tour durch Hamburgs Nacht. Das Kickermatch um den Ford und 800 D-Mark. Die Kamera zeigt es von ganz nah, wie die Figuren den Ball klemmen, hin und her bewegen, drüberstreichen, täuschen, alles in irrem Tempo, wie geht das?

„Absolute Giganten“ heißt das Roadmovie von 1998 um drei Heranwachsende, das gefilmte Spiel ist legendär. „Da habe ich auch meine Hände gegeben“, erzählt Thorsten Petersen. Also die Stangen geführt. Das hat er einige Male gemacht, immer wenn jemand Kickertricks filmen wollte, auch in Hollywood, auch für das ZDF-„Sportstudio“. Petersen hat für einen amerikanischen Tischhersteller den Import des „Tornado“ nach Deutschland organisiert. Er hat in den 90ern Ligen aufgebaut – „Plakate habe ich selbst gedruckt“ – in Bayern, Hessen und Hamburg, hat eine EM organisiert. Ist durch Deutschland getourt und hat auf Turnieren gezockt, die von den Tischherstellern organisiert wurden. Er war Profi.

Im Jugendzentrum in Lurup fing es an

„Begonnen habe ich im kirchlichen Jugendzentrum in Lurup, da stand ein Tisch. Später haben wir abends mit Freunden gespielt“, erinnert er sich, „irgendwann kam einer, der gewann immer. Das war ein unerträglicher Zustand.“ Und so hat er geübt. „Es braucht Jahre, bis man vorne mitspielen kann.“

Aber davon leben? Damals noch nicht. Ab Mitte 40 wurde er „bürgerlich, ruhiger, ich musste ja Geld verdienen“. Arbeit im Callcenter, Direktmarketing-Studium, Aufbau der Selbstständigkeit. Wieder eingestiegen ist er erst vor ein paar Jahren, sein Club Phoenix hat ihn gefragt. Da hat’s wieder gekribbelt. Inzwischen aber verdienen andere Spieler gutes Geld mit dem Kickern, sie kassieren Preisgelder, treten auf Firmenveranstaltungen auf, machen Showevents. „Ich habe vielleicht versäumt, es professionell weiterzumachen“, sagt er.

Umso schöner, dass die WM jetzt ein Heimspiel ist. Denn das ist sogar für Tosch Petersen etwas Neues. Kann also losgehen, das Trikot ist geliefert.