Hamburg. Der doppelte Aaron Hunt führt den HSV zum 2:1 gegen Hoffenheim. Jetzt brennt der Ex-Bremer auf sein erstes Nordderby als Hamburger

Der Zeitpunkt hätte besser nicht sein können. Zum fünfjährigen Bestehen bekam der Fanclub „HSV-Jungz Lübeck“ am Sonntagmittag Besuch. Und es war kein geringerer als der Mann des Spieltags, der sich im Obergeschoss des Paulaner am Lübecker Dom an die Bar setzte und mit den Fans in entspannter Runde zwei Stunden plauderte: Aaron Hunt. Keine 24 Stunden zuvor hatte jener Hunt dafür gesorgt, dass alle HSV-Fans einen schönen Wochenendausklang erlebten und seine Mitspieler gut gelaunt zu den halbjähr­lichen Fanclub-Besuchen fuhren.

Zwei Tore schoss der Mittelfeldmann am Sonnabend beim 2:1 (1:1)-Erfolg gegen 1899 Hoffenheim. Gegen die Mannschaft, die vier Tage zuvor noch den übermächtigen FC Bayern München in die Knie gezwungen hatte. Und insbesondere Hunt machte den HSV zum Bayern-Besieger-Besieger. „Er war richtig locker drauf“, berichtete Jens Gereke (44), Gründer und Vizepräsident des Fanclubs „HSV-Jungz Lübeck“ am Tag danach über das Treffen mit dem Matchwinner. „Die Stimmung war natürlich super“, sagte Gereke, der am Sonnabend noch auf der Nordtribüne stand, als Hunt im Volksparkstadion vor 53.565 Zuschauern für Euphorie sorgte.

„Es war ein verdienter Sieg“, sagten nicht nur Hoffenheims Trainer Julian Nagelsmann sowie HSV-Coach Markus Gisdol, sondern auch Doppeltorschütze Aaron Hunt, der in der 75. Minute seinen ersten Doppelpack im HSV-Trikot und den siebten Hamburger Sieg im achten Heimspiel in Folge perfekt machte. Wie schon gegen Leverkusen (1:0), Hertha (1:0), Mönchengladbach (2:1) und Köln (2:1) entschied der HSV gegen Hoffenheim das Spiel in der Schlussviertelstunde. Eine erneute Energieleistung, die den Club auf Platz 13 bringt, vier Punkte vor dem Relegationsrang 16. „Heute ist einfach nur genießen angesagt“, sagte Gisdol.

Erstmals in dieser Saison kann der HSV etwas befreiter auf die Tabelle schauen und sich auf das Nordderby bei Werder Bremen am Ostersonntag freuen. „Das wird ein richtig geiles Spiel“, sagte Hunt, der erstmals als gegnerischer Spieler bei Werder Bremen antreten wird. Nach seinem Wechsel nach Wolfsburg 2014 sowie nach Hamburg 2015 verpasste er das Derby im Weserstadion, wo er zehn Jahre heimisch war, gleich zweimal. „Ich musste darauf lange warten. Hoffentlich passiert bis dahin nichts mehr“, sagte Hunt, der in den vergangenen Jahren immer wieder mit Verletzungen pausieren musste.

Heute steht Hunt symbolisch für die Entwicklung des HSV in dieser Saison. Vor dem Hinspiel gegen Bremen lagen die Hamburger noch mit drei Punkten abgeschlagen am Boden. Hunt spielte in der Mannschaft keine große Rolle mehr. Doch nach seinem geplatzten Winter-Wechsel zu Trabzonspor nutzte der 30-Jährige die Chance, die ihm Gisdol gab. Jetzt ist Hunt mit vier Treffern maßgeblich daran beteiligt, dass der HSV in der Rückrunde 20 punkte holte.

Zwei Treffer davon gelangen ihm gegen Hoffenheim. Zunächst hatte er einen Freistoß aus 17 Metern in die Torwartecke versenkt (25.). Nach dem schnellen Ausgleich durch das Elfmetertor von Andrej Kramaric nach einem Foul von Matthias Ostrzolek an Ermin Bicakcic (35.) war es am Ende wieder Hunt, der nach einem schnellen Angriff über Lewis Holtby und Bobby Wood nur noch einschieben musste (75.). „Hätte Bobby nicht quer gelegt, hätte unsere Freundschaft etwas gelitten“, scherzte der Torschütze.

Zwischen den beiden Treffern lag ein Spiel, das der HSV mit aller Macht gewinnen wollte. Gisdol hatte eine mutige Taktik gewählt. Die spielstarken Hoffenheimer setzte der HSV permanent unter Druck. Selbst in der Phase in der zweiten Halbzeit, als die TSG immer stärker wurde, presste der HSV teilweise mit drei Mann an der gegnerischen Eckfahne. „Uns war klar, dass wir das Pressing nur so spielen können. Das ist wie schwanger. Das geht auch nur ganz und nicht halb“, sagte Gisdol in einem etwas ungewöhnlichen Vergleich.

Genauso erklärt sich Gisdol die Leistungsexplosion von Hunt, der nur drei Wochen nach seinem Bruch des Schienbeinköpfchens auch körperlich einen richtig starken Eindruck machte. „Ich bin davon überzeugt, dass Aaron so gut spielt, weil er gegen den Ball gut spielt. Er ist heute ein richtig guter Pressingspieler gewesen“, sagte Gisdol.

Den verletzten Nicolai Müller machte Hunt als Rechtsaußen fast vergessen. Trotz seiner fehlenden Geschwindigkeit glänzt Hunt in der Rückrunde auf der Flügelposition. Nicht wenige hätten ihm diese Rolle nicht mehr zugetraut. „Man hat ja manchmal Spieler, die im fortgeschrittenen Alter noch mal einen Entwicklungsschritt machen“, sagte Gisdol. „Den sehe ich ge­rade bei Aaron ganz deutlich.“

Und auch bei den Fans hat Hunt eine Entwicklung genommen. Bislang war er aufgrund seiner Bremer Vergangenheit und seiner manchmal etwas lustlos wirkenden Art nicht als Publikumsliebling bekannt. Am Sonnabend feierten ihn die Fans wie noch nie. „Die Vergangenheit ist Vergangenheit“, sagt auch HSV-Fan Jens Gereke nach seinem Treffen in Lübeck. Im Hier und Jetzt ist der „Hunter“ beim HSV angekommen.