Hamburg. Der deutsche Handball-Rekordmeister setzt sich im Finale mit 29:23 gegen die SG Flensburg-Handewitt durch. Kapitän Duvnjak wird jetzt am linken Knie operiert

Domagoj Duvnjak war nicht wieder einzufangen. Der Kapitän des THW Kiel, schweißnasse Haare, stark geröteter Teint, tanzte in der Barclaycard-Arena ausgelassen vor der Fankurve des deutschen Rekordmeisters, fiel jedem Mitspieler von vorn, von hinten, von der Seite um den Hals, niemand entkam ihm, und er hüpfte immer noch mit fast schon kindlicher Begeisterung von einem Bein aufs andere, als die Kollegen längst die Müdigkeit in ihren Muskeln spürten, erschöpft Interviews für Funk und Fernsehen gaben und ungeduldig auf die Siegerehrung warteten.

Von wegen chronische Kniebeschwerden – der 28-Jährige schien die getapte malade Patellasehne in seinem linken Gelenk in diesen Momenten nicht mehr zu spüren. Es war schließlich auch ein besonderer Augenblick für den ehemaligen Welthandballer und die einst beste Handballmannschaft der Welt, die in den vergangenen 22 Monaten ihren hohen Ansprüchen nicht mehr gerecht geworden war und deshalb zuletzt das Wort Umbruch strapazierte.

Wer aber im Endspiel der deutschen Pokalendrunde Bundesliga-Tabellenführer Flensburg-Handewitt 29:23 (13:12) abfertigt, nach einer 6:3-Führung nach zehn Minuten das Spiel nicht mehr aus der Hand gibt, der dürfte wieder in der Spitzenklasse seiner Sportart angekommen sein. „Wir haben die Verhältnisse geradegerückt“, sagte Duvn­jak, der vor drei Jahren vom HSV nach Kiel gewechselt war und sich speziell darüber freute, dass ihnen dieser Coup an seiner alten Wirkungsstätte gelungen war.

Dass der zehnte Pokalerfolg nach fast zwei titellosen Jahren und dreijähriger Abwesenheit beim Final Four in Hamburg nicht irgendeiner in der unzählig langen Reihe der Kieler Trophäensammlung ist, sondern in der eigenen Wahrnehmung einen sportlichen Wendepunkt markieren könnte, war später aus jeder Äußerung herauszuhören. „Das ist nach dem Einzug ins Viertelfinale der Champions League (24:25 und 26:24 gegen die Rhein-Neckar Löwen) ein weiterer sehr wichtiger Moment für diese Mannschaft und den gesamten Verein“, sagten der Kroate Duvnjak und Kiels
isländischer Trainer Alfred Gislason unisono. Waren Triumphe dieser Art fast zwei Jahrzehnte lang Alltag für die Kieler, so fühlte sich dieser ganz anders, weil unerwartet, an. Kiel kam als Außenseiter nach Hamburg, schon das Halbfinale gegen Leipzig war eine strapaziöse Gratwanderung, die das Team am Ende mit 35:32 halbwegs souverän erledigte.

Der anschließende Auftritt der Flensburger gegen den amtierenden deutschen Meister Rhein-Neckar Löwen geriet dagegen zu einem Lehrstück, das 33:23 zu einer Demütigung des nationalen Dauerrivalen. Umso größer fiel nach dem Endspiel die Enttäuschung aus. „Ich habe die Mannschaft nicht wieder erkannt“, klagte Flensburgs von der Schmach sichtlich gezeichneter Manager Dierk Schmäschke, um kurz danach in den Kampfmodus zurückzuschalten. „Jetzt holen wir uns eben den Meister­titel.“ Es wäre der zweite der Vereinsgeschichte nach 2004. Im Pokal war es nach dem bisher letzten Sieg 2015 nun schon die neunte Niederlage in 13 Endspielen – die fünfte gegen den THW.

Kiels Torhüter Niklas Landin hält im Endspiel überragend

Kiels Trainer Gislason hatte dazu mit einem taktischen Schachzug beigetragen, als er Linksaußen Rune Dahmke (23) von Linksaußen in die Mitte beorderte, um dort das Spiel zu gestalten und den nimmermüden Kämpfer Duvnjak zu entlasten. Aber keiner von beiden wurde hinterher zum besten Spieler des Final Fours gekürt, vielmehr Kiels Europameister Steffen Weinhold (30), der im Endspiel ein Tor warf, der von Kiels Anhängern gefeierte Duvnjak als bester Schütze aber sieben. Weder die Fans noch Gislason konnten die Ehrung nachvollziehen, nur Duvnjak gab sich bescheiden wie immer: „Steffen hat sehr, sehr viel für unsere Mannschaft getan.“

Das galt auch für Torhüter Niklas Landin, den Gislason mit dem Prädikat „Weltklasse“ adelte. Der dänische Olympiasieger entschärfte 15 Würfe der Flensburger, allein Ex-HSVer Kentin Mahé scheiterten in der letzten kritischen Phase des ungemein temporeichen Spiels zwischen der 45. und 51. Minute dreimal frei vor ihm und verhinderte eine zu diesem Zeitpunkt noch mögliche Wende.

Der Pokalsieg dürfte für Duvnjak der letzte Einsatz in dieser Saison, möglicherweise für die nächsten vier Monate gewesen sein. In dieser Woche hat er einen neuen Operationstermin, den er zuletzt mehrmals verschoben hatte. Die Kritik, dass er damit den Zustand seines Knies verschlimmert hätte, weist er zurück: „Die Ärzte haben mir gesagt, dass beim Spielen kein Risiko besteht. Momentan geht es meinem Knie wunderbar, ich habe keine Schmerzen. Montagfrüh, fürchte ich, wird das anders sein. Aber dieses Finale war es wert, noch mal alles zu geben.“ Alfred Gislason nahm ihn danach liebevoll in den Arm, sagte zu ihm: „Du bist ein Vorbild für uns alle.“