Hamburg. Der FC St. Pauli hat die wenigsten Karten unter den Abstiegskandidaten erhalten. Seit 2014 kein Platzverweis

Wenn der FC St. Pauli an diesem Freitag (18.30 Uhr) bei Erzgebirge Aue gegen einen direkten Konkurrenten um den Klassenverbleib in der Zweiten Liga antritt, wird bekanntlich Torjäger Aziz Bouhaddouz wegen einer Gelbsperre fehlen. Die Schlussfolgerung allerdings, das Team vom Millerntor gehe angesichts seiner sportlichen Situation so übermäßig rustikal zu Werke, dass sich sogar schon ein Stürmer fünf Gelbe Karten und damit eine Sperre einhandelt, entspricht keineswegs den Gegebenheiten. Richtig ist vielmehr, dass der FC St. Pauli derzeit den fünften Platz der Fairplay-Tabelle der Zweiten Liga belegt und mit 53 Verwarnungen in bisher 25 Spielen weniger Karten eingehandelt hat als alle anderen Teams, die gegen den Abstieg kämpfen.

Vor St. Pauli sind in der Fairplay-Tabelle lediglich vier Teams aus der oberen Tabellenhälfte notiert: Heidenheim, Dresden, Braunschweig und Stuttgart. Schlusslicht ist im Moment 1860 München mit bereits 78 Gelben Karten. Bei Platzverweisen, also sowohl Gelb-Roten als auch Roten Karten, die in der Fairplay-Tabelle mit drei und fünf Punkten zu Buche schlagen, hat St. Pauli auch in dieser Saison noch eine weiße Weste. Lediglich Dresden, Braunschweig und die „Gelb-Könige“ von 1860 München haben in der aktuellen Spielzeit ebenfalls noch keinen Akteur wegen eines Platzverweises verloren.

Beim FC St. Pauli muss man sogar in den Archiven stöbern, um den bisher letzten vom Platz gestellten Profi ausfindig zu machen. Es war am 9. März 2014, also vor mehr als drei Jahren, als Mittelfeldspieler Tom Trybull beim 0:1 der Kiezkicker beim FSV Frankfurt mit Gelb-Rot vom Rasen geschickt wurde. Die bisher letzte Rote Karte für den FC St. Pauli datiert sogar vom 29. November 2013. Damals stoppte Innenverteidiger Sören Gonther den Kölner Stürmer Anthony Ujah bei seinem Lauf auf das St.-Pauli-Tor mit einer „Notbremse“. Der 1. FC Köln siegte 3:0 am Millerntor und stieg am Ende der Saison wieder in die Bundesliga auf.

In der aktuellen Saison hat Gonther in seinen bisher 14 absolvierten Spielen übrigens noch keine einzige Gelbe Karte gesehen. Eine sehr positive Entwicklung in dieser Hinsicht hat auch der zweikampfstarke Mittelfeldspieler Christopher Buchtmann genommen. Vor drei Jahren entging er mit insgesamt 14 Gelben Karten nur knapp dem Makel, sich in einer Saison gleich drei Gelbsperren einzuhandeln. Jetzt kommt der 24-Jährige nach 22 Einsätzen nur auf vier Verwarnungen.

„Unsere Mannschaft hat sich insgesamt in ihrem Zweikampfverhalten verbessert. Das gilt auch für mich. Ich gehe cleverer in die Duelle Mann gegen Mann, ich gewinne mehr Zweikämpfe und begehe dabei weniger Fouls“, sagt Buchtmann zur Entwicklung. „Man tut der Mannschaft ja auch keinen Gefallen, wenn viele Spieler im Laufe einer Saison wegen einer Sperre ausfallen.“ Andererseits stellt er aber auch klar: „Wir begrüßen unsere Gegner nicht mit Handküsschen auf dem Platz. Aber einfach nur einen Gegenspieler umzutreten, ist nicht unsere Art.“

Trainer Ewald Lienen bestätigte am Mittwoch auf Nachfrage, dass die geringe Zahl an Gelben Karten kein Zufall ist. „Aggressivität hat für mich nichts mit Foulspiel zu tun. Wir versuchen dagegen, den ballführenden Gegner unter Druck zu setzen, um ihn an einem ruhigen Spielaufbau zu hindern und möglichst den Ball zu gewinnen. Das gelingt aber nicht, wenn ich ein Foul begehe“, sagte er und ergänzte augenzwinkernd: „Unser Ziel ist es, eine gesunde Aggressivität an den Tag zu legen, aber den Gegner dabei am Leben zu lassen.“

Der Vollständigkeit halber muss allerdings erwähnt werden, dass in dieser Saison Lasse Sobiech nach dem Spiel gegen 1860 München auf Grund eines Fernsehbeweises nachträglich wegen einer Unsportlichkeit für zwei Spiele gesperrt wurde.