Hamburg. Die Alexander-Otto-Akademie auf dem Campus wird dem Club übergeben. Ein exklusiver Einblick

Die Hausnummer hängt bereits an ihrem Platz. Sylvesterallee 5 steht auf einem Schild am Eingang des neuen Gebäudes. Es ist Mittwochvormittag. Zwei Mechaniker löten auf dem Zufahrtsweg gerade die letzten Metallstangen zusammen, ein Monteur schraubt die noch fehlende Fassadenplatte über die Tür des neuen Nachwuchsleistungszentrums. Der Rohbau des HSV-Campus ist fertig. Willkommen in der Alexander-Otto-Akademie.

Fünf Jahre nach der ersten Idee, drei Jahre nach der Neuplanung und ein Jahr nach Beginn der Bauzeit wird das Gebäude an diesem Freitag vom Generalunternehmen Ronge Industriebau an den HSV übergeben. Anfang Juni soll das neue Internat, das durch eine Zehn-Millionen-Spende von ECE-Unternehmer Alexander Otto ermöglicht wurde, offiziell eröffnen. Für das Abendblatt öffnete der HSV bereits drei Monate zuvor die Türen für einen Blick hinter die Kulissen des Hauses, in dem künftig 16 Talente aus dem Nachwuchs wohnen.

„Wir sind voll im Zeitplan und sogar etwas davor“, sagt Benjamin Scherner. Der Nachwuchschefscout des HSV hat sich in den vergangenen Monaten zusammen im Team um Sportdirektor Bernhard Peters maßgeblich darum gekümmert, welche Talente in den Campus ziehen. Scherner steht im Erdgeschoss der Akademie und zeigt den großen Eingangsbereich, das sogenannte Atrium. Es riecht nach frischer Farbe und neuem Teppich.

An diesem Freitag kann der HSV damit beginnen, das Gebäude einzurichten. Die meisten Räumlichkeiten sind bereits fertig. Im Erdgeschoss befinden sich die Kabinen sowie die Mensa. Über eine weitläufige Treppe gelangt man in den ersten Stock. Hier sitzen künftig die Nachwuchstrainer von U16 bis U21 an mobilen Arbeitsplätzen. Aus den Fenstern blickt man auf die Trainingsanlage mit fünf Plätzen, die gerade um einen weiteren Kunstrasenplatz erweitert wird. Konferenzräume sowie zwei große Krafträume mit einer 40 Meter langen Sprintbahn runden das Stockwerk ab.

Herzstück des Hauses ist die obere Etage. Hier wohnen künftig die Talente, von denen sich der HSV eine große Zukunft verspricht. 16 Jungs verteilen sich auf zwei Vierer-WG’s sowie acht Einzelzimmer. Die Plätze sind alle vergeben, die Verteilung noch nicht. Fast alle Spieler, die derzeit in Norderstedt wohnen, ziehen im Juni in den Volkspark. Dazu gehören Fiete Arp, Tobias Knost, Tobias Fagerström, Lenny Boges, Jan Siracki und Izzet Isler aus der U17. Hinzu kommt Anssi Suhonen (16), der im Winter vom neuen Partnerclub Käpylän Pallo aus Finnland kam.

Marco Drawz aus der U19, der kürzlich seinen ersten Profivertrag unterschrieb, wird mit 18 Jahren der älteste Bewohner sein. Der HSV hat die Zahl der Bewohner bewusst auf eine geringe Zahl begrenzt, um eine hohe Fluktuation zu vermeiden. Gleichzeitig will der Club durch das neue Internat die Konkurrenz im Werben um die besten Talente ausstechen. „Unsere Aufgabe ist es, dass die besten Jungs aus Norddeutschland bei uns sind. Durch den Campus erhoffen wir uns einen weiteren Standortvorteil“, sagt Scherner.

Der HSV arbeitet mit zwei neuen Partnerschulen

Und insbesondere mit der Struktur und dem Konzept will der HSV die Talente überzeugen. Eines der Highlights ist die Dachterrasse im hinteren Bereich der Wohnungen. Hier entsteht gerade eine Spielfläche für andere Sportarten wie Paddletennis oder Basketball. Dieser Bereich ist nur für die Bewohner gedacht. „Es ist wichtig, dass die Jungs sich auch mal zurückziehen und Abstand gewinnen vom Fußball. Es muss auch Privatleben geben“, sagt Scherner.

Und genau hier besteht der schmale Grat in der Konzeption des Internats, die Nachwuchschef Bernhard Peters und Projektleiter Christian Lenz in den vergangenen Monaten vorangetrieben haben. Komfort und modernste Ausstattung auf der einen Seite, individuelle Verantwortungsbereiche auf der anderen. „Wir dürfen den Jungs nicht alles abnehmen, sonst haben sie früh die Komfortzone erreicht und sie denken, ihnen wird alle zu Füßen gelegt. Sie müssen lernen, sich frühzeitig und selbstständig zu organisieren“, sagt Nachwuchschefscout Scherner.

Die Talente erhalten in der Akademie eine Rundumbetreuung. Mehrere Sozialpädagogen stehen den Jugendlichen als Ansprechpartner zur Verfügung. Eine von ihnen ist Julia Porath, die Mutter von HSV-Talent Finn Porath. Sie ist gleichzeitig die hauseigene Köchin. In den WG-Räumen können die Bewohner aber auch selbst kochen. Nachmittags gibt es Hausaufgabenbetreuung, abends geht es dann direkt vor die Haustür zum Training. Auch nachts ist immer eine Aufsicht vor Ort.

Nur tagsüber verlassen die Nachwuchsspieler den Campus. Dann gehen die Jungs an die Kooperationsschulen des HSV. Neben der Eliteschule des Fußballs am Heidberg in Langenhorn arbeitet der Club künftig mit dem Gymnasium Othmarschen und der Stadtteilschule Bahrenfeld zusammen, um die räumliche Nähe zum Internat zu erhalten. Mit Matthias Hellmig hat der HSV bereits vor zwei Jahren einen eigenen Schulkoordinator eingestellt, der den Kontakt zu den Schulen hält. Zudem sucht der Club weiterhin nach Gastfamilien in Volksparknähe. So sollen auch Spieler ein Zuhause bekommen, die im Campus keinen Platz mehr bekommen.

Chefscout Benjamin Scherner kümmert sich um die weitere Sichtung der Talente. Der 30-Jährige steht auf der Dachterrasse der Alexander-Otto-Akademie und blickt zur einen Seite auf das Volksparkstadion, zu anderen auf die Trainingsplätze, auf denen künftig alle Teams von der U16 bis U21 trainieren. Dazwischen liegen 50 Meter Luftlinie.

Scherner schwärmt von den neuen Perspektiven, die der Campus eröffnet. „Ich erhoffe mir, dass die Jungs merken, dass sie andere Chancen bekommen, dass wir enger zusammenwachsen, dass die Wege kürzer sind und man eine ganz andere Aufmerksamkeit bekommt“, sagt Scherner. „Es kann beflügeln, wenn man das Profitraining vor der Tür sieht, das Stadion. Das muss bei den Jungs die Gier wecken. Es ist wichtig, dass sie das große Ziel vor Augen haben.“

Fünf Jahre nach der ersten Idee, dem zwischenzeitlichen Skandal um die Zweckentfremdung der Fan-Anleihe, der Spende durch Alexander Otto und schließlich der Umsetzung des Baus steht das fertige Haus nun für die Hoffnung des HSV auf eine bessere Zukunft.