Hamburg. Wir baten Bobby Wood und seinen Kumpel Kovi Konowiecki zum Karrieregespräch über Profifußball, gemeinsame Anfänge in München und ihre unterschiedlichen Lebenswege später

Es tutet. Einmal. Zweimal. Dann meldet sich am anderen Ende der Welt eine Stimme. „Hello?“ Die Stimme gehört Kovi Konowiecki. Ein Amerikaner aus Kalifornien, ein einst talentierter Nachwuchsfußballer, heute ein Fotokünstler. Und damals wie heute: einer von Bobby Woods besten Freunden. „Hi Kovi“, sagt der HSV-Profi, lehnt sich zurück und schaut aus dem Fenster der Hamburger-Weg-Loge auf den Rasen des Volksparkstadions.

Über keinen Fußballer wurde in den vergangenen Tagen vor dem HSV-Spiel bei Eintracht Frankfurt (Sa, 18.30 Uhr/Sky) mehr berichtet als über Bobby Wood: Am Montag wurde er als Siegtorschütze gegen Gladbach gefeiert, am Dienstag war sein Beraterwechsel Thema, am Mittwoch machte seine festgeschriebene Ablöse Schlagzeilen. Nun sitzt der Stürmer, der Tore liebt und Interviews, sagen wir mal, weniger liebt, beim Abendblatt-Termin am Holztisch in der Stadionloge. Vor ihm ein Glas Wasser – und ein Telefon, das auf laut gestellt ist. „Wie geht’s?“, fragt Kumpel Kovi am anderen Ende der Leitung.

Kovi Konowiecki und Bobby Wood flogen als 14-Jährige zusammen aus den USA zum Probetraining nach München. Beide hatten einen Traum im Gepäck: Fußballprofi werden. Für Konowiecki war der Traum nach knapp zwei Jahren ausgeträumt. Das Mittelfeldtalent ging zurück in die USA, studierte und wurde schließlich Künstler. Konowieckis Kumpel Wood blieb, wechselte über Aue und Union Berlin schließlich zum HSV und gehört plötzlich zu den begehrtesten Stürmern der Bundesliga. Ein Gespräch über den schmalen Grat zwischen „geschafft“ und „gescheitert“.

Mister Wood, Mister Konowiecki, wann hatten Sie das letzte Mal Kontakt?

Bobby Wood: Wir haben gerade erst vor ein paar Tagen telefoniert.

Kovi Konowiecki: Natürlich versuche ich, ihm nach jedem Tor zu gratulieren.

Also verfolgen Sie Bobbys Karriere noch immer sehr aufmerksam?

Konowiecki: Klar. Bobby lebt unseren Traum. Und ich freue mich über jedes Tor, jedes gewonnene Spiel und jede Schlagzeile, die ich über ihn lese.

Wood: Umgekehrt verfolge auch ich Kovis Karriere. Ich folge Kovi bei Insta­gram, kann dort auch immer seine neuesten Fotos sehen. Aber wenn wir telefonieren, dann geht es meistens nur kurz um seine oder meine Karriere. Die meiste Zeit reden wir über alte Zeiten.

Die alten Zeiten sind lange her. Sie sind gemeinsam vor zehn Jahren, also als 14-Jährige, aus Kalifornien nach München geflogen, um bei 1860 Fußball zu spielen. War Ihnen klar, auf was Sie sich da einließen?

Konowiecki: Wir wussten schon, dass wir eine einmalige Möglichkeit hatten. Für einen Amerikaner war das schon außergewöhnlich, dass man nach Europa reist, um dort Fußball zu spielen. Natürlich haben wir beide davon geträumt, Profi zu werden.

Wood: Ehrlich gesagt wusste ich zu dem Zeitpunkt noch gar nicht zu 100 Prozent, ob ich wirklich ein Fußballprofi werden will. Für mich war das alles ein großes Abenteuer. Es war aufregend, aber ich hatte mir das alles gar nicht von vorne bis hinten überlegt.

Hatten Sie gar keine Angst?

Wood: Es war schon crazy. Aber Angst ist das falsche Wort. Ich brauchte ja keine Angst zu haben, weil Kovi dabei war. Zu zweit ist alles einfacher.

Konowiecki: Und man darf auch nicht vergessen, dass zu Anfang auch mein Vater dabei war.

Wood: Stimmt, dein Dad ist auch mitgeflogen. Er hat auch alles für uns organisiert: unsere Unterkunft, eine Gastfamilie, die Schule, das Training. War Deine Mutter nicht auch dabei?

Konowiecki: Im Flieger nach München war nur mein Vater dabei. Wir waren wirklich noch sehr jung. Ein bisschen Angst hatte ich schon, als wir das erste Mal ganz alleine in der Umkleide waren, keinen kannten und auch kein Wort Deutsch sprachen. Das war schon einschüchternd.

Wood: Ja, zu Anfang war es tough. Wir waren „die anderen“. Aber für mich war alles leichter, weil ich Kovi dabeihatte. Er war wie ein Bruder für mich. In der Umkleide und beim Fußball mussten wir lernen, uns durchzusetzen. Aber in München hat es uns ganz gut gefallen. Wir wohnten in München-Thalkirchen in der Nähe des Tierparks.

Kovi, warum sind Sie nach knapp zwei Jahren wieder zurück in die USA gegangen, während Bobby in München blieb?

Konowiecki: Das war eine Kombination aus verschiedenen Gründen. Ich war ja wirklich noch sehr jung – und ich wusste noch nicht, ob es das alles ist, was ich wirklich wollte. Ich musste dann wirklich sehr hart kämpfen, um überhaupt ein paar Minuten am Wochenende Spielzeit zu bekommen. Meine zweite Saison war zwar besser als meine erste, aber irgendwie merkte ich, dass es für mich bei 1860 nicht reichen würde. Dazu kam noch mehr und mehr Heimweh.

Und plötzlich war der Traum vom Profifußball geplatzt?

Konowiecki: Noch nicht. Ich kann mich erinnern, dass Bobby und ich in der Sommerpause zurück in die USA gingen und bei einem Turnier mitspielten. Wir müssen beide auch ganz gut gewesen sein. Jedenfalls wurde ich dann von einem belgischen Team zum Probetraining eingeladen, und ich bin dann tatsächlich da auch noch mal hingereist. Aber als ich dann in Belgien vorspielte, merkte ich, dass ich lieber zurück in die USA wollte. Ich hatte Heimweh.

Wood: Für mich war das natürlich auch schwierig. Am Anfang war es hart, aber ich hatte ja Kovi. Dann war Kovi weg – und dann war es erst recht hart. Und wenn ich ganz ehrlich bin: Ich weiß gar nicht mehr so genau, warum ich dann überhaupt noch bleiben wollte. Irgendwas muss es innerlich bei mir klick gemacht haben. Irgendwie wollte ich es allen beweisen und mich durchbeißen.

Kovis Traum zerplatzte – und Ihr Traum ging gerade erst so richtig los.

Wood: Als Kind macht man sich keinen wirklichen Druck. Man spielt Fußball und fertig. Doch irgendwann war ich natürlich auch alt genug, um zu verstehen, was da auf dem Spiel stand.

Eine Karriere als Fußballer stand auf dem Spiel. Würden Sie heute sagen, dass es sich gelohnt hat zu kämpfen? Leben Sie Ihren Traum, so wie es Kovi gesagt hat?

Wood: Natürlich ist es ein tolles Leben. Ich bin extrem stolz darauf, was ich geschafft habe. Und ich bin mir sicher, dass da noch ganz viel kommen wird. Meine Reise hat ja gerade erst begonnen. Aber so toll gerade alles ist, so sehr muss man sich auch wieder in Erinnerung rufen, dass alles auch schnell wieder vorbei sein kann. Als Fußballprofi hat man fantastische Hochs, die man genießen sollte. Und wenig später bittere Tiefs, die man aushalten muss.

Kovi, stellen Sie sich noch heute oft die Was-wäre-wenn-Frage?

Konowiecki: Ich bin eigentlich nicht so ein Was-wäre-wenn-Typ. Natürlich war es zunächst enttäuschend, dass es nicht für eine professionelle Fußballkarriere gereicht hat. Aber gleichzeitig war ich auch glücklich darüber, dass ich die Highschool in den USA beenden und dass ich aufs College gehen konnte. Damals hätte ich ja auch nicht ahnen können, dass ich später mal eine andere Leidenschaft von mir zum Beruf machen könnte. Heute bin ich total glücklich damit, was ich mache. Und einerseits stimmt es natürlich, dass mein Fußball-Traum platzte. Andererseits macht es mich unglaublich glücklich, dass Bobby durchgehalten und es geschafft hat.

Wann standen Sie zuletzt zusammen auf dem Fußballplatz?

Wood: Puh, das ist schon lange her. In den Saisonpausen kam ich immer in die Heimat zurück und spielte bei unserem Ex-Club Irvine Strikers. Da haben wir auch mal zusammen gekickt, aber das muss jetzt auch wiederum sieben Jahre her sein. Es war aber ein Riesenspaß.

Ein Riesenspaß ist es auch, was Sie derzeit auf dem Platz abliefern. Gibt es eine Drei-Sätze-Erklärung dafür, warum Sie in der Rückrunde in der Form Ihres Lebens sind?

Wood: Jeder Spieler entwickelt sich in seinem eigenen Tempo. Man darf ja nicht vergessen, dass es meine erste Bundesligasaison ist. Und ich habe nun mal ein paar Wochen gebraucht, um mich an alles zu gewöhnen. Aber von einem Moment zum anderen hat es irgendwie geklappt.

Von einem Moment zum anderen haben Sie auch Ihren Berater gewechselt und damit in dieser Woche für einige Schlagzeilen gesorgt. Verraten Sie uns, warum Sie gewechselt sind?

Wood: Dazu möchte ich mich nicht äußern.

Kovi, haben Sie als Künstler auch einen Berater?

Konowiecki: Das ist eine gute Frage. Ich bin tatsächlich gerade an dem Punkt, wo ich mich nach einem Agenten umsehe. Ich würde mich gerne mehr auf meine Kunst konzentrieren, und ich denke, dass mir ein Agent dabei helfen könnte. Ein guter Agent ist sicherlich gut für den persönlichen Erfolg.

Sind Bobbys Erfolge in den USA ein großes Thema?

Konowiecki: Man liest schon hier und da etwas über ihn. Gerade erst wurde ein ziemlich großer Artikel über seinen Karriereweg veröffentlicht, den ich natürlich verschlungen habe.

Bobby, lesen Sie auch alles über sich?

Wood: Ganz im Gegenteil. Ich habe auch gehört, dass es viele Artikel über meine Ausstiegsklausel gegeben haben soll. Das alles interessiert mich aber überhaupt nicht. Vor ein paar Jahren hätten mich solche Schlagzeilen noch aus dem Gleichgewicht bringen können. Aber jetzt nicht mehr. Jetzt ist das viel wichtiger (zeigt auf den Platz).

Konowiecki: Wichtig ist aufm Platz.

Auf dem Platz spielt Bobby am Sonnabend gegen Frankfurt ...

Konowiecki: ... und ich werde versuchen, das Spiel im Fernsehen zu verfolgen. 18.30 Uhr deutsche Zeit ist 9.30 Uhr unsere Zeit. Perfekte Frühstückszeit also. Good luck, Bobby.