Hamburg. Christian Prokop hat in Hamburg seine Arbeit als Bundestrainer aufgenommen. Am Wochenende gibt er sein Debüt gegen Schweden.

Dass Christian Prokop die vergangenen Nächte kaum geschlafen hat, ist ihm nicht anzusehen. „Hallo erst mal“, begrüßt der 38-Jährige die zahlreichen Kamerateams, Fotografen und Pressevertreter am Mittwochmittag im edlen Lindner Park-Hotel beim Tierpark Hagenbeck. „Ich freue mich riesig, dass es endlich so weit ist und ich die Mannschaft kennenlernen darf“, sagt Prokop an seinem ersten offiziellen Arbeitstag als Handball-Bundestrainer.

In Hamburg bereitet der Nachfolger von Dagur Sigurdsson die Nationalmannschaft auf zwei Länderspiele an diesem Wochenende gegen Schweden vor. Nach dem ersten Test am Sonnabend in Göteborg wird Prokop am Sonntag (17.30 Uhr /Sky Sport News HD) beim Tag des Handballs in der Barclaycard Arena im Hamburger Volkspark sein Heimdebüt als Bundestrainer geben – obwohl Prokop eigentlich noch gar nicht beim Deutschen Handballbund (DHB) unter Vertrag steht.

Denn: Seine Arbeitspapiere sind erst vom 1. Juli 2017 an gültig. Nur dank einer Freigabe seines Vereins SC DHfK Leipzig kann Prokop frühzeitig seinen neuen Job aufnehmen. „Wir haben den Klassenerhalt im schwierigen zweiten Bundesligajahr so gut wie geschafft und mit aktuell 26 Punkten unsere Zielvorgabe bis hierhin erreicht“, erklärt Prokop. Die Situation habe deswegen einen früheren Amtsantritt erlaubt. Bis Sommer werde er parallel als Vereinstrainer in Leipzig weiterarbeiten.

Prokop setzt auf emotionalen Handball

Bereits am Abend leitet Prokop die erste Trainingseinheit der „Bad Boys“. Von der künftigen Spielphilosophie hat der neue Coach eine klare Vorstellung: „Wir wollen attraktiven und emotionalen Handball spielen. Wir brauchen eine Verteidigung, die Druck auf den Gegner ausübt“, sagt der aus Köthen in Sachsen-Anhalt stammende Trainer. „Die Mannschaft verfügt über eine erfolg­reiche Philosophie, aber jeder Trainer hat seine eigenen Gedanken.“

Es wartet keine leichte Aufgabe auf den neuen Bundestrainer. Sigurdsson, der künftig die japanische Nationalmannschaft coachen wird, hat mit dem Gewinn der Europameisterschaft 2016 und der Bronzemedaille bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro große Fußstapfen hinterlassen. „Sigurdsson hat eine hervorragende Arbeit geleistet. Der Respekt ist groß“, sagt Prokop, „aber die Freude, die Mannschaft zu entwickeln und coachen zu dürfen, ist größer.“

Die Erwartungshaltung beim DHB ist enorm. Bei der EM 2018 in Kroatien soll der Titel erfolgreich verteidigt werden, bei der Heim-WM ein Jahr später eine Medaille gewonnen und bei Olympia 2020 in Tokio bitte sehr Gold geholt werden. „Die Ziele sind bekannt. Momentan interessiert mich nur die EM-Qualifikation im Mai gegen Slowenien“, sagt Prokop. Ziemlich lässig gibt sich der wohl wichtigste Mann im deutschen Handball an seinem ersten Arbeitstag. Wie groß aber die Enttäuschung nach Misserfolgen sein kann, bekam sein Vorgänger nach dem Achtelfinal-Aus gegen Katar bei der WM Anfang des Jahres in Frankreich zu spüren.

Packt es Prekop ohne internationale Erfahrung?

Die Zielsetzungen sind anspruchsvoll. Zu anspruchsvoll für einen Neuling? Immer wieder wird an Prokop kritisiert, dass er mangelnde internationale Erfahrung habe. Mit keinem seiner bisherigen Vereine qualifizierte er sich für den europäischen Wettbewerb, mit Leipzig kämpft er gegen den Abstieg. „Ich kann das nicht entkräften. Die Kritiker haben völlig recht, ich habe keine internationale Erfahrung. Aber ich möchte irgendwann die Zukunft sprechen lassen“, meint Prokop. Und weiter: „Ich bin ein ehrgeiziger Trainer und möchte mich schnell reinfuchsen und international erfolgreich coachen.“

Der Auftritt des ehemaligen Rückraumspielers des HC Wuppertal und GWD Minden wirkt authentisch. Prokop selbst beschreibt sich als „variantenreichen“ und „emotionalen“ Coach. „Ich hebe mich da nicht von anderen modernen Trainern ab“, sagt er. Gefallen an ihm finden dürften auch die Bundesligavereine.

Vor den Länderspielen am Wochenende gab es einen Schulterschluss mit den Clubs, die im internationalen Wettbewerb vertreten sind. Prokop verzichtete bei der Nominierung bewusst auf die Nationalspieler der überlasteten Spitzenteams THW Kiel und Rhein-Neckar Löwen. Beide Vereine treffen bereits am kommenden Mittwoch in der Champions League im deutschen Duell aufeinander. „Ich wollte gleiche Bedingungen für alle schaffen“, erklärt Prokop und äußert an seinem ersten Arbeitstag noch einen Wunsch: „Ich bitte, dass ich die Zeit bekomme, diese Mannschaft kennenzulernen.“