Berlin. Der Hamburger Referee Patrick Ittrich fertigt einen Sonderbericht zu den Ereignissen an. Ancelotti und Jarstein drohen sogar Sperren.

Rangeleien, Verschwörungstheorien, eine Spuck-Attacke und der Mittelfinger von Carlo Ancelotti: Nach dem erneuten Last-Second-Tor des FC Bayern München in der turbulenten XXL-Nachspielzeit von Berlin kochten die Emotionen so richtig über. Selbst der sonst so coole Mister Ancelotti verlor für eine Sekunde die Fassung und zeigte beim Gang in die Kabine wütenden Hertha-Fans den Stinkefinger. Stefan Effenberg lässt grüßen.

Ancelotti gibt Stinkefinger zu

"Ja, ich habe diese Geste gemacht, weil ich angespuckt wurde", gab Ancelotti nach dem nüchtern betrachtet leistungsgerechten 1:1 (0:1) in der ARD-Sportschau zu. Das könnte ein Nachspiel für ihn haben. Am Sonntag wurde bekannt, dass der Kontrollausschuss des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) ab Montag die Vorfälle aus der Schlussphase untersuchen wird. Das bestätigte der DFB dem SID.

Eine Sperre muss Ancelotti aber wohl nicht befürchten. Wegen eines ähnlichen Vergehens war Norbert Düwel im Dezember 2014 als Trainer des Zweitligisten Union Berlin vom DFB zu einer Geldstrafe in Höhe von 3500 Euro verurteilt worden.

Rückendeckung von Watzke und Co

Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke von Borussia Dortmund plädierte im ZDF-Sportstudio ohnehin für Nachsicht mit Ancelotti: "Ich würde jetzt nicht den Stab über ihn brechen wollen. Wenn dir einer von oben auf den Kopf rotzt, dann findest du das nicht so spannend."

Rückendeckung erhielt Ancelotti am Sonntag auch von Gladbachs Trainer Dieter Hecking und Leipzig-Coach Ralph Hasenhüttl. "Ich kann Ancelotti absolut verstehen. Es ist respektlos, wenn man angespuckt wird", sagte Hecking, während Hasenhüttl nach dem 2:1-Sieg in Gladbach erklärte: "Ich wüsste auch nicht, wie ich in der Situation reagieren würde. Keine Ahnung. Und ich bin eher ein ruhiges Gemüt."

Medien: Auch Ittrich bespruckt

Laut Sport1 soll nicht nur Ancelotti, sondern auch Schiedsrichter Patrick Ittrich, der wegen der langen Nachspielzeit den Unmut der Berliner auf sich zog, von Zuschauern angespuckt worden sein. Der Hamburger werde einen Sonderbericht anfertigen.

Vielleicht beschäftigt sich der DFB auch mit dem Vorwurf von Hertha-Coach Pal Dardai. Der Ungar witterte in seiner ersten Enttäuschung wegen der extrem langen Nachspielzeit eine Verschwörung. "Sorry, aber ich glaube, das ist der Bayern-Bonus", wetterte Dardai bei Sky.

Spätestes Tor der Geschichte

Fakt ist: Robert Lewandowskis Ausgleichstreffer nach 95:59 Minuten war das späteste Bundesliga-Tor seit detaillierter Datenerfassung. Dabei hatte der vierte Offizielle nach dem Ende der regulären Spielzeit mit seiner Tafel "nur" fünf Minuten Nachspielzeit angezeigt. Und schon da hatte es gellende Pfiffe von den 74.667 Zuschauern im erstmals in dieser Saison ausverkauften Olympiastadion gegeben.

Auch Vedad Ibisevic, der mit dem 1:0 (21.) seine Torflaute nach 656 Minuten beendete, sprach hinterher von einem Bayern-Bonus: "Warum muss man fünf Minuten nachspielen und dann noch zwei oben drauf? Wo gibt es das sonst? Nur bei den Bayern!"

Der Ärger der Herthaner hatte sich auch schon auf dem Rasen entladen. Torhüter Rune Jarstein schoss nach dem Ausgleich den Ball an den Rücken von Xabi Alonso, woraufhin es zu heftiger Rudelbildung kam. "Das gehört sich nicht, das ist kein Fair Play", kritisierte Bayern-Torhüter Manuel Neuer.

Müller spottet

Der erneut schwache Weltmeister Thomas Müller konnte derweil über den angeblichen "Bayern-Bonus" nur lachen. "Hertha hat von Anfang an nur Zeitspiel gemacht", sagte der Nationalspieler und spottete: "Sie sollen sich mal anschauen, wie viele Krämpfe es ab der 50. Minute gab bei einer Mannschaft, die keine englischen Wochen hat."

Während Müller seine Chance von Beginn an nicht nutzen konnte, glänzte Lewandowski diesmal als Joker. Mit seinem 16. Saisontreffer rettete der Pole die insgesamt schwachen Bayern vor der zweiten Ligapleite rettete. Von der Gala-Form drei Tage zuvor in der Champions League gegen den FC Arsenal (5:1) war das Münchner Starensemble weit entfernt. Wieder einmal. Schon die Rückrundensiege gegen den SC Freiburg (2:1) und den FC Ingolstadt (2:0) hatten sich die Bayern mit ganz späten Toren mehr erarbeitet als erspielt.

Ob das nun der Bayern-Bonus, Dusel, Mentalität oder einfach nur Klasse ist, darüber wird heftig diskutiert.