Hamburg. FC St. Pauli tritt in Bielefeld bei einem direkten Konkurrenten an. Co-Trainer Janßen vertritt erkrankten Lienen

Die Überraschung war im ersten Moment groß, als am Freitagmittag nicht etwa Ewald Lienen, sondern Olaf Janßen zur turnusmäßigen Pressekonferenz vor dem Auswärtsspiel des FC St. Pauli bei Arminia Bielefeld erschien. Das Ganze hatte eine einfache Erklärung, und diese war nicht etwa ein handstreichartiger Trainerwechsel. Vielmehr ist Cheftrainer Lienen von einem Magen-Darm-Virus ausgebremst worden und hatte auch schon am Donnerstag beim Geheimtraining der Mannschaft im Millerntor-Stadion gefehlt.

Um auf keinen Fall noch einen Spieler oder einen der anderen Trainer anzustecken, blieb Lienen auch am Freitag noch daheim, obwohl er sich schon auf dem Weg der Besserung befand. Daher ging Co-Trainer Janßen am Freitag auch davon aus, dass sein Chef beim Spiel am Sonntag (13.30 Uhr, Sky live und Liveticker abendblatt.de) wieder an der Seitenlinie sitzen und stehen kann. Für Lienen wäre es ja auch – zum wiederholten Mal – eine Rückkehr an seine frühere Wirkungsstätte, hatte er doch 1974 bei der Arminia seinen ersten Profivertrag unterschrieben.

Bielefeld holte 15 seiner 17 Punkte im eigenen Stadion

Für ausschweifende Gedanken an die Vergangenheit aber wird sich Lienen am Sonntag, wenn er denn wieder genesen ist, kaum Zeit nehmen. Dafür ist das Spiel der punktgleichen und höchst abstiegsgefährdeten Tabellennachbarn viel zu wichtig. Nach den beiden Siegen gegen die im oberen Tabellendrittel angesiedelten Teams von Eintracht Braunschweig (2:1) und Dynamo Dresden (2:0) gilt es nun, gegen eine Mannschaft zu bestehen, die sich wie St. Pauli im Existenzkampf befindet. „Es wird uns ein Gegner erwarten, der nicht nur hochmotiviert ist, sondern der uns kämpferisch, läuferisch und leidenschaftlich alles abverlangen wird, was in uns steckt. Dem müssen wir uns stellen. Nur wenn wir das schaffen, wird es für uns die Möglichkeit geben, auch dieses Spiel zu gewinnen“, beschrieb Olaf Janßen seine Erwartungen für die Partie auf der „Alm“.

Dazu gehöre auch, so Janßen, dass die Spieler die Tabellensituation und die Tatsache ausblenden, dass es danach noch 13 weitere Punktspiele in der Zweiten Liga geben wird. „Wir stellen die Mannschaft so ein, als wenn es nach diesem Spiel nichts mehr gäbe, damit sie sich voll und ganz darauf konzentriert.“ Es ist also quasi wie ein Endspiel – gerade auch deshalb, weil sich der Sieger von seinem Gegner um drei Punkte absetzen kann.

Auf den FC St. Pauli kommen danach mit der Heimpartie gegen den Karlsruher SC (27. Februar) und dem Gastspiel bei 1860 München (4. März) zwei weitere Spiele zu, die eben diesen Charakter haben. Vor dem ersten dieser „Endspiele“ setzt Co-Trainer Janßen aber auch darauf, dass der jüngste Aufwärtstrend mit elf Punkten aus den jüngsten sechs Spielen mental eine positive Wirkung erzielt hat. „Ich denke, dass die Spieler spüren, dass wir auf dem richtigen Weg sind, und sie daraus eine breite Brust und Selbstvertrauen ziehen. Es geht darum, wie die Mannschaft mit dem jeweils vergangenen Spiel umgeht. Das hat sie zuletzt sehr gut gemacht, sowohl mit dem unglücklichen 0:1 gegen Stuttgart als auch mit dem 2:1-Sieg in Braunschweig“, sagte er am Freitag. „Davon dürfen wir jetzt aber keinen Zentimeter abweichen. Das Spiel wird uns auf eine andere Art herausfordern, als es die ersten drei Rückrundenspiele getan haben.“

Dies gilt es allein schon deshalb zu beachten, weil die Bielefelder in ihren Heimspielen bisher keineswegs wie ein Abstiegskandidat aufgetreten sind. 15 von seinen 17 Punkten hat das Team von Trainer Jürgen Kramny, der das Amt vor drei Monaten übernommen hatte, im heimischen Stadion auf der „Alm“ bisher ergattert. „Die Arminia hat eine deutlich bessere Mannschaft, als es der Tabellenplatz aussagt“, sagt St. Paulis Torwarttrainer Mathias Hain, der zu seiner aktiven Zeit ebenso wie Lienen für die Bielefelder gespielt hat und sich wünscht, dass sie – natürlich ebenso wie St. Pauli – am Ende den Klassenverbleib realisieren werden.

Das Trainerteam Lienen/Janßen wird personell voraussichtlich wenig an der Startaufstellung im Vergleich zu den beiden jüngsten Siegen ändern. Nur Christopher Buchtmann dürfte anstelle des noch angeschlagenen Kyoungrok Choi ins Team rücken und als zentral-offensiver Mittelfeldspieler agieren. Als „Bewacher“ des 1,94 Meter langen Bielefelder Kapitäns und Torjägers Fabian Klos (neun Treffer) bietet sich das zuletzt so überzeugend auftretende Duo Lasse Sobiech (1,96 Meter) und Marc Hornschuh (1,88 Meter) geradezu wieder an. Zuletzt hatten die beiden den körperlich ähnlich gebauten Dresdner Mittelstürmer Stefan Kutschke (1,94 Meter) in den Griff bekommen.