Hamburg. Hinter den Oberligamännern der Crocodiles Hamburg steht eine Gruppe von Förderern, die ehrenamtlich den Spielbetrieb ermöglichen.

Keine Sekunde müssen sie überlegen. „Es gibt niemanden, der sich wünscht, dass alles wieder so wäre wie vor einem Jahr. Es ist genau das, was wir wollen“, sagt Solveig Marxen, die alle nur „Solly“ nennen. Wenn man weiß, was sie leisten, die Mitglieder des Fördervereins der Crocodiles Hamburg, mag man das einerseits kaum glauben angesichts der ehrenamtlichen Arbeitsstunden, die sich angehäuft haben, seit die Oberligamänner des Clubs nach dem Aus der Freezers im Mai vergangenen Jahres über Nacht Hamburgs erste Eishockey-Adresse wurden.

Andererseits ist es gar nicht verwunderlich, denn was die guten Geister im Hintergrund auszeichnet, ist ihre tiefe Verbundenheit zum Farmsener Traditionsverein. Sie sind bereit, Freizeit und Arbeitskraft zu opfern, damit ihr Traum, mittelfristig in der Zweiten Liga antreten zu können, in Erfüllung gehen kann. „Zusammenhalt und Teamgeist, darauf kommt es an. Wir sind eine Einheit, auf dem Eis und dahinter, und das leben wir“, sagen sie. Doch wer sind die Menschen im unbezahlten Dienst der Krokodile? Das Abendblatt war auf Spurensuche.

Der Vorsitzende

Das Eisland Farmsen, die Heimspielstätte der Crocodiles am Berner Heerweg, kennt Calli Götz wie sein eigenes Wohnzimmer. 37 Jahre lang, seit der Eröffnung der Halle 1978, war er Pächter der Gastronomie gewesen. Als er sich zur Ruhe setzen wollte, fragte man ihn, ob er sich nicht vorstellen könne, den Vorsitz im Förderverein zu übernehmen. Man brauche halt pro forma jemanden, machen müsse er nichts, sagten sie ihm. „Und das stimmte damals auch fast“, sagt der 67-Jährige.

13 Mitglieder hat der Förderverein, und diese Förderer sind keine Sponsoren, sondern Unterstützer, die alle ein Amt bekleiden müssen. Natürlich habe niemand ahnen können, wie sich der Aufwand mit dem neuen Stellenwert des Teams verändern würde. „Der Sprung war eine riesige Herausforderung für alle, aber wir haben ihn ganz gut gemeistert“, glaubt Calli Götz, der mit seinen guten Beziehungen zu Hallenbetreiber Bäderland, seiner diplomatischen Ader und seinem handwerklichen Geschick eine Art Ausputzer an vielen Stellen spielt. Den Stolz auf sein Team, den muss er nicht spielen, der ist echt. „Ohne die guten Geister ginge hier gar nichts. Darauf dürfen wir auch mal stolz sein!“

Die Fanversteher

Als Solly Marxen in der vergangenen Saison als Vertretung für eine erkrankte Kollegin den Ticketverkauf für Heimspiele übernahm, da sah ein typischer Spieltag so aus, dass sie eine Stunde vorm ersten Bully die Kasse öffnete und allen Besuchern ihre Eintrittskarten verkaufte. „Vorverkauf gab es praktisch nicht, online haben wir vielleicht mal zwei Karten verkauft. Trotzdem gab es nie Schlangen an der Kasse“, sagt sie. 254 Besucher kamen in der Spielzeit 2015/16 im Schnitt, sechs Unentwegte hatten Dauerkarten. Solly, die in Vollzeit als Lohn- und Gehaltsbuchhalterin bei einem Sicherheitsunternehmen arbeitet und seit vielen Jahren als Fan zu den Crocodiles und den Freezers ging, konnte die Abrechnung bequem an einem Feierabend erledigen.

Als nach dem Freezers-Aus die Verpflichtung von Kapitän Christoph Schubert bekannt wurde, änderte sich das Leben der 55-Jährigen schlagartig. Am Tag der Verpflichtung wurde die Dauerkartenhotline freigeschaltet – auf einem Diensthandy, das Solly Marxen bediente. „Das Ding ist fast explodiert!“, sagt sie und lacht ihr ansteckendes Lachen. Alle 1000 Saisontickets hat sie persönlich ausgedruckt und versendet. Den Vorverkauf für Einzelkarten haben sie an den Onlineanbieter Eventim ausgelagert. An Spieltagen sitzt Solly dennoch zwei Stunden vor Beginn an der Kasse – und freut sich über die Fans, die Schlange stehen. Montags und freitags hat sie jetzt frei, um die Arbeit zu schaffen, die die Crocos machen – Abrechnungen, Bankgeschäfte, die Finanzen eben. Dennoch muss sie oft auch Abendschichten einlegen.

Zum Glück hat sie einen Lebensgefährten, der nicht nur Verständnis aufbringt, sondern mindestens genauso verrückt ist. Ob er sich nicht vorstellen könne, den Fanshop auf Vordermann zu bringen, war Ronny Schulz gefragt worden. Weil sich der 53-Jährige, der nach der Wende aus Anklam nach Hamburg kam, als Angesteller im Versand des Pharmaziekonzerns Johnson & Johnson mit Vertrieb auskennt, sagte er im November 2015 zu. „Damals gab es im Fanshop Schals und Trikots, verkauft haben wir in meiner ersten Saison genau zwei Trikots“, sagt er.

Zur neuen Spielzeit wurde das Sortiment komplett überarbeitet und neu aufgebaut. Geöffnet hat der Shop in der Arena an Spieltagen, online kann mittlerweile auch bestellt werden. Dass er 400 Trikots und rund 1200 Schals verkaufen würde, hätte Ronny Schulz allerdings niemals erwartet. „30.000 Euro Umsatz waren unser Ziel. Aber das war so schnell erreicht, dass ich mir für die Spieltage sogar eine Aushilfe für den Verkauf suchen musste“, sagt Ronny. Was allerdings auch darin begründet liegt, dass er zusätzlich zum Merchandising auch noch die Ausrüstung der Mannschaft verantwortet. Das heißt, er ist in jedem Training und bei jedem Spiel gefragt, wenn ein Schläger kaputt geht oder es an Schutzkleidung hapert, und muss laufend das Sortiment neu bestücken. „Die Stunden, die dabei zusammenkommen, zähle ich nicht“, sagt er.

Die Off-Ice-Organisatoren

Zählen ist das Metier von Günther Meier und seinem zehnköpfigen Team. Der 71-Jährige muss, gemeinsam mit dem als „wandelndes Regelwerk“ bekannten Hallenorganisator Joachim Plog, dafür sorgen, dass der Spielbetrieb ordnungsgemäß durchgeführt werden kann. Er wechselte zu dieser Saison aus dem Volkspark nach Farmsen und kann der Oldschool-Atmosphäre vieles abgewinnen. „Die Crocos sind Eishockey pur. Dagegen waren die Freezers Puschenkino“, sagt er.

Zwei Stunden vor Spielbeginn bereiten Meier und seine Helfer die Spielberichtsbögen vor, sie schreiben Zusatzmeldungen, wenn Spielerpässe nicht vorliegen oder Trikots getauscht werden müssen. Während der Partien sorgen sie für die Zeitnahme, für das Protokollieren, die Kontrolle der Strafbänke, aber auch für das Führen der Spieldaten und des Livetickers. Wenn im Anschluss an die Spiele die Nachbereitung erledigt ist, haben sie sechs Stunden für ihr Hobby aufgebracht. Und das machen sie nicht nur für das Oberligateam, sondern auch für die unteren Herrenmannschaften. „Wir lieben den Sport, deshalb machen wir es gern“, sagt Günther Meier.

Die Techniker

Dass der Hunger der Fans auf Nachrichten ebenso stark gewachsen ist wie ihre Anzahl, haben die Crocodiles um ihren Medien- und Marketingchef Nils Abraham schnell erkannt. Insofern war klar, dass es einen modernen Internetauftritt geben musste. Und wer diesen verantworten sollte, war auch klar: Heiko Stammer. Der 45-Jährige hatte 2008 seinen damals fünf Jahre alten Sohn bei den Crocodiles angemeldet und so zum Eishockey gefunden. Seinen Lehrberuf als Tiefdrucker hatte er 2009 aufgegeben, um professioneller Webdesigner zu werden.

Mit seinem Helfer Niklas Doerksen versucht er seit dem vergangenen Sommer nun, die Fans mit Neuigkeiten zu versorgen. „Unser Ziel war, jeden Tag eine neue, spannende Geschichte ins Netz zu stellen. Das ist uns ganz gut gelungen“, sagt er. Die Facebookseite, die er allein betreut, hat mittlerweile rund 10.200 Likes. „Das nächste Ziel ist, den HSV Handball einzuholen“, sagt Stammer. Der hat 10.700 Fans.

Während der Spiele ist Heiko Stammer nicht beschäftigungslos, im Gegenteil. Er schneidet die Highlight-Videos zusammen, die über die LED-Wand und live in den VIP-Raum übertragen werden. Zuständig dafür, dass das technisch funktioniert, ist René Stoll. Der Diplomingenieur für Elektrotechnik war 2012 von Vereins-Urgestein Wolfgang Asmuß angeworben worden, um im VIP-Raum, der damals noch eine Abstellkammer war, die Liveübertragung des Spiels auf einen Breitbildschirm zu ermöglichen.

Anfangs filmte Stoll die Spiele noch selbst, mittlerweile verlässt sich der 42-Jährige auf sein Team, das ihm den Rücken freihält, damit er die zu dieser Saison neu angeschaffte LED-Wand bedienen kann. „Wir machen alles in Eigenregie, weil wir uns keine Handwerker oder Techniker leisten können“, sagt er, „aber wir sind noch ganz am Anfang und müssen uns enorm entwickeln, um zu erreichen, was wir erreichen wollen.“

Und dennoch: Jetzt, da die Play-offs so gut wie sicher erreicht sind und der Verein sportlich auf den Weg eingebogen ist, von dem vor einem Jahr niemand zu träumen wagte, können auch die guten Geister der Crocodiles zufrieden auf das Geleistete blicken. „Alle im Förderverein sind mit Feuer und Flamme dabei und freuen sich, dass so viel Mühe endlich belohnt wird“, sagt Marketingmann Abraham.

Sich darauf auszuruhen, das käme keinem von ihnen in den Sinn. Einen Wunsch, den haben sie noch, nachdem ihnen in den vergangenen Monaten so einige Träume erfüllt worden sind. „Wir brauchen dringend Menschen, die uns unterstützen“, sagt René Stoll. „Fans, die es ernst meinen. Die nicht nur schnacken, sondern anpacken.“ Und die nicht eine Sekunde überlegen müssen, wenn es darum geht, alles zu geben für ihre Crocodiles.