Leipzig/Darmstadt. Nach dem Skandal von Dortmund reagieren die RB-Anhänger mit friedlichen Protesten. Was macht der DFB?

Dieses Mal hielten die Fans von RB Leipzig Spruchbänder hoch. Banner mit Aufrufen gegen Gewalt. Eine Woche nach den geschmacklosen Schmähplakaten im Stadion von Borussia Dortmund wollten die Anhänger des Aufsteigers vor und während der Partie in der Red Bull Arena gegen den HSV (0:3) ein Zeichen setzen. „Das war ja auch ein bisschen ein Signal an den Rest von Deutschland, wie wir gegnerische Fans begrüßen und dass bei uns eine hohe Willkommenskultur herrscht“, sagte RB-Sportdirektor Ralf Rangnick.

In der neunten Minute – entsprechend dem RBL-Gründungsjahr 2009 – hielten sämtliche RB-Fans im ausverkauften Stadion ihre Schals hoch und sangen: „Wir sind Leipzig, Rasenballsport Leipzig ...“ Auf einem Plakat, das ebenfalls in die Höhe gereckt wurde stand: „Bei uns sind Gäste gern gesehen – egal, ob Stuttgart, Dortmund oder Bremen.“ Schon vor dem Anpfiff hatten die Leipziger Anhänger zahlreiche Spruchbänder ausgerollt, mit klaren Aussagen gegen Gewalt, manche auch mit einem ironischen Unterton: „Lieber Freunde mit Kommerz als Krankenhaus und Schmerz.“

Auch im Stadion-Heft „Flugblatt“ gab es eine Aktion. Auseinandergeklappt stand dort entweder „Vielfalt“, „Offenheit“, „Team“ oder „Respekt“. Das seien die Werte, für die Leipzig stehe, betonte der RB-Stadionsprecher. Die Leipziger Vereinsverantwortlichen sind sich aber auch darüber im Klaren, dass sie ihren Teil dazu beitragen müssen, dass diese Stimmung so bleibt. „Wir wissen, dass wir hier auch in den nächsten zehn Jahren nicht im Elfenbeinturm leben oder dass bei uns die Atmosphäre automatisch so bleibt, wie sie jetzt ist“, sagte Rangnick.

HSV-Chef Heribert Bruchhagen war voll des Lobes über die Leipziger Zuschauer. „Die Menschen in Leipzig sind voller Enthusiasmus.“ Bruchhagen dürfte es jedoch nicht gefallen haben wird, dass im Fanblock der Hamburger wiederholt Pyrotechnik abgefackelt wurde. Zudem soll es nach dem Spiel zu Auseinandersetzungen zwischen Leipziger Ordnern und HSV-Anhängern gekommen sein. Die Polizei Sachsen prüft entsprechende Hinweise.

Polizei findet Sturmhauben in Dortmunder Fanbus

Während die Atmosphäre in Leipzig aber überwiegend friedlich ausfiel, sorgte bei den Dortmundern ein neuer Vorfall für Missstimmung. Schon vor dem 1:2 bei Darmstadt 98 sickerte durch, dass die hessische Polizei in der Nähe von Gießen nach einem Tipp zwei Busse kontrolliert hatte, die auf dem Weg nach Darmstadt waren – und bei den 90 Insassen allerlei Dinge gefunden hatte, die eher nicht benötigt werden, um ein Fußballspiel friedlich zu verfolgen: Pyrotechnik, Kampfsporthandschuhe, Schmerzmittel, Drogen. Und Sturmhauben in Schwarz-Gelb, darauf das BVB-Logo.

Es war ein Vorfall, der viel sagt über die speziellen Schwierigkeiten der Dortmunder Fanszene und die Hilflosigkeit von BVB und Deutschem Fußball-Bund, damit umzugehen. Denn die 90, die da auf dem Weg nach Darmstadt unterwegs waren, scherten sich erkennbar wenig darum, dass sie ihrem Verein abermals einen Bärendienst erwiesen. „Wer mit Sturmhauben, Pyrotechnik und Kampfausrüstung im Namen von Borussia Dortmund unterwegs ist, missbraucht die Farben und Werte unseres Vereins“, empörte sich der Verein in einer Mitteilung.

BVB-Führung und Ultras führen ohnehin ein schwieriges Verhältnis: Einerseits braucht der Club seine emotionalen Anhänger – gerade aktuell ist immer wieder zu sehen, um wie viel leichter sich die junge Mannschaft tut, wenn sie vom eigenen Publikum leidenschaftlich nach vorne gepeitscht wird. Doch gerade der besonders laute Kern hat immer auch Ärger bereitet, wenn er Pyrotechnik abbrannte. Der BVB hat den Kurs zuletzt verschärft, Stadionverbote ausgesprochen und einigen Gruppen die Auswärtsdauerkarten entzogen.

Für den Club ist es eine Gratwanderung. Je weiter er die Daumenschrauben anzieht, desto mehr könnten sich die moderaten unter den Ul­tras mit jener neuen, offenen gewaltbereiten Gruppe solidarisieren. Mit jenen Männern, die aus der Kampfsportszene kommen, die sich vor Spielen mit Drogen aufputschen und vor denen, so hört man, auch die mit großem Einfluss in den etablierten Ultragruppen Angst haben.

Bis zum Mittag müssen sich die Verantwortlichen entscheiden, ob sie den Antrag des DFB-Kontrollausschusses annehmen. Aus dem Club ist zu hören, dass man mit einer harten Strafe zwar gerechnet hatte – die Sperrung der Südtribüne aber doch als zu drastisch empfunden wird – weil so 25.000 Zuschauer für etwas büßen, das vielleicht 500 begangen haben. Und weil der DFB als Begründung auch zurückliegende Vorfälle wie ein beleidigendes Plakat beim Auswärtsspiel in Leipzig 2016 anführte. Der BVB hat die Wahl: Nimmt er den Antrag an und verprellt die Fans – oder legt er Widerspruch ein und erweckt den Eindruck Gewalttäter zu verteidigen.