Benedikt Doll verblüfft beim WM-Sprint in Hochfilzen die gesamte Biathlon-Elite. Er lieferte ein perfektes Rennen ab.

Hochfilzen. Mark Kirchner ähnelt einem Vulkan. Die meiste Zeit ruht er in sich. Doch wenn es einmal zur emotionalen Eruption kommt, dann sprudelt es gewaltig aus ihm heraus. Am Sonnabendnachmittag, als die Sonne das neue Hochfilzener Skistadion in grelles Licht tauchte, war es wieder soweit. Nahezu regungslos verfolgte der Herren-Bundestrainer den letzten Kilometer von Johannes Tignes Bö am Monitor und sah, wie dessen Vorsprung auf Benedikt Doll immer weiter schmolz. Zehn Sekunden betrug das Polster, das der junge Norweger gegenüber dem jungen Deutschen mit auf die Schlussrunde nahm. Beide hatten sich am Schießstand keine Blöße gegeben und lieferten sich eines der packendsten Fernduelle in der Sprint-Geschichte einer Biathlon-WM.

Als Bö die Bestzeit Dolls nach zehn Kilometern um die Winzigkeit von 0,7 Sekunden verpasste, riss Kirchner die Arme in die Höhe, hüpfte wie ein Rumpelstilzchen umher und schrie seine Freude heraus. Die Mehrzahl der 14 300 Zuschauer stimmte kurz darauf laut im Chor an: „Oh, wie ist das schön...“ Und der Überraschungssieger schüttelte immer fassungslos den Kopf: „Ich dachte nach dem Stehendschießen, Johannes macht es. Und ich wäre auch mit Silber glücklich gewesen. Dass es noch für mich gereicht hat, ist unglaublich; ein ganz besonderer Moment.“

Auf dem dritten Platz landete der Franzose Martin Fourcade, der zwei Scheiben stehen ließ. Simon Schempp belegte den neunten Rang. Arnd Peiffer wurde Zwölfter, Erik Lesser enttäuschte mit drei Stehendpatzern und Platz 37. „Es war uns klar: Wenn er mal durchkommt, ist er ein Kandidat für ganz vorne“, sagte Peiffer, der 2011 als fünfter und bislang letzter Deutscher einen WM-Sprint gewonnen hatte. Und Trainer Kirchner ergänzte: „Ich habe immer an Benni geglaubt. Einfach klasse.“

Doll noch nie auf dem Podest

So unverhofft sein erster Einzelsieg auch kam: Doll ist kein Überraschungstalent, das plötzlich am Biathlon-Himmel fiel. Der Schwarzwälder stammt aus einer sportbegeisterten Familie, die Bewegung wurde ihm praktisch in die Wiege gelegt. Sein Urgroßvater war Gründungsmitglied des Deutschen Ski-Verbandes, sein Vater ein erfolgreicher Berg- und Langstreckenläufer, seine Mutter eine starke Marathonläuferin. Mit vier Jahren stand er bereits auf Skiern, mit sieben probierte er es mit dem Schießen. Später wurde er bei den Junioren vier Mal Weltmeister mit der Staffel und Vizeweltmeister im Einzel. Das größte Plus waren schon immer seine schnellen Beine.

2013 wechselte der Blondschopf von Furtwangen nach Oberhof; bildete unter anderem mit Peiffer und Lesser eine starke Trainingsgruppe, die sich gegenseitig nach vorn trieb. Auch in dieser Saison gehörte Doll meist zu den Laufbesten der Szene, doch vor allem beim Stehendschießen patzte er zu häufig. Nur zweimal schaffte er es unter die Top Ten, aber nie aufs Podest. Dass es ausgerechnet bei der WM klappte, hatte auch mit einer offensiveren Herangehensweise zu tun.

Doll mit einem „perfekten Rennen“

„Ich habe mir das erste Mal vorher selbst gesagt: Ich will das Ding gewinnen“, gestand der 26-Jährige nach seinem Triumph. Weil er erst mit der Startnummer 82 ins Rennen ging und sich vom Rennverlauf nicht ablenken lassen wollte, setzte Doll zudem auf beruhigende Atem- und Konzentrationsübungen. Gepaart mit dem Selbstvertrauen, das er sich in den Trainingseinheiten am Schießstand geholt hatte, lieferte er schließlich ein „perfektes Rennen“ ab.

Noch vor der abendlichen Siegerehrung auf dem Hochfilzener Marktplatz feierte das deutsche Team seinen Sprint-Helden im Zielraum ausgelassen. Kirchner, der zwischen 1990 und 1993 selbst dreimal Sprint-Weltmeister wurde, meinte flachsend: „Auch ich habe es damals nur einmal im Jahr geschafft, zweimal Null zu schießen.“ Aber manchmal reicht das eben zum großen Coup.