Hamburg. Fußballer Benedikt Höwedes, Formel-1-Pilot Nico Hülkenberg und Ex-Profi Hans Sarpei sind die ersten Klienten von Arne Friedrich.

Eigentlich hätte er sauer sein können. Oder beleidigt. Den Stammplatz verloren. Ausgerechnet an einen Newcomer. Doch Benedikt Höwedes bewies Größe. Als der Schalker Nationalspieler während der Fußball-Europameisterschaft im vergangenen Sommer seinen Arbeitsplatz an den Bayern-Kollegen Joshua Kimmich abgeben musste, postete er, dass es die richtige Entscheidung des Bundestrainers sei. Die Fans honorierten das öffentliche „Der-andere-ist-besser“-Eingeständnis mit 34.000 Likes auf Facebook. Damit gehörte der Abwehrspieler während der EM zu den deutschen Siegern in den sozialen Netzwerken, wie Untersuchungen des Instituts für Fußballmanagement in Ismaning zeigten.

Ehrlichkeit wird von den Fans belohnt

Das passt. Denn auch im aktuellen Soccer Star Check von Jung von Matt/Sports, einer Studie zur Markenstärke und der Beliebtheit bei den Fans, hat Höwedes an Profil gewonnen. Er belegt hinter Sieger Jerome Boateng, dem Münchner Abwehrchef, in diesem Jahr Platz neun von 50 prominenten Fußballprofis. „Dabei sind es vor allem seine mutigen Statements, die seinem Gesamtbild Konturen verleihen“, heißt es in der Auswertung. Ehrlichkeit wird von den Fans belohnt.

Höwedes sowie der Formel-1-Pilot Nico Hülkenberg sind neben Ex-Fußballprofi Hans Sarpei offiziell die ersten drei Klienten von Jung von Matt/Stars, einem Ableger der Jung von Matt/Sports GmbH. Die Hamburger Agentur plant mit dem Einstieg in die Markenberatung für Persönlichkeiten die Eroberung eines Geschäftsfeldes, das es ihrer Einschätzung nach bislang so noch nicht gibt. Erstmalig wird eine Werbeagentur auf einem Feld aktiv, das bislang das klassische Geschäft von Spielerberatern und Managementagenturen war.

Nachhaltig soll die Marke sein

„Wir wollen erfolgreiche Sportler zu einer nachhaltigen Marke aufbauen“, sagt Arne Friedrich, lange Jahre Bundesligafußballer und einer der Chefs der neuen Einheit. „Und nachhaltig heißt für uns, wir helfen während der aktiven Zeit am Aufbau der Karriere danach. Dabei verstehen wir uns allerdings eher als Boutique und nicht als Großhändler.“

Jung von Matt, so der Plan, bietet Agentur-Know-how auf höchstem Niveau, Beratererfahrung, Social-Media-Kompetenz und Vermarktungsprofis als Gesamtpaket. Aussagefähige Mediadaten und Algorithmen haben längst das Bauchgefühl gut vernetzter Berater vergangener Zeiten ersetzt. Der zu vermarktende Profi von heute wird passgenau ausgeleuchtet und erst dann in eine lukrative Partnerschaft vermittelt. Eine Win-win-Situation für beide Seiten.

Dahinter steht auch die Erkenntnis, dass die wenigsten Profis nach dem Ende ihrer sportlichen Karriere ausgesorgt haben. Das Gros muss für sich klären, was zu tun ist, wenn die mediale Aufmerksamkeit nachlässt. Wenn die vorgegebene Struktur im Alltag plötzlich fehlt, Finanzfragen geklärt und Vorsorgen getroffen werden müssen. Oder schlimmstenfalls, wenn eine Verletzung die Karriere ungeplant und vorzeitig beendet. Untersuchungen belegen, dass 20 bis 25 Prozent der Profifußballspieler nach der Karriere pleite oder überschuldet sind.

Der Inhalt des Lebens

„Golf spielen, Reisen, ein bisschen repräsentieren wären mir für mein Leben als Inhalt nach dem Leistungssport zu wenig gewesen“, sagt Friedrich, der mal Industriekaufmann gelernt hat und inzwischen 37 Jahre alt ist. „Mir war deshalb schon früh klar, dass ich einen Plan B für danach brauchte.“ Der ehemalige Nationalspieler mit Erfahrungen in der Major League Soccer in Amerika sowie als Co-Trainer in der U-18-Nationalmannschaft, hat es geschafft. Er scherte im Dezember des vergangenen Jahres als Berater bei einer der erfolgreichsten deutschen Werbeagenturen ein und führt mit dem Werbeprofi Toan Nguyen sowie bislang fünf Mitarbeitern den JvM-Ableger Stars.

Was entscheidend ist

Friedrich gehört noch zu jener Generation von Fußballspielern, für die Facebook, Youtube, Instagram und Snapchat während der aktiven Zeit kaum eine Rolle spielten. „Das ist heute anders“, sagt er. „Ohne Präsenz in den sozialen Netzwerken kann man seinen Markenwert kaum steigern.“ Neben dem sportlichen Erfolg, der für jeden sichtbar ist, sind die Aktivitäten auf den Kommunikationsplattformen im Internet inzwischen mitentscheidend für das Vermarktungspotenzial. Social-Media-Auftritte sind längst Bestandteil von Verhandlungen über Vergütungsmodelle. Und Agenturen buhlen zunehmend um die Führung der Internetpräsenz der Topspieler. Nationalspieler Mesut Özil beispielsweise ist mit 30 Millionen Fans der deutsche Facebook-König. International ist es Cristiano Ronaldo, der Weltfußballer 2016, mit mehr als 200 Millionen Followern.

Mesut Özil hat 30 Millionen Facebook-Fans
Mesut Özil hat 30 Millionen Facebook-Fans © dpa

Maßstab Social-Media

Aber auch für die Zeit danach ist das Ranking in den Social-Media-Listen und das daraus resultierende Profil wichtig. Dass sich der Big Player Jung von Matt von Hamburg aus nun dem Markenaufbau von Sportstars zuwendet, macht Sinn. Schon nach der Gründung der Unternehmenstochter Sports mit den Geschäftsführern Katja Kraus und Christoph Metzelder, beide ebenfalls ehemalige Schwergewichte der Fußballszene, hatte sich den Werbern gezeigt, welches Potenzial mehr denn je in diesem Volkssport und seinen Protagonisten liegt. In den vergangenen drei Jahren wurde JvM/Sports für seine Kampagnen nicht nur branchenintern jedes Jahr als Nummer eins ausgezeichnet. Zu den Kunden zählen unter anderen klangvolle Namen wie der Deutsche Fußball-Bund, der Deutsche Olympische Sportbund, Hertha BSC, die Elbphilharmonie und natürlich Sportartikelhersteller Adidas.

„In dieser Zeit hat sich verstärkt, dass nicht nur Verbände, Vereine und Sportartikelhersteller an einer Marken- und Imageführung von uns interessiert sind, sondern zunehmend auch Athleten“, sagt Marketingfachfrau Kraus, in dieser Funktion acht Jahre lang Vorstandsmitglied beim HSV und inzwischen auch als Autorin von Büchern erfolgreich. Als sich die Anfragen nach Beratung häuften, sogar von Managern und Beratern selbst, sei die Idee zur Gründung einer Abteilung für Menschen als Marken gereift.

Eigene TV-Show

Die Chancen für die fußballspielende Klientel, an gute Verträge zu kommen, hat sich durch die virale Internetkommunikation mit den Fans gesteigert. Hans Sarpei, leistungsmäßig als Bundesligaprofi in Wolfsburg, Leverkusen und Schalke eher unauffällig, ist einer der ersten Sportstars der deutschen Social-Media-Szene mit guten Werbeverträgen, einer eigenen TV-Show und einem Siegerauftritt 2015 beim Fernsehsender RTL in „Let’s Dance“. Dem ironisch kommentierenden Deutsch-Ghanaer gelang, was in der unübersichtlichen Onlinewelt unabdingbar ist: ein scharfes Profil und unverwechselbare Eigenschaften. „Die Chancen, den eigenen Markenwert zu steigern, sind auch für Spieler, die nicht top sind, durch Social Media so gut wie noch nie“, sagt Christoph Oberlehner vom Institut für Fußballmanagement in Ismaning.

Erschöpfte Raucher

Eine dort gerade vorgestellte Studie belegt allerdings, wie wichtig es nach wie vor ist, dass die Profis langfristiger planen. Zwar steigerte sich der Anteil derjenigen deutschen Fußballspieler, die ein Fachabitur oder Abitur haben, seit 2012 um zwölf Prozent auf zwei Drittel insgesamt. Doch die abgefragten Daten zeigen auch, wie groß die Gefahr ist, den Alltag nach der Karriere nicht zu bewältigen. So beträgt der Anteil der Ex-Profis, die nach dem Karriereende an Depressionen erkranken, 39 Prozent, 42 Prozent zeigen ein auffälliges Essverhalten, 32 Prozent trinken zu viel, 18 Prozent leiden an Erschöpfung, zwölf Prozent rauchen, ebenfalls zwölf Prozent bekommen einen Burnout, und immerhin fünf Prozent leiden unter einem niedrigen Selbstwertgefühl. „Es geht darum, Selbstverantwortung zu entwickeln“, sagt Oberlehner.

Zweites Leben

Genau an diesem Punkt wollen die Berater von JvM Stars ansetzen. „Wichtig ist, auch nach der aktiven Karriere positiv wahrgenommen zu werden“, sagt Katja Kraus. Sie glaubt allerdings, dass nur diejenigen einen gelungenen Übergang ins zweite Leben schaffen, die Substanz nachgewiesen und ein klares Profil gezeigt haben. „Und das ist nach wie vor untrennbar mit Leistung verbunden“, sagt sie. Eine Studie belegt, dass 59 Prozent der Nationalspieler einen eigenen Werbevertrag haben, der Rest nicht.

Schon jetzt warnen Experten zudem davor, die jungen Spieler nicht allein zu lassen in einer Welt, in der Orientierung und Werthaltigkeit nur schwer herauszufiltern sind aus der Kakophonie der meinungsfreudigen Internetwelt und einer öffentlichen Beobachtung, die es so intensiv auch noch nie gab. „Neben den Chancen sind die Risiken gewachsen, sich durch ein negatives Image die beruflichen Chancen zu verbauen“, sagt Friedrich. „Auch deshalb sind professionelle Karriereförderung und eine positiv begleitete Persönlichkeitsentwicklung wichtig.“

Diskretion gehört dazu

Ein gutes Beispiel dafür ist Marcell Jansen vom HSV. Der begann schon früh, für das Leben danach zu planen, interessierte sich auch abseits des Spielfeldes für Lebensentwürfe und Businesspläne und beendete seine Laufbahn als 29 Jahre alter Profi zu einem Zeitpunkt, den andere als zu früh kritisierten. Heute hat er eine eigene Berateragentur, entwickelt Fußballkonzepte für den TV-Sender Sky und gilt als Musterbeispiel für erfolgreiche Karriereplanung. Der eine oder andere Profi fühlt sich schon vom JvM-Angebot angesprochen. Inzwischen habe man zwei neue Kunden hinzugewonnen, erzählt Friedrich. Namen würden allerdings nicht genannt. Deren Pläne für später seien an Diskretion gekoppelt. Durchaus im Sinne der Vermarktungsprofis aus dem Karolinenviertel. „Man muss sich vorher klarmachen, ob der Werbevertrag oder der TV-Auftritt zu mir und meinen Zielen passt“, sagt Friedrich. „Man kann durch falsche Entscheidungen viel kaputt machen.“

Ex-Profi Thorsten Legat, einst eisenharter Verteidiger, ist ein Beispiel, wie man auch mit negativem Image berühmt werden kann. Er feilt seit einiger Zeit erfolgreich am profitablen Profil Vollproll. Bezahlte Fremdschämauftritte im RTL-Dschungelcamp, „Schlag den Star“ und „Hells’s Kitchen“ mit danach ausufernden Diskussionen im Netz sichern ihm eine gewisse Fangemeinde und öffentliche Wahrnehmung. Auch für diesen Weg nach dem Leistungssport stehen Facebook und Co.