Dortmund/Köln. Nach der Nicht-Berücksichtigung gegen Leipzig nimmt die Debatte um Deutschlands Weltmeister-Macher wieder an Fahrt auf.

Pep Guardiola und Thomas Tuchel sind in ihrer Fußball-Besessenheit erklärtermaßen Brüder im Geiste. Auch in der Beurteilung von Deutschlands WM-Held Mario Götze sind sich der spanische Ex-Coach von Meister Bayern München und der nicht weniger perfektionistisch veranlagte Trainer von Bundesligist Borussia Dortmund offenkundig recht einig - sowohl in München unter Guardiola als auch nach seiner "Heimkehr" im vergangenen Sommer zum BVB unter Tuchel erreichte das einstige "Wunderkind" Götze bestenfalls den Status eines Ergänzungsspielers.

Aber können zwei so anerkannte Fachmänner so irren? Oder hat Götze mit erst 24 Jahren seine beste Zeit womöglich schon hinter sich? In Dortmund hat die pikante Dauerdebatte vor dem Pokal-Achtelfinale am Mittwoch (20.45 Uhr/ARD und Sky) gegen den Ligarivalen Hertha BSC längst hohen Nervfaktor: Nachdem Götze beim 1:0 am vergangenen Sonnabend gegen RB Leipzig schon zum sechsten Mal nur Bankdrücker sein durfte und danach Sprintübungen im leeren Stadion absolvieren musste, lehnte Tuchel jede "Diskussion über Ersatzspieler" rigoros ab: unpassend und wenig zielführend.

Matthäus spricht von "Ohrfeige"

"Das ist eine Ohrfeige für Götze", ordnete Rekordnationalspieler Lothar Matthäus den gesamten Vorgang als "Sky"-Experte fast noch als Majestätsbeleidigung ein. Doch im Gegensatz zum Weltmeister-Kapitän von 1990 sehen inzwischen immer mehr Experten vor allem Götze, den die BVB-Bosse dem Vernehmen nach mehr als "verlorenen Sohn" denn als Tuchels Wunschkandidaten zurückgeholt haben sollen, selbst in der Verantwortung.

"Das ist eine klare sportliche Entscheidung von Tuchel - und keine persönliche oder menschliche", betonte Dortmunds Ex-Nationalspieler Christoph Metzelder. Götzes finsterer Miene auf der Bank gegen Leipzig zufolge schätzt der "traurigste Weltmeister" ("Bild"-Zeitung) seine Lage möglicherweise selbst anders ein. "Was Engagement, Professionalität, Einstellung und Leistungsbereitschaft angeht", meinte Götze vor dem Liga-Start nach der Winterpause in einem Interview zuletzt noch, "bin ich völlig auf meinem Weg."

Götze erhält auch Rat von Klose

Als Ausdrucks eines Reifeprozesses wollte der Mittelfeldstar zudem Einsicht ins kleine Fußball-Einmaleins verstanden wissen: "Zum Fußball, so komplex wie er heute ist, gehört mehr: Laufleistung, Intensität, Fleiß."

Quo vadis, Mario? Dortmunds Nr. 10 beim Training am Sonntag
Quo vadis, Mario? Dortmunds Nr. 10 beim Training am Sonntag © Imago/DeFodi

Seine Selbstwahrnehmung indes weicht erheblich vom Urteil kompetenter Beobachter ab: Immer weniger glauben an eine fatale Wiederholung des Missverständnisses, als das sein Wechsel von 2013 nach München nach den Problemen unter Guardiola noch lange dargestellt worden war, und fordern von Götze eine Bringschuld ein. "Er muss sich weiterentwickeln und lernen - lernen wollen", mahnte sein Weltmeister-Kollege Miroslav Klose vieldeutig zu Wochenbeginn im kicker-Interview.

Stevens fordert Leistung

Der erfahrene Bundesliga-Coach Huub Stevens brach die Diskussion unterdessen im Sport1-"Doppelpass" auf die Kardinalfrage herunter: "Mario Götze bringt nicht die Leistung. Wenn er seine Leistung bringt, spielt er auch. Es ist nicht wichtig, was gewesen ist, sondern was jetzt ist. Dass er Weltmeister geworden ist, ist schön, aber Vergangenheit. Es geht nicht um den Einzelnen, es geht um die Mannschaft. Er kann jeden Tag im Training zeigen, dass er besser ist als andere."

Der frühere Weltmeister und BVB-Star Andreas Möller gar rät Götze zum Wechsel ins Ausland: "Er muss dem Trainer in jedem Training zeigen, dass es falsch ist, ihn nicht aufzustellen. Es muss so weit kommen, dass Mitspieler sagen, ihren Trainer nicht verstehen zu können. Er muss den Trainer mehr unter Druck setzen. Es wird sehr schwer in Dortmund. Die Option mit dem Ausland wäre nicht schlecht für ihn."