Dortmund. Dortmunds 1:0 gegen Leipzig rückt in den Hintergrund, weil BVB-Randalierer auch Kinder attackieren

Es hätte ein wunderbarer Sonntag werden können in Dortmund. Die Fußballer hatten von ihrem Trainer Thomas Tuchel trainingsfrei bekommen, weil sie im Spitzenspiel der Bundesliga den Tabellenzweiten RB Leipzig sehr souverän bezwungen hatten (1:0). Doch an diesem Sonntag war im schwarz-gelben Universum eigentlich nichts mehr so wirklich wunderbar. Grund dafür waren die Geschehnisse rund um die Partie. Anhänger des BVB, die sich als das Gute im Fußball betrachten und den üppig alimentierten Emporkömmling RB Leipzig als die Fratze des Bösen, sorgten mit ihrem Verhalten dafür, dass nun bundesweit das Gegenteil wahrgenommen wird.

Was genau vor dem Spiel geschehen war, hielt die Polizei Dortmund fest. Bilanz: 28 Strafanzeigen habe es im Rahmen des Einsatzes unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung, Beleidigung, Sachbeschädigung gegeben. Besonders hässlich gerieten die Szenen bei der Ankunft der Leipziger Fans am Stadion, die dort von Dortmunder Chaoten massiv mit Dosen, Steinen und Bierkästen beworfen wurden. Vier Polizisten wurden verletzt, sechs Fans aus Leipzig. „Nicht tragbar und beschämend für ganz Fußball-Deutschland“ seien die Übergriffe gewesen, teilte RB Leipzig mit und forderte von der BVB-Führung eine lückenlose Aufklärung der Ereignisse.

„Insgesamt konnte eine extreme Aggressivität und Gewaltbereitschaft der Dortmunder Anhängerschaft gegenüber den Gästen festgestellt werden. Diese richtete sich gegen jede als Leipzig-Fan erkennbare Person, egal, ob es sich um kleine Kinder, Frauen oder Familien handelte“, meldete die Polizei. Ein Irrsinn.

„Solche Bilder, in solche hasserfüllten Fratzen habe ich noch in keinem meiner Polizeieinsätze gesehen, ich bin schockiert“, sagte Polizeieinsatzleiter und -direktor Edzard Freyhoff. Leipziger Fans allerdings beklagten auch mangelnde Polizeipräsenz. Die Partie war als Spiel mit „erhöhtem Risiko“, nicht als „Hochsicherheitsspiel“ eingestuft worden.

Im Stadion nahmen die Fan-Verfehlungen ihren Lauf. Auf der Südtribüne wurden Dutzende Plakate hochgehalten. Was möglicherweise mal als Kritik geplant war, geriet zu einer Demonstration des Hasses. Derbste Geschmacklosigkeiten inklusive.

„Burnout Ralle: Häng dich auf!“, war auf einem Schriftstück zu lesen. Gemeint ist damit Leipzigs Sportdirektor Ralf Rangnick, der einst sein Traineramt in Schalke wegen eines Erschöpfungssyndroms aufgab.

Nach Informationen dieser Redaktion hat sich Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke am Sonntag für die Verfehlungen persönlich bei Rangnick entschuldigt. „Wir distanzieren uns entschieden von dem geschmacklosen Plakat über Ralf Rangnick und verurteilen die Gewalt aufs Allerschärfste. Hier wurden jegliche Grenzen überschritten“, sagt Watzke.

Die im Dortmunder Stadion eingesetzte Videotechnik soll nun genutzt werden, die Plakat-Täter zu enttarnen. Auch ihnen drohen rechtliche Konsequenzen. Die Polizei werde „dem Anfangsverdacht von Straftaten (Beleidigungen, d. Red.) nachgehen“, kündigt Polizeidirektor Edzard Freyhoff an. Aber wie kommen derart geschmacklose Banner überhaupt ins Stadion? Die transportierten Botschaften müssten normalerweise vom Verein kontrolliert werden. Problem: Sie werden aus etlichen metergroßen Buchstaben zum Teil erst im Stadion zusammengesetzt.

Das Verhalten manchen Fans ruft nun erneut den DFB-Kontrollausschuss auf den Plan. Er nimmt zu Wochenbeginn die Ermittlungen auf. Anlass: Der Wurf einer Metallstange auf eine Fernsehmitarbeiterin und die beleidigenden Spruchbänder. Erst beim Spiel in Mainz waren Dortmunder Chaoten auffällig geworden, indem sie bengalische Feuer im Block zündeten. Und das, obwohl die Bewährung nach den Pyrovorfällen beim DFB-Pokalfinale der vergangenen Saison gegen Bayern München noch bis zum 31. Mai 2017 gilt. Mögliche Strafe: ein Spiel unter teilweisem Ausschluss der Fans.

In den Hintergrund rückte da das Geschehen auf dem Platz. Selbst der als weniger lebhaft bekannte Thomas Tuchel ließ seinen Emotionen freien Lauf und erinnerte mit seinen Freudensprüngen nach dem Siegtreffer von Pierre-Emerick Aubameyang an die früheren Auftritte seines Vorgängers Jürgen Klopp. Gegen Ende der Partie ließ sich der BVB-Trainer sogar zu einer spöttischen Geste Richtung Leipziger Bank hinreißen. Wenn diese spezielle Energie da ist, wenn Druck drauf ist, dann packt es mich eben auch“, kommentierte der Coach, gab sich aber reumütig. „Das kann man sich natürlich komplett sparen.“