Hamburg. St. Paulis Gegner Eintracht Braunschweig beweist, dass langjährige Treue zum Trainer erfolgreich sein kann

Wenn der FC St. Pauli an diesem Sonntag (13.30 Uhr, Sky und Liveticker abendblatt.de) beim Bundesliga-Aufstiegsaspiranten Eintracht Braunschweig antritt, wird es zwischen den Trainern eine besonders herzliche Begrüßung geben. „Torsten ist einer meiner Lieblingskollegen. Er ist ein richtig guter Junge“, sagt St. Paulis Cheftrainer Ewald Lienen. Die Rede ist von Torsten Lieberknecht (43), der seit fast neun Jahren die sportlichen Geschicke beim niedersächsischen Traditionsclub lenkt.

Als Lieberknecht am 12. Mai 2008 bei Eintracht Braunschweig zum Cheftrainer und Nachfolger von Benno Möhlmann ernannt wurde, hatte die Mannschaft in der damaligen Regionalliga Nord gerade 0:2 bei Rot-Weiß Oberhausen verloren und war auf den zwölften Tabellenplatz zurückgefallen. Dieser Rang hätte nicht ausgereicht, um sich für die neue, in der Saison 2008/09 startende, eingleisige Dritte Liga zu qualifizieren. Dem Deutschen Meister von 1967 drohte drei Spiele vor Saisonende die Viertklassigkeit.

Es kam bekanntlich anders. Lieberknecht führte das Team mit zwei Siegen und einem Unentschieden gerade noch auf den zehnten Rang, der gerade noch genügte, um in die Dritte Liga zu kommen. Es folgten der Aufstieg in die Zweite Liga 2011 und nur zwei Jahre später sogar der Sprung in die Erste Bundesliga.

Doch auch der unmittelbar folgende Abstieg veranlasste die Braunschweiger Vereinsführung nicht, sich vom Trainer zu trennen, was andernorts ein branchenüblicher Reflex gewesen wäre. So folgten unter dem gebürtigen Bad Dürkheimer, der zuvor auch als Spieler für Braunschweig aktiv gewesen war, in den beiden folgenden Zweitliga-Spielzeiten die Ränge sechs und acht, ehe das eingespielte und gezielt verstärkte Team jetzt Herbstmeister wurde –vor den Ligafavoriten Hannover 96 und VfB Stuttgart.

„Die Kontinuität, die in Braunschweig an den Tag gelegt wird, gefällt mir sehr gut. Sie hat auch etwas mit Seriosität und Kompetenz zu tun“, sagt Ewald Lienen. „Es wird dort auch eine sehr gute Personalpolitik betrieben.“ Verantwortlich dafür ist ebenfalls bereits seit 2008 Sportchef Marc Arnold. Das Ganze wird wohl auch noch einige Zeit so weitergehen. Arnold verlängerte im November seinen Vertrag bis 2019. Lieberknecht hatte zuvor einen Kontrakt bis sogar 2020 unterzeichnet.

Länger als Lieberknecht bei einem aktuellen Club der Ersten oder Zweiten Liga ist nur Frank Schmidt beim 1. FC Heidenheim im Amt, wobei das Team von der Ostalb auch erst seit zweieinhalb Jahren der Zweiten Liga angehört. Für beide ist es übrigens immer noch die erste Station als Cheftrainer einer ersten Mannschaft.

Auch St. Paulis dienstältester Profi, Jan-Philipp Kalla, lobt die in Braunschweig praktizierte Kontinuität. „Ich finde es vorbildlich, dass man an dem Trainer, mit dem man in die Bundesliga aufgestiegen ist und mit dem man dann auch wieder abgestiegen ist, weiter festhält. Ich freue mich sehr darüber, wenn so etwas stattfindet. Ich glaube, heutzutage werden die Trainer viel zu schnell ausgetauscht.“

Beim FC St. Pauli wird zumindest beim Trainer versucht, der Braunschweiger Treue nachzueifern – trotz der sportlich prekären Situation. Ewald Lienen ist inzwischen mehr als zwei Jahre im Amt. Bleibt er dies über das Saisonende hinaus, wird er seinen persönlichen Verweilrekord bei einem Proficlub (1. FC Köln, Juli 1999 bis Januar 2002) übertreffen.

Um dies zu realisieren, wäre schon an diesem Sonntag zumindest ein Punktgewinn bei den heimstarken Braunschweigern (acht Siege, ein Unentschieden) hilfreich. Allerdings ist die Liste der Ausfälle beim FC St. Pauli beachtlich. Vegar Eggen Hedenstad und Ryo Miyaichi sind noch verletzt, Sören Gonther, Aziz Bouhaddouz, Philipp Ziereis, Joel Keller und Dennis Rosin sind nach ihren Erkältungen noch nicht wieder einsatzfähig, und Daniel Buballa ist gelbgesperrt. Somit dürfte die Neuentdeckung des Winters, der aus der U-23-Mannschaft aufgerückte Yi-Young Park, seinen zweiten Startelfeinsatz als Innenverteidiger bekommen.

Eintracht Braunschweig: Fejzic – Ofosu-Ayeh, Baffo, Decarli, Reichel – Omladic, Boland, Moll, Hernandez – Kumbela, Nyman.FC St. Pauli: Heerwagen – Hornschuh, Sobiech, Park, Dudziak – Nehrig, Flum – Sahin, Möller Daehli, Sobota – Thy.Schiedsrichter: Dietz (Kronach)