Melbourne. Der Schweizer gewinnt bei den Australian Open seinen 18. Grand-Slam-Titel

Alle hatten gesehen, was passiert war, glauben konnte es keiner. Die Rod Laver Arena war bis zum Rang gefüllt mit Emotionen, Begeisterung und Glück, einen Abend wie diesen mit zwei Giganten erlebt zu haben. Dann reckte Roger Federer den Pokal in den dunklen Himmel, und es gab keinen Zweifel mehr, dass der 35 Jahre alte Schweizer tatsächlich mit einem 6:4, 3:6, 6:1, 3:6, 6:3-Sieg gegen den Spanier Rafael Nadal (30) den 18. Grand-Slam-Titel seiner Karriere gewonnen hatte.

„Es ist das erste Jahr, wo ich nicht gedacht habe, dass ich einen Grand Slam gewinne – und genau das nun geschafft habe“, gab der zu Tränen gerührte Federer zu und verglich die Freude über seinen ersten Majortitel seit Wimbledon 2012 mit jener nach dem French-Open-Sieg 2009. „Ich war nicht sicher, ob ich es hierher schaffen würde“, erklärte der im vorigen Jahr am linken Knie operierte Baseler. „Ich wäre auch mit einer Niederlage glücklich gewesen. Wenn es ein Unentschieden geben würde, würde ich es heute gern gegen Rafa akzeptieren.“ Der von seiner Handgelenksverletzung erholte Nadal schien zunächst untröstlich, nachdem er seinen 15. Grand-Slam-Titel verpasst hatte. „Wahrscheinlich hat Roger es ein bisschen mehr verdient als ich“, erklärte er unter dem Beifall der Fans.

Als das Spiel nach 3:38 Stunden vorbei war, hatten sich alle Hoffnungen erfüllt. Von Anfang an schien es keinen einzigen Punkt ohne Bedeutung zu geben, das sogenannte Momentum wechselte die Seiten, wie der Wind in Melbourne die Himmelsrichtung ändert. Federer gab von Anfang an Gas und versuchte die Erkenntnisse umzusetzen, die er als Zuschauer der Partie von Nadal und dem Bulgaren Grigor Dimitrov im Halbfinale am Fernsehschirm gewonnen hatte. „Ich habe keinen Komplex gegen ihn“, hatte er vor dem Match versichert, „dazu habe ich ihn zu oft in großen Matches geschlagen.“ Sicher nicht falsch, aber noch öfter hatte er gegen Nadal verloren; die Bilanz bei den Grand-Slam-Turnieren stand aus seiner Sicht 2:9, und Nadal hatte sechs der gemeinsamen acht Endspiele gewonnen.

Der fünfte Satz knallte und leuchtete wie ein Feuerwerk

Irgendwie schien es logisch zu sein, dass die beiden Altmeister wie in den spektakulären Begegnungen in Wimbledon 2007 und 2008 und in Melbourne 2009 auch diesmal in einem fünften Satz landeten. Dieser fünfte Satz sprühte, knallte und leuchtete wie ein Feuerwerk. Und er schien in prägnanter, spannender Kurzform zu beschreiben, warum Federer im Laufe seiner Karriere mehr Spiele bei den großen Turnieren gegen Nadal verloren als gewonnen hatte. Mit einem einzigen Fehler kassierte er gleich ein Break zum 0:1, und immer, wenn er Chancen hatte, den Aufschlagverlust auszugleichen, stand Nadals Festung so sicher wie Fort Knox.

Eine Viertelstunde lang sah es so aus, als werde er die Festung auch diesmal nicht knacken können, doch dann war es Nadal, der unter Druck den Fehler machte, der ihn das Aufschlagspiel zum 3:3 kostete, und von diesem Moment an war Federer nicht mehr aufzuhalten. Zur Begeisterung des Publikums schaltete er in den sechsten Gang. Den ersten Matchball wehrte Nadal ab, beim zweiten musste sich Federer ausgerechnet auf das von ihm anfangs so überzeugt abgelehnte Hawkeye-System verlassen. So standen die Giganten, blickten auf die Videowand und sahen, dass der letzte Vorhandball des Schweizers die Seitenlinie touchiert hatte.

Federer jubelte wie nie zuvor in seiner Karriere, er brüllte die ganze, grenzenlose Freude heraus, in seiner Box konnte Ehefrau Mirka endlich alle Anspannung abwerfen und hemmungslos auf und ab springen. Auf der anderen Seite des Netzes stand jener Mann, dessen Anteil an diesem unvergesslichen fünften Satz ebenso schwer wog wie der des Siegers. Es gab am Ende eigentlich nur ein Fazit für das letzte Spiel der Australian Open 2017, und das kam in diesem Fall aus Argentinien vom Kollegen Juan Martin del Potro. „Danke an euch beide“, schrieb er über Twitter. „Wehe, ihr hört jemals auf, Tennis zu spielen.“ Das hat zumindest in naher Zukunft auch keiner der beiden vor.