Melbourne. Hamburger Tennisprofi scheitert im Viertelfinale der Australian Open am Schweizer Altmeister – und freut sich nun auf den Daviscup

Dieser Abend des Viertelfinales der Australian Open wird Mischa Zverev nicht nur deshalb in Erinnerung bleiben, weil er Roger Federer aus nächster Nähe beim Zaubern zusehen durfte. Sicher, er hatte in anderthalb Stunden 1:6, 5:7, 2:6 verloren, aber er konnte stolz auf das sein, was er bei diesem Turnier geleistet hatte. Dass er eine Menge Leute mit seinem konsequenten Angriffsspiel begeistert und alle eines Besseren belehrt hatte, die seit vielen Jahren predigen, mit Serve-and-Volley sei im Männertennis nichts mehr zu gewinnen. Und vielleicht wird ihm auch das Lob des Schweizers in den Ohren klingen, der sagte: „Mischa hat ein unglaubliches Turnier gespielt, ich habe mich wirklich sehr für ihn gefreut.“

Insgesamt 439-mal tauchte der in Moskau geborene Hamburger in seinen fünf Partien in Melbourne am Netz auf, im Schnitt also knapp 88-mal pro Match. In der Begegnung mit Federer erreichte er den Schnitt nur deshalb nicht (75), weil sich der Schweizer nicht mehr als drei Sätze Zeit nehmen mochte. Rechts und links rauschten die Returns und Passierbälle an Zverev vorbei, vor allem im ersten Satz. „Es gab schon Momente, in denen ich dachte: Das kann nur er“, meinte Zverev hinterher. Das Verhältnis zwischen Siegschlägen und unerzwungenen Fehlern gibt oft einen guten Hinweis auf die Qualität eines Spiels, und dieses Verhältnis sah bei Zverev mit 30:13 weiß Gott nicht schlecht aus. Aber Federers Wert von 65:13 war abenteuerlich gut.

Im zweiten Satz sah die Sache für den Außenseiter deutlich besser aus, und die Fans in der Rod Laver Arena, darunter der Namensgeber persönlich, sahen in diesem Satz, warum dieser Deutsche, von dem sie vor dem Turnier kaum etwas gehört hatten, im Viertelfinale gelandet war. Interessant war hinterher Zverevs Antwort auf die Frage, wie man den Leuten denn erklären könne, warum er zwei Tage zuvor gegen die Nummer eins, Andy Murray, gewonnen, gegen Federer, der im Moment nur auf Platz 17 steht, aber in drei Sätzen verloren habe. „Andy kann nicht so beschleunigen mit dem Handgelenk. Federer kann im letzten Moment die Richtung ändern, das ist viel schwerer zu lesen. Außerdem hat er ungefähr acht verschiedene Aufschläge, und sein zweiter Aufschlag ist besser und schneller.“

Schon auf dem Weg in die Kabine dachte Zverev darüber nach, was er in der nächsten Zeit besser machen könne, um weiter nach vorn zu kommen. Was er in Melbourne zeigte, soll der Maßstab für alles Weitere sein, und er ist zuversichtlich, dass noch eine Menge möglich ist, sofern er nicht wieder von einer Verletzung gestoppt wird wie so oft in seiner ungewöhnlichen Karriere. „Zweite Woche bei einem Grand-Slam-Turnier, vielleicht ist das ja mein Potenzial“, sagte er. In der neuen Weltrangliste wird er nächsten Montag auf Platz 35 stehen, als drittbester Deutscher nach seinem zehn Jahre jüngeren Bruder Alexander (22.) und Philipp Kohlschreiber (29.).

Da liegt es auf der Hand, dass er zur Mannschaft des Deutschen Tennis-Bundes (DTB) für die Erstrundenpartie im Daviscup gehört. Ende kommender Wochen spielen die Deutschen in Frankfurt am Main gegen Belgien, und Mischa Zverev wird mit viel breiterer Brust dabei sein als bei seiner bisher einzigen Berufung vor acht Jahren im Viertelfinale gegen Spanien in Marbella. „Diesmal“, sagte er, „gehöre ich richtig dazu, nicht so wie damals, weil 17 Leute abgesagt hatten.“

Roger Federer versicherte, nicht im Traum damit gerechnet zu haben, beim ersten Grand-Slam-Turnier nach sechs Monaten Pause im Halbfinale zu landen, wo am Donnerstag sein Landsmann Stan Wawrinka wartet, der sich in seinem Viertelfinale 7:6 (7:2), 6:4, 6:3 gegen den Franzosen Jo-Wilfried Tsonga durchsetzte. „Stan im Halbfinale, da hätte ich Ja gesagt. Aber doch nicht ich“, sagte der 35-Jährige. Vielleicht ist da ein klein wenig Understatement im Spiel. Federer führt 5:1 im direkten Vergleich, er gewann auch die bisher letzte Partie im Halbfinale der US Open 2015. „Damals“, sagt Wawrinka, „hat er mich abgeschossen.“ Im Spiel davor bei den French Open in Paris im gleichen Jahr war es umgekehrt. Hört sich nach einer perfekten 50:50-Konstellation an.