Rouen. Nach dem 28:21-Sieg gegen Kroatien treffen die Bad Boys bei der WM im Achtelfinale auf den Vizeweltmeister

Die Fans gaben sich gleichgültig. „Wir folgen euch, egal wohin“, stand auf einem Banner hoch oben in der ausverkauften Arena in Rouen. 60 Minuten später aber waren sie außer sich vor Freude: Die deutschen Handballer haben sich und auch ihren Fans die lange Reise durch ganz Frankreich erspart. Dank eines souveränen 28:21 (13:9)-Sieges gegen Kroatien im letzten WM-Gruppenspiel geht es nicht nach Montpellier, sondern als Gruppensieger nach Paris, wo die DHB-Auswahl am Sonntagabend auf Katar trifft (18 Uhr, Livestream auf handball.dkb.de).

„Dieses Spiel haben wir gebraucht, um für uns selbst den Beweis zu haben, was wir alles können“, sagte Bob Hanning, der Vizepräsident des Deutschen Handballbundes (DHB). „Wir haben ein deutliches Zeichen der Stärke gesetzt.“ 748.000 User waren im Internet live dabei. Das ist neuer WM-Rekord.

Die Begegnung begann mit einer Zwei-Minuten-Strafe für Domagoj Duvnjak

Die Begegnung, das Endspiel um den Sieg in der Gruppe C, begann direkt mit einer Zwei-Minuten-Strafe für den Ex-HSV-Profi Domagoj Duvnjak. Nach nur 35 gespielten Sekunden beorderten die Schiedsrichter den besten Spieler der Kroaten auf die Bank, doch auch später auf dem Feld konnte der Rückraumregisseur, der jetzt beim Rekordmeister THW Kiel unter Vertrag steht, seiner Mannschaft nicht helfen. Kurz vor dem Ende der ersten Hälfte sah Duvnjak zur Hallendecke auf die Anzeigetafel, so als wollte er sich vergewissern, dass er mit seinem Team tatsächlich fünf Tore hinten lag (13:8).

Fünfmal waren sich die beiden Teams sich schon bei internationalen Wettbewerben begegnet, zuletzt im Platzierungsspiel bei der WM 2015 in Doha (Katar). Nie konnte Deutschland gewinnen, doch Kroatiens Teamkoordinator, der ehemalige Welthandballer Ivano Balic, hatte schon vermutet, dass sich die Rollen inzwischen verkehrt haben: Kroatien, das seine goldenen Zeiten zwischen 2003 und 2012 erlebte, hat einen großen Umbruch hinter sich, während die deutsche Mannschaft, die in den vergangenen Jahren ein tiefes Tal durchschritten hat, spätestens seit dem EM-Titel 2016 eine neue Ära einzuläuten scheint.

Wer sich zuvor Gedanken gemacht hatte, ob Bundestrainer Dagur Sigurdsson das Spiel gegen Kroatien aus turniertaktischen Gründen wohl am liebsten abschenken würde, um ein mögliches Aufeinandertreffen der deutschen Mannschaft mit Frankreich im Halbfinale zu vermeiden, dem wurde spätestens an diesem Freitagabend deutlich vor Augen geführt, dass die deutschen Handballer in diesem Turnier für kein Team der Welt irgendeinen Umweg in Kauf nehmen würden.

Die Deutsche Mannschaft hatte eine hervorragende Deckung

Ausgangspunkt der guten Leistung war einmal mehr die hervorragende Deckung der Deutschen. Sigurdsson ließ seine Mannschaft zunächst ohne die nachnominierten Hendrik Pekeler und Holger Glandorf beginnen. Patrick Wiencek und Finn Lemke ackerten im Mittelblock, mit Andreas Wolff im Tor ließ das deutsche Abwehrbollwerk von der fünften bis zur 17. Minute keinen Treffer der Kroaten zu (7:3). Vorne war sich Kai Häfner der neuen Konkurrenz durch Glandorf bewusst, der Linkshänder sorgte erst einmal für die ersten vier Tore der DHB-Auswahl. Der Vorsprung hätte aber durchaus noch größer ausfallen können, hätte sich die deutsche Mannschaft insgesamt nicht so viele Flüchtigkeitsfehler im Angriff erlaubt.

Das ging auch in der zweiten Hälfte so weiter. „Spielen, spielen, spielen, Tempo“, trieb Kapitän Uwe Gensheimer an, doch Kroatien deckte nun offensiver und stellte ihn und seine Mannschaftskameraden vor neue Herausforderungen. Dem weiter starken Abwehrverbund und Torhüter Wolff war es zu verdanken, dass Kroatien sich in dieser Phase zu Beginn der zweiten Hälfte nicht um mehr als zwei Tore herankämpfen konnte (14:12/35.). Wolff, der gegen Chile stark agierte hatte, gegen Saudi-Arabien aber blass geblieben, lief zur Höchstform auf und ermöglichte seinem Team leichte Gegenstöße. Als Patrick Groetzki eine Viertelstunde vor Schluss zum 19:13 getroffen hatte, beorderte Kroatiens Trainer Zeljko Babic seine Spieler in die Auszeit. Kroatien schwang sich noch einmal auf, verkürzte sechs Minuten vor Schluss auf zwei Tore (21:19), doch am Ende legte die bad Boys einen erstklassigen Endspurt hin und verabschiedeten sich nach Paris.

„Wir haben heute ein sehr, sehr gutes Spiel gemacht. Wir hatten eine starke Teamleistung, waren aber auch taktisch hervorragend“, sagte Bundestrainer Sigurdsson und warnte zugleich: „Aber noch ist nichts gewonnen.“ Jetzt fange das Turnier erst an, richtig interessant zu werden, ergänzte der Isländer. „Katar ist sehr, sehr unangenehm. Wenn die einen guten Tag erwischen, sind sie schwer zu knacken.“