Berlin. DFB-Sportdirektor Hansi Flick tritt aus familiären Gründen zurück. Horst Hrubesch übernimmt vorerst.

Hansi Flick war oft da, wenn irgendwo Fußballgeschichte geschrieben wurde und einer dabei ungeschickt aussah. Im legendären Finale des Europapokals der Landesmeister 1987 spielte er mit den Bayern gegen Porto (Ergebnis: 1:2). Er stand auf der Linie, als Rabah Madjer per Hacke traf, und schaute unglücklich aus. Aber wer weiß das heute noch?

27 Jahre später lief in Porto Alegre (Brasilien) die 88. Minute des WM-Achtelfinals zwischen Deutschland und Algerien. Freistoß. Thomas Müller trat an, stolperte beim Anlauf, der Freistoß verpuffte. Flick war auch hier beteiligt.

Ein Mensch des Hintergrunds

Hans-Dieter, genannt Hansi Flick, hat am Montag seinen Rücktritt vom Posten des Sportdirektors des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) bekannt gegeben. Das kommt überraschend, weil dieser Job eigentlich perfekt zu einem wie ihm gepasst hat. Flick ist ein Mensch des Hintergrunds. Das war er als Profi, obwohl er in den 1980er-Jahren viermal deutscher Meister mit den Bayern wurde. Und das war er auch als Assistent von Bundestrainer Joachim Löw zwischen 2006 und 2014.

Müllers gespielter Stolperer war Flicks Idee. Der 51-Jährige hatte Löw überzeugt, in Brasilien stärker auf Freistöße und Ecken zu setzen. Flick ließ Varianten im Training üben. Am Ende entstand ein Drittel aller deutschen Treffer nach Standards.

Eine Art Vordenker

Nach der WM hat der leise Hintergrundmensch Flick beim DFB den Sportdirektoren-Posten übernommen, den sie ein Jahr lang für ihn freigehalten hatten. Er kümmerte sich um die Nachwuchsförderung, die Erarbeitung einer einheitlichen Spielphilosophie bis zur U15 (das Leitbild heißt „Unser Weg. Erfolg entwickeln“) und Konzepte für die geplante DFB-Akademie. Er war zudem zuständig für die Besetzung der Nachwuchstrainerposten. In dieser Rolle war Flick für Löw der wichtigste Vertraute, für den deutschen Fußball sollte er eine Art Vordenker sein.

Umso mehr überrascht nun seine kurzfristige Bitte um Auflösung seines noch bis 2019 datierten Vertrags. Familiäre Gründe nannte Flick dafür: „Es gibt aktuell weder andere sportliche Ambitionen, noch gibt oder gab es irgendwelche Probleme. Der einzige Grund ist der persönliche Wunsch, mich in der nächsten Zeit mehr auf meine Familie konzentrieren zu können“, sagte er.

Die Energie fehlt

Beim DFB heißt es, Flick, der zum zweiten Mal Opa wird, habe sich nicht mehr in der Lage gesehen, die kommenden Aufgaben in diesem Jahr (U-19-­EM, U-20-WM, U-21-EM sowie den Confed Cup und die DFB-Akademie) mit aller Kraft zu stemmen. Allein 15 Tage war Flick von Mai bis September 2016 zu Hause, heißt es aus der Verbandszentrale in Frankfurt. Flick besuchte viele Nachwuchsspiele und schaute sich bei Vereinen nach Innovationen um. Er sagte: „Wenn ich eine Aufgabe angehe, dann mit absoluter Energie und hohem Einsatz.“ Beides hat er offenbar nicht mehr.

Für den DFB ist das eine schwierige Situation, weil er keine Konstanz auf dieser strategisch wichtigen Position hinbekommt, die immer auch einen Berechtigungsnachweis liefern muss. Alle drei Sportdirektoren, die es bisher gab, haben vorzeitig hingeworfen. Matthias Sammer, der den 2006 neu geschaffenen Posten bis 2012 innehatte, ging zum FC Bayern – auch weil der unbequeme Sachse bei der Nationalelf zu wenig Einfluss bekam. Für die Bayern hatte sich Sammer eine Ausstiegsklausel gesichert. Robin Dutt zog es 2013 nach kaum zehn Monaten zurück in die Bundesliga. Er wurde Werder-Trainer.

Hrubesch, der Mann für alle Fälle

Nun also Flick, der zweieinhalb Jahre wirkte. Es ist ein Wechsel an strategisch wichtiger Position, der dem DFB 17 Monate vor der WM in Russland bevorsteht. „Wir lassen ihn nur schweren Herzens gehen, aber wir respektieren seinen Wunsch“, sagte DFB-Präsident Reinhard Grindel.

Flicks Job übernehmen wird übergangsweise einer, der eigentlich immer im Vordergrund stand: Horst Hrubesch. Der 65-Jährige, der die Olympiaauswahl 2016 zur Silbermedaille in Rio geführt hat, ist so etwas wie der Mann für alle Fälle im DFB. Immer wenn es eng wurde, sprang Hrubesch ein. Nach einer schwachen U-21-EM 2013 löste er Rainer Adrion ab. Der Erfolg von Rio war das Resultat. Prominenter ist der Fall von 2009: Hrubesch gewann als Interimstrainer mit der U21 in Schweden die EM – damals dabei waren sechs spätere Weltmeister von 2014. Hrubesch gab die U21 nach den Olympischen Spielen an Stefan Kuntz ab, betonte aber stets, noch nicht in Rente gehen zu wollen.

Dauerlösung im September bekannt gegeben

Er ist einer, der Menschen für sich gewinnen kann und der sich bestens im Nachwuchsbereich des DFB auskennt. Als Stratege aber gilt Hrubesch nicht. Der DFB hat sich dennoch Zeit bei der Suche eines Flick-Nachfolgers verordnet. „Wir werden jetzt in Ruhe das Profil erstellen und dann in enger Abstimmung mit der Liga den Nachfolger suchen“, sagte Generalsekretär Friedrich Curtius. Beim außerordentlichen Bundestag des DFB im September soll der neue Sportdirektor präsentiert werden.