Rouen. Trotz eines Schicksalsschlags führt Uwe Gensheimer die deutschen Handballer zum WM-Auftaktsieg

Es dauerte keine fünf Minuten, da hallten die ersten Uwe-Gensheimer-Sprechchöre von den Rängen der Kindarena. „Uwe, Uwe“, brüllten die zahlreich erschienenen deutschen Fans in der nahezu bis auf den letzten Platz gefüllten Halle. Der Kapitän der deutschen Handballnationalmannschaft, dessen Teilnahme an der Weltmeisterschaft nach dem plötzlichen Tod seines Vaters vergangene Woche auf der Kippe gestanden hatte, ging voran und warf Deutschland in Front (2:1/5.). Am Ende war der 30-Jährige mit 13 Treffern der beste Werfer beim 27:23 (16:11)-Sieg zum Auftakt gegen Ungarn.

Gensheimer war erst am Donnerstagabend zur Mannschaft gestoßen. „Ich werde die WM spielen. Das hätte mein Vater so gewollt“, hatte er erklärt – und trumpfte dann groß auf. „Uwe war überragend“, sagte Kreisläufer Patrick Wiencek über Gensheimer, der bereits vor der Partie um Verständnis gebeten hatte, nicht für einen Kommentar zur Verfügung zu stehen. So sprach Wiencek weiter: „Meinen allergrößten Respekt vor dem, was er heute geleistet hat. Da sieht man mal, was er für ein Leader ist.“ So einen brauchte die deutsche Mannschaft auch, denn im Verlauf der Partie durchlebte sie so einige Phasen zwischen absoluter Souveränität und totaler Planlosigkeit.

Die Zuschauer in Deutschland sahen davon allerdings zunächst nicht viel: Nach den ersten fünf Minuten brach die Liveübertragung aus Rouen sowohl auf dem Portal der Deutschen Kreditbank (DKB) als auch bei YouTube zusammen, die Bildschirme blieben bis zur 23. Minute schwarz.

Der Europameister ließ sich von dieser Panne nicht stören: Bundestrainer Dagur Sigurdsson hatte seine Mannschaft gut auf die Ungarn eingestellt, die mit dem 2,09-Meter-Hünen Laszlo Nagy einen wurfgewaltigen Linkshänder vom Champions-League-Zweiten Veszprem im Kader haben. Der Isländer hatte auch betont, dass einer seiner wichtigsten Aufgaben darin bestünde, den passenden seiner zwei Torhüter auf dem Feld zu haben.

Mit Silvio Heinevetter lag er da genau richtig. Der Berliner (39 Prozent gehaltene Würfe) startete gleich mit zwei Paraden und hatte sich mit seiner unkonventionellen Art schnell in die Köpfe der ungarischen Angreifer gespielt: Einen Ball hielt er unter seiner linken Pobacke fest, einen anderen klemmte er unter seiner Achsel ein. Dass Deutschland nicht bereits nach der ersten Viertelstunde mit vier Toren in Führung ging, lag einzig an den etwas zu überhasteten Abschlüssen von Julius Kühn.

Nach 20 Minuten humpelte Nagy nach einer Abwehraktion gegen Kühn verletzt vom Feld, ab diesem Moment war die deutsche Auswahl nicht mehr zu halten und spielte sich eine komfortable Führung heraus (16:9/29.). Dann aber gelang Sigurdssons Mannen neun Minuten lang kein Treffer mehr, was auch an Roland Mikler lag, der ab der zweiten Hälfte Ungarns Tor bewachte.

Eine Viertelstunde vor Schluss hatte Ungarn auf einen Treffer zum Europameister aufgeschlossen (17:16/45.), nun konnte jeder sehen, warum Sigurdsson betont hatte, das Spiel gegen Ungarn könnte das schwierigste der WM werden. Bis sechs Minuten vor Schluss konnte sich kein Team um mehr als ein Tor absetzen (22:21/54.), dann aber waren es vor allem Gensheimer, der mit einer Quote von 100 Prozent an der Siebenmeterlinie brillierte, und Heinevetter, die gemeinschaftlich verhinderten, dass Deutschlands Auftaktsieg noch ernsthaft in Gefahr geriet.

Eine Rote Karte gegen Ungarns Patrik Ligetvari gab es auch noch, bevor die deutschen Fans begeistert und erleichtert ihre Gensheimer-Sprechchöre wieder aufnahmen. Auch den letzten Treffer hatte der Kapitän mit einem Wurf quer über das Feld erzielt. „Das Ergebnis ist deutlicher als der Spielverlauf“ gestand DHB-Vizepräsident Bob Hanning: „Mehr als über den Sieg freue ich mich über die Leistung von Uwe.“

Tore, Deutschland: Gensheimer 13 (8 Siebenmeter), Häfner 7, Groetzki 4, Fäth 1, Pieczkowski 1, Kühn 1; Ungarn: Csaszar 3 (1), Balogh 3, Juhasz 3, Bodo 3, Jamali 3, Lekai 3, Zubai 2, Harsanyi 1, Ancsin 1, Nagy 1. Schiedsrichter: Nachevski/Nikolov (Mazedonien). Zuschauer: 5000. Zeitstrafen: 3; 3. Rote Karte: Ligetvari (Ungarn) wegen groben Foulspiels.