Wer eine Ahnung bekommen will, wozu eine Fußball-WM mit 48 Teilnehmern führt, könnte in diesen Tagen Anschauungsunterricht bei der Handball-WM bekommen. Die hat zwar nur die Hälfte der Teilnehmer, 24, aber auch das sind viel zu viele, um in der ersten Turnierhälfte so etwas wie Spannung aufkommen zu lassen. Zu groß ist das Leistungsgefälle zwischen den Mannschaften, zu großzügig der Modus – von den jeweils sechs Mannschaften jeder Vorrundengruppe erreichen vier das Achtelfinale. Ausscheiden? Wir? Ausgeschlossen. Zumal in einem Spiel, das man eben nicht durch ein einzelnes Glückstor gewinnen kann.

Deutschland kann es sich also bequem erlauben, Holger Glandorf, den Weltmeister von 2007, erst einmal zu schonen und für die K.-o.-Runde nachzunominieren. Nicht nur weil der rechte Rückraum dünn besetzt ist, könnte die Mannschaft einen wie ihn gut gebrauchen. Ja, sie hat mit dem EM-Sieg 2016 alle überrascht, am meisten wohl sich selbst. Und sie hat bei den Olympischen Spielen mit dem Gewinn der Bronzemedaille gezeigt, dass der Titel kein Versehen war. Jetzt muss sie damit umgehen, zu den Favoriten zu gehören. Überraschen kann sie nur noch in negativer Hinsicht. Diese Situation ist neu.

Und der Kader ist es, verglichen mit dem von vor einem Jahr, ebenfalls. Sechs Europameister fehlen in Frankreich: Drei wollen nicht, drei können nicht dabei sein. Die Mannschaft wird vielleicht ein wenig Zeit brauchen, um ins Turnier zu finden. Aber sie bekommt sie ja auch: sieben Tage mit fünf Spielen, in denen es um wenig geht. Das ist das einzig Gute an diesem aufgeblasenen Format.

Seite 24 Die letzte Mission des Taktikfuchses