Hamburg. Nach einem Jahr in Belek reiste der HSV gestern wieder ins Lieblings-Wintertrainingslager nach Dubai. Das Thema Sicherheit wird auch für die Bundesligaclubs zunehmend wichtig

Es ist 15.40 Uhr, als Flug EK 060 am Donnerstag mit wenigen Minuten Verspätung am Flughafen Hamburg Richtung Dubai abhebt. 50 Mitarbeiter des HSV, darunter 29 Spieler, machen sich auf den Weg in das zehntägige Trainingslager am Persischen Golf. „Es fühlt sich gerade gut an“, sagt Markus Gisdol kurz vor dem Abflug. Der Trainer sitzt entspannt auf einem roten Ledersofa der Airport Lounge. Der HSV-Trainer, der sechs Stunden später zum ersten Mal in seinem Leben in der mit 2,7 Millionen Einwohnern größten Stadt der Vereinigten Arabischen Emirate landen sollte, wusste, dass er seine Mannschaft bei optimalen Bedingungen auf das erste Bundesligaspiel des Jahres am 21. Januar beim VfL Wolfsburg vorbereiten kann. „Wir können so trainieren, wie wir uns das vorstellen“, sagte Gisdol. „Ich freue mich auf Dubai.“

Dubai also. Mal wieder. Nach nur einer Rückrundenvorbereitung im türkischen Belek reiste der HSV am Donnerstag erneut in die Emirate, wo sich die Hamburger im Winter offenbar so wohl wie nirgendwo sonst auf der Welt fühlen. Seit Emirates vor mehr als zehn Jahren HSV-Hauptsponsor wurde, erlaubten sich die Hamburger nur jeweils zwei Abstecher nach Spanien (2009 und 2012) und in die Türkei (2010 und 2016), reisten ansonsten ausschließlich in die Vereinigten Arabischen Emirate nach Abu Dhabi oder eben Dubai. Gründe für die lange und nicht ganz billige Reise in die Wüste gibt es viele: die Gute-Wetter-Garantie, die professionellen Bedingungen und natürlich die bis 2019 verlängerte Kooperation mit Hauptsponsor Emirates. Ein Hauptgrund ist aber noch ein ganz anderer, über den sich Bundesligaclubs vor nicht allzu langer Zeit noch keine Sorgen machen mussten: die Sicherheit.

So gehörte der HSV noch im vergangenen Jahr zu den insgesamt 18 deutschen Erst- oder Zweitligaclubs, die es ins günstige Belek zog. Doch weil die Türkei in den vergangenen zwölf Monaten immer öfter ins Zentrum des internationalen Terrorismus gerückt ist, machen Proficlubs aus Europa in diesem Winter einen großen Bogen um die einstige Trainingslagerhochburg. „Aus politischen und sicherheitsrelevanten Gründen fährt in diesem Jahr tatsächlich kein einziger Proficlub aus Deutschland nach Belek. Die Emirate, Spanien, Portugal und Malta sind nun die beliebtesten Ziele“, sagt Henning Rießelmann, Geschäftsführer der Hamburger Agentur MatchIQ, dem Abendblatt.

Auch die Trainingslager-Experten der Agentur MatchIQ, die ihren Hauptsitz in der Friedensallee in Ottensen hat, sind durch die unruhige Lage in der Türkei betroffen. Im vergangenen Winter haben Rießelmann und Co mehr als 30 Vorbereitungslager organisiert, ein Großteil davon in Belek. Doch weil der HSV, der gerade erst vom DFB und von der DFL für sein Sicherheitsmanagement im Volksparkstadion zertifiziert wurde, auf keinen Fall in die Türkei wollte, organisierte der Club die diesjährige Rückrundenvorbereitung wieder in Eigenregie.

Selbstverständlich reist mit Tobias Leibrock auch der clubeigene Sicherheitschef mit in die Wüste. Hauptverantwortlich für eine gelungene Rückkehr nach Dubai ist aber Bernd Wehmeyer, der durch seine guten Kontakte in den Emiraten bereits den ersten Sponsorendeal mit Emirates im Sommer 2006 initiierte. Doch während es seinerzeit noch 7,5 Millionen Euro waren, die die Fluggesellschaft jährlich an den HSV überweisen mussten, sollen es in dieser Spielzeit nach Abendblatt-Informationen „nur“ noch 3,7 Millionen Euro sein.

Genügend Geld für eine ordentliche Herberge scheint der HSV allerdings auch für den diesjährigen Trip in die Sonne zusammengekratzt zu haben. So macht der Tabellen-16. der Bundesliga nach 2015 erneut im luxuriösen Fünf-Sterne-Hotel „The Meydan“ direkt an der mutmaßlich schönsten Pferderennbahn der Welt Halt. Mehr als 5000 Euro soll ein Abstecher in der Präsidentensuite kosten. Pro Nacht, versteht sich. Wichtiger als der Balkonausblick auf die Rennpferde sind für den HSV aber die kurzen Wege auf das nahe gelegene Nad Al Sheba Sports Complex.

Dort will Trainer Gisdol die Grundlagen für den Existenzkampf in der Rückrunde legen. Und ähnlich wie für den Club ist auch für den Coach die Sicherheit das zentrale Stichwort dieses Winters. Gisdols neuer Sicherheitschef heißt aber nicht Leibrock, sondern Mavraj. Mergim Mavraj. Der 30 Jahre alte Abwehrmann aus Köln war als bislang einziger Neuzugang am Donnerstag pünktlich um 13.30 Uhr beim Check-in am Flughafen Fuhlsbüttel dabei. Zwei weitere Defensiv-Neuzugänge sollen nach Gisdols Wunsch noch bis zum Ende des Trainingslagers in Dubai am 14. Januar zur Mannschaft stoßen.

Damit diese Transfers auch mit Sicherheit realisiert werden, hat Gisdol seit Donnerstag einen neuen Sportchef an seiner Seite. Jens Todt, dessen Transfer zum HSV an diesem Freitag offiziell vermeldet werden soll, reiste aus seinem Asien-Urlaub direkt nach Dubai und empfing seine neuen Kollegen im Teamhotel. Für Gisdol war es das erste persönliche Treffen mit Todt. Zuvor hatten die beiden bereits mehrfach miteinander telefoniert. „Es ist wichtig, dass jetzt ein Manager da ist, der sich voll reinhaut und mich entlastet“, sagte Gisdol, „alleine schaffe ich das nicht.“

Mit Gisdol, Todt und Clubchef Heribert Bruchhagen, der am Dienstag nach Dubai kommt, ist der HSV in der sportlichen Führung komplett. „Schön, dass wir jetzt ein ganz normaler Fußballclub sein können“, sagte Gisdol. Dass sein im Sommer auslaufender Vertrag noch nicht verlängert wurde, macht ihm keine Sorgen. „Wir haben jetzt wichtigere Aufgaben zu tun.“ Sollte der HSV an die jüngsten Ergebnisse anknüpfen, ist eine Verlängerung ohnehin Formsache. So viel ist sicher.