HAmburg. Der ehemalige Sportchef der Hamburger spricht über das Duell seiner Ex-Clubs und glaubt an die Wende

Alte Liebe rostet nicht, sagt man. Auch wenn das Sprichwort noch so abgedroschen klingt, ist es im Fall von Rachid Azzouzi sehr passend. Das Zweitligaspiel zwischen der SpVgg Greuther Fürth und dem FC St. Pauli wird der 45-Jährige mit gemischten Gefühlen verfolgen. Schließlich treffen in Mittelfranken seine Ex-Liebschaften aufeinander (So, 13.30 Uhr). Oder weniger fußballromantisch formuliert: Der eine ehemalige Arbeitgeber kämpft beim anderen um seine Existenz.

Azzouzi war 15 Jahre lang bei den Fürthern tätig – als Spieler, Nachwuchstrainer, Teammanager und schließlich als Sportchef. Erst in der Saison 2012/13 übernahm der in Deutschland aufgewachsene Marokkaner die sportliche Leitung bei St. Pauli. Im Dezember 2014 fand die Zeit beim Kiezclub ihr jähes Ende, als der damalige Coach Thomas Meggle zum Sportchef wegbefördert wurde und man Ewald Lienen als Trainer installierte.

„Ich glaube, die Trainerentscheidung war damals absolut richtig. Ewald hat einer talentierten Mannschaft Stabilität gegeben“, sagt Azzouzi, der zum Teil noch in die Verpflichtung von Lienen involviert war. „Wir hatten nicht überlegt, Lienen anstelle von Meggle zu holen. Sie sollten das gemeinsam hinbekommen“, erklärt der Ex-Sportchef, der am Ende selber seine Koffer packen musste.

Azzouzi ist bemüht, seine Entlassung im Nachgang so nüchtern wie möglich zu betrachten. „Wir sind in eine sportliche Krise geraten, den Trainer hatte man schon gewechselt. Dann wurde ein neues Präsidium gewählt, das mich anschließend entlassen hat“, sagt Azzouzi.

Wie emotional er St. Pauli in Wirklichkeit noch verbunden ist, lassen folgende Worte erahnen: „Wenn es ein Verein in der Zweiten Liga mit so wenig Punkten zum Klassenerhalt schaffen kann, dann der FC St. Pauli“, sagt Azzouzi. Und weiter: „Wenn alle zusammenhalten, kann eine brutale Power entstehen. Es ist so ein toller Verein.“ Noch heute besucht Azzouzi häufig die Spiele am Millerntor.

Das Spiel in Fürth sieht der derzeit vereinslose Fußballfunktionär, der zuletzt bei Fortuna Düsseldorf für ein Jahr als Sportchef tätig war, als Chance für St. Pauli, die ersten drei Punkte nach elf sieglosen Spielen einzufahren: „Die Fürther haben zwar zweimal in Folge gewonnen, ihre Auftritte waren aber alles andere als souverän.“

Noch am elften Spieltag befanden sich die „Kleeblätter“ in unmittelbarer Reichweite der Hamburger. Mit nur elf Punkten stand Fürth auf Tabellenplatz 15 – in direkter Nachbarschaft zu den Abstiegsplätzen, die St. Pauli seit acht Spieltagen nicht mehr verlassen hat. Fürth handelte, beurlaubte Trainer Stefan Ruthenbeck und beförderte A-Jugend-Coach János Radoki interimsmäßig zum Cheftrainer. Plötzlich stehen die Franken mit 20 Punkten im sicheren Mittelfeld auf Rang zehn.

Wäre das für St. Pauli durch einen Trainerwechsel ebenfalls möglich? „Wenn die Verantwortlichen das Gefühl haben, dass Ewald die Truppe noch erreicht, dann ist es absolut richtig, am Trainer festzuhalten“, meint Azzouzi, der als Sportchef bei St. Pauli mit den Entlassungen von Thomas Meggle, Michael Frontzeck und Roland Vrabec nicht gerade einen geringen Trainerverschleiß hatte.

Als Problem sieht er vielmehr die Kaderzusammenstellung an: „St. Pauli hat viele wichtige Spieler verloren, die man bisher nicht adäquat ersetzt hat.“ Damit spricht Azzouzi vor allem die Abgänge von Marcel Halstenberg und Marc Rzatkowski an, die er zu seiner Amtszeit ablösefrei verpflichtete. „Die Transferperiode beginnt im Januar. Dann hat man die Gelegenheit dazu, das eine oder andere zu korrigieren.“

Das ist der Job von Neu-Sportchef Andreas Rettig. Azzouzi und Rettig, der früher die sportliche Leitung bei Freiburg, Köln und Augsburg innehatte, buhlten nicht selten um die gleichen Spieler. „Andreas kennt das Geschäft wie kein Zweiter. Er guckt sich alles genau an, um festzustellen, welche Hebel er bewegen muss“, sagt Azzouzi. Für St. Pauli sei es nun wichtig, den Abstand zu den Nicht-Abstiegsplätzen nicht zu groß werden zu lassen. „Es gibt die Möglichkeit, in zwei Spielen die ganze Saison zu korrigieren.“

Wie es für den derzeit arbeitslosen Funktionär weitergeht, ist ungewiss. Er habe sich viele Spiele und Strukturen angeschaut, er sei sogar in England, Rumänien und Marokko gewesen. „Ich bin aber keiner, der sich offensiv anbietet. Ich warte ab.“ Und wem er nun die Daumen drückt? „Ich gönne dem FC St. Pauli einen Dreier. Nicht weil ich gegen Fürth bin, sondern weil ich glaube, dass St. Pauli die Punkte dringender braucht“, bezieht er Stellung, auch wenn es ihm schwerfällt. Alte Liebe rostet eben nicht – zu keinem seiner ehemaligen Vereine.