Hamburg. US-Cheftrainer will Erstliga-Footballer zum Spitzenteam machen. Zwei Top-Receiver gehen zur Konkurrenz, ein Serbe soll kommen.

Bevor er sich am Donnerstag auf den Weg nach Hamburg gemacht hat, hatte sich Sean Embree ein paar alte Horrorfilme angeschaut: Aufzeichnungen von den Spielen der Hamburg Huskies aus der vergangenen Saison in der German Football League (GFL). „Es war furchtbar“, erzählt der neue Cheftrainer: „Das Team ist langsam. Wir müssen schneller werden.“

Das Huskies-Beschleunigungsprogramm hat bereits begonnen. Am Sonntag lud Embree zum Try-out. Bewerber um einen Platz im Huskies-Kader für 2017 mussten ihre athletischen Fertigkeiten unter Beweis stellen: Bankdrücken, Sprints, Zickzackläufe. Embree (45), Trillerpfeife vor dem mächtigen Bauch, hat sich alles genau angeschaut.

Cheftrainer lassen sich bei diesen Pflichtterminen sonst gern vertreten. Embree war es wichtig, Präsenz zu zeigen, deswegen hat er die insgesamt 16.000 Kilometer weite Reise von seinem Heimatort Denver in Kauf genommen. „Erst muss ich wissen, wie schnell die Jungs sind“, sagt der US-Amerikaner im Gespräch mit dem Abendblatt, „damit ich die Abwehr entsprechend konzipieren kann.“ Sie war vergangene Saison die Problemzone im Spiel der Huskies.

Huskies bis Mitte nächsten Jahres beim MTHC

Die Vereinsführung wiederum hat Embree einfliegen lassen, um ein Signal an die Mannschaft zu senden. Die hatte nach dem Rücktritt von Sportdirektor Patrick Esume Anfang November praktisch führungslos dagestanden. Und dann war da ja noch die Frage nach der Trainingsstätte: Der Marienthaler THC, bei dem die Schlittenhunde seit 2014 zu Hause waren, hatte den Nutzungsvertrag zum Jahresende gekündigt. Der allgemeinen Verunsicherung ist es wohl geschuldet, dass GFL-Konkurrent Kiel Baltic Hurricanes den Huskies die hoch- begabten Wide Receiver Kwame Ofori und Diego Sanchez abwerben konnte.

Inzwischen ist immerhin klar: Die Huskies dürfen bis Mitte nächsten Jahres beim MTHC verweilen. Eine dauerhafte neue Bleibe soll in Aussicht sein. Auch die Struktur der Mannschaft zeichnet sich ab. Einen Führungsposten übernimmt Josh Hartigan (27). Den US-Allrounder, der vom schwedischen Meister Karlstad kommt und 2012 für eine GFL-Saison bei den Hamburg Blue Devils spielte, kennt Embree noch aus seiner Zeit als Collegetrainer in Colorado. Er sagt: „Josh ist ein Teamleader, ihn kannst du kaum stoppen.“

Embree schreckt es nicht, groß zu denken

Hartigan hatte sich über die Onlineplattform Europlayers bei den Huskies beworben – genau wie Embree. Der war vergangene Saison wie schon 2010 bis 2013 für Vukovi Belgrad tätig und hat in Serbien alles gewonnen. Den Abwehrstar des Nationalteams, Lisko Malina alias Milos Lisanin (28), zuletzt bei den Koc Rams Istanbul, hofft er nach Hamburg bringen zu können, dazu einen US-Quarterback. „Mit diesen drei sollten wir nicht nur vier Spiele gewinnen, sondern zehn oder zwölf“, sagt Embree. Es wäre die Bilanz eins Spitzenteams.

Embree schreckt es nicht, groß zu denken. Als Spieler war er drauf und dran, seinem Bruder Jon und seinem Vater John nachzueifern und in der NFL Karriere zu machen. Dann stoppten ihn seine maladen Sprunggelenke. Auch als Trainer hat er bereits in der Topliga gearbeitet, ehe er sich der Familie zuliebe selbst ausbremste: „Ich war nach den vielen 13-Stunden-Tagen ausgebrannt.“

Bis März, wenn er zum Trainingslager der Huskies wiederkommt, kann Embree nun viel Zeit mit Frau, Sohn (10) und Tochter (15) verbringen. Und er will bei seinem Bruder Jon im Trainerstab der Tampa Bay Buccaneers hospitieren. „Ich bringe den Spielern keinen College-Football bei“, sagt Embree, „sondern NFL-Football.“ Jetzt müssen den Sprüchen noch Taten folgen.