Darmstadt. Im 13. Versuch gelingt den Hamburgern in Darmstadt mit dem 2:0 der erste Saisonsieg – Beiersdorfer legt Sportchefsuche auf Eis

Es war einmal ein warmer, aber verregneter Nachmittag im Mai. Der 14. Mai, um genau zu sein. 17.20 Uhr, Augsburger Ortszeit. Erwähnung findet dieses Datum an dieser Stelle, da das 3:1 des HSV beim FC Augsburg der letzte Sieg der Hamburger in der Bundesliga sein sollte. Bis jetzt. Am Sonntag um 17.20 Uhr, es war ein eiskalter zweiter Advent am Darmstädter Böllenfalltor, hat es der HSV tatsächlich wieder getan: 204 Tage nach Augsburg konnte der HSV wieder ein Bundesligaspiel gewinnen. Mit dem 2:0 (1:0) bei Darmstadt 98 durch die Tore von Michael Gregoritsch (30.) und Matthias Ostrzolek (90.) hat der HSV am 13. Spieltag zudem wieder Anschluss an die rettenden Ränge der Fußball-Bundesliga hergestellt. „Wir wussten ja schon gar nicht mehr, wie sich das anfühlt“, sagte Kapitän Gotoku Sakai und klärte sogleich auf: „Es fühlt sich super an.“

Unmittelbar nach dem Schlusspfiff stand die gesamte Mannschaft des HSV im Kreis zusammen, ehe sie mit den 2500 mitgereisten Fans im Jonathan Heimes Stadion den ersten Saisonsieg feierten. „Die Mannschaft wächst langsam zusammen“, sagte Markus Gisdol über sein Team, das an diesem Nachmittag auch wieder als ein solches auftrat. Der HSV-Coach hatte seine Spieler bereits im Verlauf der Trainingswoche auf das eingestellt, was mit Anpfiff eintreten sollte: ein reines Kampfspiel. „Wir mussten die Tugenden reinwerfen, die heute gefragt waren“, sagte Gisdol hinterher. Und das waren vor allem der nötige Wille für die Zweikämpfe und die bedingungslose Bereitschaft für die Darmstädter Art des Fußballs.

Mit Fußball hatte der Sport erwartungsgemäß nicht viel zu tun, den die beiden Mannschaften vor allem in der Anfangsphase praktizierten. Gisdol hatte recht in seiner Vorahnung, dass der Ball sehr häufig in der Luft sein werde. Das Spiel sollte diese Erwartung sogar noch übertreffen. Es waren erwähnenswerte Momente, wenn der Ball tatsächlich einmal über den Boden lief.

Für den HSV sollte es sich allerdings zu einem echten Vorteil entwickeln, dass er sich auf viele Kopfball­duelle eingestellt hatte. Eines davon ebnete dem HSV in der ersten Halbzeit den Weg zum Sieg. Eine Flanke von links durch Filip Kostic flog nach einer halben Stunde mit voller Wucht in den Strafraum. Michael Gregoritsch schmiss sich in den Ball und köpfte ihn aus sechs Metern unhaltbar für Darmstadts Torwart Michael Esser ins Netz. „Mir brummt immer noch der Schädel“, scherzte der Torschütze über den Treffer mit der nötigen Schärfe.

Gregoritsch hatte im Sturm wie erwartet den Vorzug vor dem wieder spielberechtigten Bobby Wood erhalten. Trainer Gisdol konnte zum dritten Mal in Folge die gleiche Startelf aufbieten – eine Premiere in dieser HSV-Saison. Und dieser Formation gelang die Premiere, dass der HSV zum ersten Mal in dieser Saison in drei Spielen in Folge ungeschlagen blieb. „Wir haben heute mit Herz und Leidenschaft gespielt. Das sind die Grundtugenden, und die zeigen wir“, sagte Gregoritsch, der seinen dritten Treffer innerhalb von einer Woche erzielte. „Es ist ein Zeichen an die Liga, dass wir leben.“

Obwohl sich der HSV mit dem ersten Saisonsieg fast vier Monate Zeit ließ, beträgt der Rückstand auf den Relegationsrang, den Darmstadt belegt, nur einen Punkt. „Jeder hat nun verstanden, dass es nur als Team geht“, sagte Gisdol. „Das stimmt mich positiv. Wir werden aber keinen Millimeter nachlassen.“

Vor 17.400 Zuschauer ließ der HSV erkennen, dass er die Klasse hat, in dieser Saison zumindest Darmstadt hinter sich zu lassen. Ob er auch die Klasse hat, die Klasse direkt zu halten, werden die nächsten drei Spiele vor der Winterpause (Augsburg, Mainz, Schalke) zeigen. Schlechter als die erschreckend schwachen Darmstädter wird in dieser Saison vermutlich kein Gegner mehr sein. Das wissen auch die Hamburger, die sich nach dem Spiel realistisch äußerten. „Es ist Erleichterung da, aber es fällt nicht viel Druck ab“, sagte Clubchef Dietmar Beiersdorfer. „Die Tabelle ist eng, und wir sind immer noch unten.“

Beiersdorfer wird nun in den kommenden Tagen ein wenig ruhiger arbeiten können. Die Sportchefsuche hat der in der Kritik stehende Vorstandschef aber ohnehin erst einmal auf Eis gelegt. „Sollte nicht jemand vom Himmel fallen, dann wird es bis zur Winterpause keinen neuen Sportdirektor geben“, sagte der 53-Jährige nach dem Spiel bei Sky. Bis dahin werde er die Aufgabe weiterhin selbst in Doppelfunktion fortführen. „Es sind kaum Menschen frei, die das machen können und zu unserer Strategie passen. Wir werden das jetzt erst einmal die nächsten Tage und Wochen zurückstellen.“ Was dann passiert, ist noch völlig offen. Beiersdorfer kämpft weiterhin um seinen Job. „Es geht nicht um mich, sondern um diesen wunderschönen Verein. Ich habe nie daran gedacht aufzugeben und werde das durchziehen. Wir werden schon wieder auf Touren kommen.“

Zumindest der Anfang ist gemacht. „Heute freuen wir uns, morgen auch noch, aber ab Dienstag konzentrieren wir uns nur noch auf Augsburg“, sagte Torschütze Gregoritsch. „Nächste Woche wollen wir endlich auch den ersten Heimsieg.“ Der letzte Heimsieg des HSV, es war ein milder Aprilabend im Volksparkstadion gegen Werder Bremen, liegt nun schon 228 Tage zurück.