Hamburg. Beim 0:0 gegen den 1. FC Kaiserslautern präsentierte sich der FC St. Pauli zwar verbessert, verpasste aber den erhofften Befreiungsschlag

Alexander Berthold
Annabell Behrmann

Als Schiedsrichter Robert Hartmann die Zweitligapartie zwischen dem FC St. Pauli und dem 1. FC Kaiserslautern um 20.24 Uhr beendete, wusste niemand so recht, wie er das Ergebnis einordnen sollte. Zwar konnten die Hamburger vor 29.037 Zuschauern im Millerntorstadion mit dem 0:0 die drei Spiele andauernde Niederlagenserie beenden und zeigten eine ordentliche Leistung. Das Warten auf den erhofften Befreiungsschlag geht jedoch weiter. Seit dem 2:1 gegen Bielefeld am 10. September blieb St. Pauli nun im elften Spiel in Folge ohne Sieg.

Trainer Ewald Lienen, über dessen Zukunft seit einigen Wochen täglich diskutiert wird, entschied sich nach dem Abpfiff ebenfalls für eine Sowohl-als-auch-Formulierung: „Wir hätten heute gerne einen größeren Schritt in die richtige Richtung gemacht. So war es ein kleiner Schritt. Aber ein wichtiger.“ Immerhin: Weil der Karlsruher SC 1:2 gegen Fürth unterlag, konnte man einen Zähler auf die Badener gutmachen.

„60 Punkte noch – holt sie euch!“, prangte in großen Lettern auf der Titelseite der Stadionzeitung „Viva St. Pauli“ – und die Spieler schienen das Blatt offensichtlich vor der Partie gelesen zu haben. Die Körpersprache und Spielanlage waren deutlich verbessert. Eine erste Torannäherung gab es bereits in der dritten Minute, als ein 18-Meter-Schuss von Richard Neudecker knapp das Ziel verfehlte. Auffällig aber auch, wie die Mannschaft sich mühte, vorsichtig zu agieren, keine Fehler zu machen, um einen Rückstand unbedingt vermeiden. Lienen, der kurzfristig auf den leicht angeschlagenen Dennis Rosin verzichten musste, bot im 15. Saisonspiel die 15. Startformation auf.

Mit Fortdauer der Partie konnte sich St. Pauli ein deutliches Chancenplus erarbeiten. Erst traf Lasse Sobiech mit seinem Kopfball in der 11. Minute nur den Querbalken. Pech hatten die Hamburger dann, als Mitte der ersten Hälfte ein Kopfballtor von Aziz Bouhaddouz wegen einer Abseitsposition (zu Recht) keine Anerkennung fand (23.).

In der 27. Minute allerdings schien sich die ganze Fußballwelt gegen St. Pauli verschworen zu haben. Mit dem ersten strukturierten Angriff des Spiels holten die zuletzt fünfmal in Folge ungeschlagenen Pfälzer einen Elfmeter heraus. Kapitän Sören Gonther grätschte völlig unnötig Gegenspieler Marcel Gaus von der Seite in die Beine. Mal wieder führte ein Fehler eines Routiniers dazu, dass man sich selbst schwächte. Zu allem Überfluss verletzte sich Torhüter Robin Himmelmann kurz vor der Szene bei einem langen Ball an der Hüfte. Nach vierminütiger Behandlung war klar: St. Paulis Keeper musste mit muskulären Problemen raus.

Für ihn kam Philipp Heerwagen unter tosendem Applaus in die Partie. Vier Minuten musste der ehemalige HSV-Profi Zoltan Stieber auf die Ausführung des Elfmeters warten – zu lange für ihn. Heerwagen ahnte die Ecke zwar, aber der Schuss des Schützen flog rechts am Kasten vorbei (32.).

Für den 33 Jahre alten Schlussmann ein emotionales Highlight, wie er kurz nach dem Spielende erzählte: „Ich bereite mich immer so vor, als würde ich spielen. Das war eine Traumsituation. ich habe in meiner Karriere schon den einen oder anderen Elfmeter gehalten. Ich wäre an den Ball bestimmt rangekommen, habe ihn schon an meiner Hand gespürt.“

Glücklich über den verhinderten Rückstand versuchten die St.-Pauli-Anhänger, ihr Team noch lauter nach vorne zu schreien. Die Partie gegen die Pfälzer offenbarte allerdings auch, wie fragil das Mannschaftsgefüge momentan ist. Gute Aktionen und Abstimmungsfehler wechselten sich fast minütlich ab gegen insgesamt bieder auftretende Kaiserslauterer.

Nach der Pause taten sich die Kiezkicker, abgesehen von einem Pfostentreffer von Bouhaddouz (47.), immer schwerer gefährliche Situationen zu generieren. Und so entwickelte sich eine Partie auf überschaubarem Niveau mit nachlassendem Tempo, die ausschließlich von der Spannung leben sollte. Daran änderte sich auch nichts mehr, als Lienen offensiv wechselte und Marvin Duksch für den angeschlagenen Bernd Nehrig brachte (77.).

Wollte man nach dem 0:0 das Positive betonen, konnte man sagen: Die Hamburger zeigten, dass noch Leben in ihnen steckt. Und auch Lienens Position dürfte gestärkt sein. Demonstrativ schloss sich Manager Andreas Rettig dem Schlusskreis der Spieler und Trainer an. Fest steht aber auch, dass der Druck immer mehr steigt. Gegen Kaiserslautern blieb St. Pauli zum vierten Mal in Folge ohne Torerfolg. Nur acht Tore nach 15 Partien, das ist eine Quote, mit der es sehr schwer wird, den Sturz in die Drittklassigkeit zu vermeiden.