Die Leistungssportreform soll Athleten konkurrenzfähig machen. International lautet das Erfolgsrezept: Doping.

Thomas Bach ist traurig. „Was in Tauberbischofsheim und in meinem geliebten Fechtsport passiert, kann man diplomatisch mit dem Satz zusammenfassen: I am not amused“, sagte er in dieser Woche in einem Interview.

Lieber Herr Bach, auch wir sind traurig. Und ganz und gar nicht amused, richtig verstimmt sogar. Nicht nur wegen des Niedergangs des deutschen Fechtsports, vielmehr weil Sie als weltweit angesehener Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) immer noch kein kraftvolles Signal gegen Doping, Manipulation und Bestechung gesendet haben; es nicht einmal für nötig befunden haben, sich bei den Opfern dieser Betrügereien zu entschuldigen, sie zu würdigen und angemessen zu entschädigen. Bisher 100 olympische Medaillen sind seit dem Jahr 2000 Dopingsündern aberkannt worden, eine absurd hohe Zahl, und die Ergebnisse der Nachtests der kühl gelagerten Urinproben der Sommerspiele 2012 in London und 2016 in Rio de Janeiro sowie der Winterspiele 2014 in Sotschi stehen weitgehend aus. Mit einer weiteren Lawine enttarnter Sieger ist zu rechnen.

Olympia hat seine Glaubwürdigkeit verloren. Die Chancengleichheit, Markenkern des fairen Wettkampfsports, ist längst zur hohlen Phrase mutiert, eine, die auch Bach weiterhin gern strapaziert. Worin besteht aber noch der Sinn, Milliarden an Steuergeldern für die Ausrichtung vornehmlich kommerzorientierter Olympischer Spiele auszugeben, wenn die Medaillengewinner erst Jahre später, und das abseits der Kameras, in den Labors ermittelt werden?

Ein Schelm ist natürlich, wer Böses dabei denkt, dass nun ausgerechnet ARD und ZDF bei Olympiaübertragungen draußen vor den Stadien bleiben müssen. Gerade die ARD-Doping-Redaktion um Hajo Seppelt hatte zuletzt zahlreiche Skandale aufgedeckt, dem IOC und den internationalen Spitzenverbänden viele unliebsame Fragen gestellt. Bei Eurosport, das ist zu vermuten, werden sie in den nächsten acht Jahren ausbleiben. Ohnehin scheint Doping und seine Bekämpfung eine eher westeuropäische Thematik zu sein. Anderswo lautet das Motto schließlich: Siegen um jeden Preis. Moral, Ethik und Gesundheit bleiben in den Startlöchern.

In (be-)trügerischen Zeiten wie diesen hat sich der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) nun zu einer Reform des Leistungssports entschlossen. Auf der Mitgliederversammlung am Sonnabend in Magdeburg soll sie die Zustimmung der Verbände finden. Mehr internationale Erfolge sind das Ziel. Im Kern geht es darum: Medaillenträchtige Sportarten sollen stärker gefördert werden, andere weniger. Keine aber soll durch den Rost fallen, eine Grundförderung ist inzwischen für alle vorgesehen. Wie viel Geld das zuständige Bundesinnenministerium in das neue System steckt, das sich einen wesentlich höheren Grad an Konzentration auf weniger Stützpunkte verschreibt, ist abzuwarten. Innenminister de Maizière (CDU) hat eine Erhöhung der Zuwendungen nicht ausgeschlossen.

Auch wenn die deutschen Erfolgsaussichten künftig computergestützt anhand von 20 Kriterien vorausgesagt werden sollen, was 700.000 Euro kostet, kann eine Variable bei aller Rechenkunst nicht verlässlich einkalkuliert werden: Wo schießen wir mit Kanonen auf Spatzen? In welchen Sportarten haben saubere Athleten noch eine Chance? Nehmen wir die deutschen Gewichtheber. Sie sind, sorry, Schwächlinge im Vergleich zur Weltspitze. Die ist aber hochgradig kontaminiert. Ohne die Kraft von Medikamenten würden sich die Verhältnisse wohl umkehren. Sollen die deutschen Heber daher in die höchste Förderkategorie eingestuft werden? Oder sollte die Förderung gekappt werden, weil sich international nichts ändern wird? Fragen wie diese sind bislang nicht hinlänglich beantwortet.

Wie Spitzensport in Deutschland funktionieren kann, haben in den vergangenen Jahren die HSV-Beachvolleyballerinnen Laura Ludwig/Kira Walkenhorst demonstriert. Sie haben sich 2012 ihr eigenes Funktionsteam zusammengestellt und losgelöst von starren Verbandsstrukturen ihren „Weg zu Gold“ 2016 in Rio de Janeiro gefunden. Wie der geht, kann sich der DOSB jetzt auf DVD anschauen. Den 85 Minuten langen Film gibt es seit Donnerstag im Handel.