Hamburg. Die Tennis-Weltranglistenerste zeigte sich in Hamburg sympathisch und Fan-nah. Kaum eine Frage blieb unbeantwortet.

Kurz scheint es, als habe sie der Mut verlassen. Ist ja auch wirklich nicht alltäglich, die Eröffnungsfrage an die Weltranglistenerste zu stellen, während 700 andere Kinder und Erwachsene zuhören. „Äh, äh“, beginnt das Mädchen mit den Rastazöpfen, das ihr vorgehaltene Mikrofon lässt ihre Stimme durch die Tennishalle des Harvestehuder THC an der Barmbeker Straße hallen. Doch dann kommt die Frage wie ein schneller erster Aufschlag: „Haben Sie Kinder?“ Angelique Kerber lacht, alle anderen lachen mit, Anspannung löst sich in Wohlgefühl auf.

Ein klares Nein hat Angelique Kerber, zweifache Grand-Slam-Siegerin der Saison 2016, Silbermedaillengewinnerin der Olympischen Spiele von Rio und aktuell beste Tennisspielerin der Welt, auf die Frage retourniert, aber schon kurze Zeit später wird deutlich, dass das nicht stimmt. Sie hat keine eigenen Kinder, aber die Herzen der vielen jungen Zuhörer, die auf Einladung der Tennisausrüster Yonex und Tennis-Point auf die Anlage des HTHC gekommen sind, hat sie spätestens mit ihrem gestrigen Auftreten erobert. Sympathischer und Fan-näher als die 28-Jährige kann sich eine Spitzensportlerin nicht präsentieren. Dass am Ende nicht jeder ein Autogramm ergattern konnte, war dem straffen Zeitplan geschuldet und nicht mangelndem Respekt vor ihren Anhängern, die bereits um 13.15 Uhr geduldig im Schmuddelwetter in einer langen Schlange vor dem Clubgelände auf die Kontrollen des extra zugezogenen Sicherheitsdienstes gewartet hatten.

Viele junge Fans kamen zu Wort

Als um 15.16 Uhr hinter dem cremefarbenen Vorhang, der die drei Teppichcourts begrenzt, Kerbers orangegrelle Turnschuhe hervorleuchteten, brach unter den Zuschauern, die sich vorab per E-Mail für das Event anmelden mussten, um des Ansturms der mindestens 3000 Interessierten Herr werden zu können, Jubel aus. Zu den Klängen von Helene Fischers „Atemlos“ kam die gebürtige Bremerin auf den Platz getanzt. Und weil es die erste sportliche Betätigung nach zehntägigem Erholungsurlaub für sie war, kam sie tatsächlich bald ins Keuchen. Zum einen, weil die als Gewinnerin einer persönlichen Trainingseinheit ausgewählte Nordligaspielerin Ann-Sophie Funke (15) vom VfL Westercelle spielte, als wolle sie demnächst an Kerbers Thron rütteln. Zum anderen aber auch, weil Moderator Matthias Stach sie während der Ballwechsel mit Fragen löcherte.

Der Tennisexperte, der Kerbers Triumphe als Kommentator für Eurosport live erlebt und eine freundschaftliche Beziehung zu ihr aufgebaut hat, schaffte es in der ihm eigenen Art, Fragen, die er schon zigfach gestellt hat, wie frisch patentierte Neuerfindungen wirken zu lassen. Umso wichtiger war aber, dass er die vielen jungen Fans zu Wort kommen ließ, die im Anschluss an die Kinder-Einstiegsfrage eine ganze Reihe an privaten und sportlichen Dingen wissen wollten. Manches klang wie ein Eintrag ins Freunde-Buch („Welche Hobbys hast du, was hörst du für Musik“), anderes („Was ist für dich das Wichtigste im Leben?“) tiefgründiger als manche Journalistenfragen – die im Übrigen an diesem Nachmittag, der den Fans vorbehalten war, nicht zugelassen waren. Und das war gut so.

In Winterhude nahm sich Kerber Zeit für die Fragen der Stars von morgen
In Winterhude nahm sich Kerber Zeit für die Fragen der Stars von morgen © Witters

So blieb Zeit für Klamauk. Mit HTHC-Herrenspieler und -Vereinstrainer Marco Lange, Gewinnerin Ann-Sophie und Stach spielte Kerber ein Doppel, bei dem sie eine Bratpfanne als Schläger zweckentfremden musste. Und als HTHC-Ikone Tobias Hauke, zweifacher Olympiasieger im Hockey, mit zwei Hockeyschlägern aufs Feld kam, ließ sich die Nummer eins nicht irritieren und brachte auch mit der dünnen Kelle die Filzbälle auf die andere Seite des Netzes. Zum Abschluss wurden alle Kinder auf den Platz gebeten, um im Halbkreis Fragen zu stellen und Fotos zu machen, was schnell in eine mittelschwere Rudelbildung ausartete.

„Mir hat das sehr viel Spaß gemacht, vor allem mit den vielen Kindern“, sagte Kerber noch, bevor sie um 16.11 Uhr hinter dem cremefarbenen Vorhang verschwand. Zurück blieben begeisterte Menschen. „Für uns war es das Tennis-Highlight unserer Geschichte“, sagte HTHC-Präsident Cito Aufenacker, dessen Verein (2800 Mitglieder, davon 1400 in der Tennissparte) in diesem Jahr sein 125-jähriges Bestehen feiert. „Ich bin rundum zufrieden“, sagte Tennis-Point-Organisator Simon Patz­waldt, der die Veranstaltung innerhalb von nur zwölf Tagen auf die Beine gestellt hatte. „Sie war sehr nett und hat mir viele Fragen gestellt“, sagte Ann-Sophie Funke, für die sich das persönliche Treffen anfühlte, „als hätte ich eine Million Euro gewonnen“. Und Isabella Gian­caspro (11) vom TC an der Schirnau sagte: „Es war toll, dass wir alle zu ihr durften und Fragen stellen konnten. Sie sah aus, als wäre sie ein richtig netter Mensch, der Kinder sehr gern mag.“

Eine Umfrage des Forschungsinstituts Human Brand Index hatte im Oktober ergeben, dass 81 Prozent der Deutschen Angelique Kerber sympathisch finden. Dieser Wert dürfte am Mittwoch locker übertroffen worden sein.