Essen. Anfang November startet Wiese seine neue Karriere als Showkämpfer im Wrestling. Seine Karriere als Fußball-Profi soll ihm dabei helfen.

Im Trainingszentrum in Essen-Katernberg steht ein Muskelberg mit 120 Kilogramm Lebendgewicht im Ring. Es ist Tim Wiese (34), ehemaliger ­Nationaltorhüter mit sechs Länderspielen und jetzt Showkämpfer in der amerikanischen Wrestling-­Profiliga WWE. Nur die nach hinten gegelten Haare erinnern noch an den früheren WM-­ und EM-Teilnehmer. 40 Kilogramm Muskelmasse hatte Wiese in den vergangenen beiden Jahren zugelegt. „Zehn Kilo mussten wieder runter, sonst hätte ich mich gar nicht mehr bewegen können“, scherzt Wiese.

Der „dünne Hering“, wie er sich einst bezeichnete, ist Geschichte. Und das ist das Produkt harter Arbeit, besonders im Kraftraum. Wrestling ist eine Mischung aus Athletik und Choreografie. Die Ergebnisse der Kämpfe werden vorher festgelegt. Doch um dem Publikum eine spektakuläre Show zu bieten, müssen die Darsteller körperlich in Topform sein. Wiese: „Die Intensität beim Wrestling­-Training ist mit Fußball nicht zu vergleichen.“

Nur einen Steinwurf entfernt von der Zeche Zollverein, dem bekanntesten Industriedenkmal des Ruhrgebiets, schuftet Wiese täglich mehrere Stunden lang. Schon beim Aufwärmprogramm kann er seine These belegen: intensives Dehnen, zahlreiche Liegestütze und Rumpfbeugen – schon fließt der Schweiß von der Stirn. Es folgen Übungen mit zwei Sparringspartnern. Die fliegenden Schwergewichte sorgen für ohrenbetäubenden Lärm, wenn sie auf den Boden klatschen.

Wrestling war Wieses Kindheitstraum

Obwohl Wiese Spätstarter ist, macht er eine durchaus gute Figur beim Wrestling. „Beim Fußball bin ich jahrelang durch die Luft geflogen. Das kommt mir nun entgegen“, sagt er. Sein Profivertrag in Hoffenheim („Elf Spiele und drei Jahre bezahlter Urlaub. Das ist wie ein Lotto-Jackpot“) war im Sommer ausgelaufen.

Angetrieben wird er von seinem Kindheitstraum. Wiese will ein Wrestling-­Superstar in den USA werden, der „King of the Ring“ (König des Rings), wie es auf seiner Trainingsjacke steht. Hoffnung macht ihm eine Größe des Sports: „Ich weiß, dass Tim als ehemaliger Leistungssportler alles mitbringt, was es braucht“, sagt WWE-­Legende Paul Levesque alias Triple H. Vom 3. November an möchte er in München an der Seite der großen Namen des Wrestlings erstmals sein Können unter Beweis stellen und mit Stars wie dem Schweizer Cesaro und dem Iren Sheamus antreten.

Lampenfieber hat er nicht. „Ich werde wie ein Tornado durch den Ring fegen“, tönt Wiese. Markige Sprüche gehören im Showgeschäft zum guten Ton. Dass Wiese diese Sprache beherrscht, hat er schon in der Bundes­liga bewiesen. „Ich war schon beim Fußball der Bad Boy – und das werde ich nun auch im Ring sein. Schon beim Fußball war ich für die gegnerischen Fans der böse Mensch, den alle im Stadion beschimpft haben. Damit komme ich klar. Die können mich ruhig alle hassen.“